Der Tod der Barmekiden

Blut! Blut!

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Haruns grosser Speisesaal!

Rechts, links und hinten breite weite Säulenhallen, die denen der grössten Moscheen in Nichts nachgehen.

Die in Blau, Roth und Gold bemalten Holzsäulen sind mit frischem Lorbeer geschmückt. Hellgrüne kugelrunde Papierampeln – immer drei Stück zusammen – erleuchten wie glühende Weintrauben Haruns grossen Speisesaal, dessen mittleres Viereck – eigentlich ein Hofraum – von einem riesigen gelben Teppich überspannt ist, der mit den Bildern schwarzer Raubthiere und mit kleinen silbernen Sternen übersäet ist – aber nicht überreich; das Gelb wiegt vor.

Dunkle Teppiche aus Afrika bedecken den ganzen Boden. Zwischen den Säulen dampfen die Räuchergefässe. Stille Knaben wandeln umher und sprengen wohlriechendes Wasser aus Siraf. Dabei erzählen sie im Flüstertone von ihrem Freunde, dem armen Hassan, der plötzlich enthauptet wurde; aber Keiner weiss – weswegen. Ein junger Armenier mit weisser Haut und pechschwarzen Locken will die Andern veranlassen, mit ihm zu fliehen. Er sagt dabei: »Lieber irgendwo im Walde von wilden Thieren gefressen werden oder verhungern – als hier beim besten Essen und Trinken in steter Todesangst leben.«

Doch des Armeniers Rede findet keinen Anklang. »Mit dem ist’s nicht richtig,« meint ein dicker Knirps, »fliehen will er? Wozu denn? Wir leben hier ganz gut. Und wer sterben soll, stirbt doch. Das ist nun einmal nicht anders.«

Die meisten Knaben nicken dazu, und dann schleichen sie Alle betrübt hinaus. »Hier werden heute,« flüstert seufzend der kleine Armenier, »sicherlich wieder ein paar Menschen abgeköpft; Masrars Knechte bedienen.«

Und die Henkersknechte erscheinen in goldstrotzenden Röcken – mit rothem Turban und glühenden Augen. Ein gefährliches Volk!

Die rohen Gesellen sprechen in andrer Weise von den letzten Hinrichtungen, ihnen macht ihr Handwerk Spass; so was wie ›Mitleid‹ kennen sie garnicht. Eine wüste Bande, die auch mit glühendem Eisen ganz kaltblütig foltern kann!

Und auch die Gäste erscheinen und nehmen hinten unter dem gelben Dach im Halbkreise auf den dunklen Teppichen Platz. Die Gäste sprechen ebenfalls von der schlimmen Zeit; Harun will ja stets das Gewinsel seiner Feinde hören. »Wem’s nicht passt, möge den Höfen der Fürsten fernbleiben,« bemerkt sehr kühl ein sehr weiser Perser, »ein Staatsmann muss stets auf das Schlimmste gefasst sein und darf die Fassung nie verlieren, sonst verliert er seinen Kopf.«

Harun erscheint zuletzt und begrüsst freundlich lächelnd ein Dutzend Barmekiden – das letzte Dutzend! Der Chalif setzt sich hinten in die Mitte auf einen erhöhten Sitz.

Unheimlich wird Allen, wie sie bemerken, dass die Henkersknechte die Speisen herbeitragen; manches Ehrenkleid wird mit Bratentunke begossen, doch kein Gast Haruns verzieht eine Miene solcher Kleinigkeiten wegen.

Festliche Musik ertönt hinter den Säulenhallen – aber nicht laut – nur wie aus weiter Ferne.

»Der Gram,« spricht mit dem Becher in der Hand der weise Perser, »sieht immer so dumm aus. Und es wirkt so recht albern, wenn man sich nicht zu trösten weiss.«

Ein glühender Blick des Chalifen erschreckt den kühnen Redner so, dass der den Becher in seinen Bratenteller fallen lässt.

Indische Tänzerinnen in feinen dünnen Schleiern, die immer in der Luft herumschweben, tanzen jetzt mitten im Halbkreise, den die Gäste bilden. Dumpf dröhnen die kleinen Handpauken, und Fackeln flammen in den Säulenhallen.

Plötzlich ist Alles still.

Und hinter Harun verliest der Hausmeister ein Schreiben, in dem zwei Barmekiden, die sich unter den Gästen befinden, des Hochverrathes angeklagt werden; sie sollen in Aegypten eine Verschwörung angezettelt haben.

Die beiden Barmekiden werden zum Tode verurtheilt und sofort vor Aller Augen enthauptet – auf rothen Lederkissen – dort, wo eben noch getanzt wurde.

Das Blut der Getöteten wird in kupfernen Wannen aufgefangen und mit den besten Weinen vermischt. Den Blutwein sollen Alle trinken.

Bis dahin hat kein Laut das geschäftige Treiben der Henkersknechte unterbrochen, nicht einmal die Tänzerinnen haben aufgeschrieen. Die leise Musik in der Ferne tönt immer noch.

Die zehn übrig gebliebenen Barmekiden weisen den Blutwein zurück – ein Murren entsteht.

Die Henker lächeln wie wilde Bestien, und ein paar Augenblicke später sind weitere zehn Köpfe von ihren Rümpfen getrennt.

»Was kommt nun?« brüllt da der weise Perser, und er schmeisst seinen Becher mit Blutwein dem Chalifen ins Gesicht.

Jetzt schreit Alles entsetzt auf – erst jetzt.

Und Harun brüllt: »Masrar! Masrar! Röst dem da die Augen und schmeiss sie vor die Säue!«

Mit rothglühenden Eisen treten zwei Negerknaben in den Saal. Die Musik in der Ferne verstummt.

Der Vorhang fällt.

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Der Vorhang ist olivgrün, und lauter lilafarbige Weiber in unglaublichen Stellungen sind klecksig raufgemalt. Unten sitzt eine ganze Reihe älterer Weiber, die sich die Brüste abreissen, wobei schwarzes Blut an ihren alten nackten lilafarbigen Leibern runterrinnt.

Ein recht ekelhaftes Gemälde!

Die Europäer sehen sich’s nicht näher an.

Die Löwen kratzen sich mit den Vorderpfoten die Mähnen zurecht – gegenseitig.

Olli brüllt: »Jetzt haben wir genug!«

Er lacht hässlich und knallt mit dem Schwanz.

Pix brüllt: »Donnerwetter! Es fällt uns garnicht ein, diesen Fleischermeistern in ihrem Schlachthofgeschäft noch fürderhin ruhig zuzuschauen. Was zu viel ist, ist zu viel! Es ist eine Gemeinheit!«

Er spuckt aus und schüttelt sich.

Plusa meint schalkhaft, es wäre doch sehr lächerlich, mit den Barmekiden Mitleid zu haben – Raifu hätte doch auch keines mit den Europäern.

Knaff brüllt furchtbar laut, dass die Sterne wackeln: »Die europäische Gesellschaft mit ihrer unnatürlichen Sau-Monogamie ist Nichts als eine hundsgemeine Zuhälterblase mit frechem Dirnenpack.«

»Jedenfalls,« donnert nun der vornehme Frimm los, »müssen wir es für die Zukunft ablehnen, noch einmal den Vorhang entzweizureissen. Was geht uns das verrückte Schauspiel an, wir haben Nichts damit zu schaffen. Wir sind anständig.«

Raifu’s Kopf erscheint über dem Vorhang und er sagt ernst: »Löwen, seid vernünftig! Seid nicht widerspenstig!«

»Wir reissen Deinen Vorhang nicht mehr entzwei. Mach die Bude zu und geh friedlich nach Haus. Es ist so wie so bald Morgen.«

Also antworten im Chore die herrlichen blauen Löwen, die jetzt mit der Zurechtkratzung ihrer Mähnen fertig sind.

Nun – Raifu schickt einfach seine zwölf Zaubrer runter, und die verprügeln die Löwen in einer barbarischen Art; da die Zaubrer in der Luft mit Bequemlichkeit auf- und niedersteigen können, ist es den Löwen unmöglich, sich gegen die wohlgezielten Hiebe zu schützen.

Die Schläge pauken durch die Wüste, als wenn alte Riesenteppiche ausgeklopft würden.

»Ihr sollt Farbe bekennen,« schreien die schwarzen Männer in der Luft.

Dabei werden die Löwen dunkelblau.

»Ihr sollt nicht blos Eure Hautfarbe, sondern auch Eure Charakterfarbe verändern – die Posirerei lassen.«

So tönt die zweite Bemerkung der Schwarzen.

Dabei werden die Löwen krumm und lahm geschlagen. Die Pose stirbt.

Das ist ein rührender Anblick für die Europäer, die ob dieses Wüstenschauspiels wieder gut gelaunt werden.

Die Dunkelblauen sind bald nicht mehr im Stande, den Vorhang zu zerreissen; sie können kaum krauchen.

Das Wehgeheul kann den stärksten Mann rühren.

Raifu lacht schauerlich.

Und zum Troste sendet er seinen lieben Bestien fünf Fässer mit französischem Cognac.

Der bringt die armen Thiere wieder auf die Beine.

Ganz hergestellt sind sie aber, als ihnen die Zaubrer fünf riesige nagelneue Drehorgeln überreichen.

Da müssen die Löwen sogar lachen.

»Die passen in die Mordsgeschichte,« quarrt mit rostiger Stimme der liebe Plusa.

Die Löwen trinken und drehen die Orgeln.

Die Europäer halten sich die Ohren zu bei dieser Jahrmarktsmusik.

Und nach dem Concerte wird der Vorhang wieder entzwei gerissen – dieses Mal langsam, denn die Löwen hinken sämmtlich.

Die Europäer bedauern schon die schönen Thiere, deren Haut noch immer viele grosse dunkelblaue Flecke und Striemen zeigt.

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Die einundzwanzigste Nummer beginnt:

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