Der Tod der Barmekiden

Thränen der Verzückung

 

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»Die Welt ist so gross —  und so herrlich der Tag!«

Und die Sonne ist am sonnigsten, wenn sie untergeht.

Hinter Haruns Sonnenschloss geht die Sonne unter.

Ein stilles dunkles Wasser füllt die Mitte und den Vordergrund. Und zu beiden Seiten des Wassers geht’s in Terrassen mit vielen Hecken, Mauern, Grotten und Treppen bergan. Oben rechts und links sind hängende Gärten mit vielen bunten Blumen und vielen grünen Lauben.

Das Wasser wird mehr nach hinten von einem Brückenbogen überspannt. Und auf diesem Brückenbogen erhebt sich —  Haruns leichtes luftiges Sonnenschloss.

Unter dem Brückenbogen in der tiefen Schlucht geht die Sonne unter.

Über dem Brückenbogen im Schloss zwischen ein paar schlanken Holzsäulen und zwischen Djafar und Abbasah steht Harun, der allmächtige Chalif.

Harun hebt die Arme empor, dass seine Hände fast das schwach gewölbte Holzdach des sogenannten Schlosses erreichen.

Das Schloss nimmt den Europäern nicht viel Aussicht fort, sie können überall —  zwischen den Säulen des Schlosses durch —  den Abendhimmel sehn, der allmählich in gelben und rothen Tönen brennt.

Und der Chalif ist schrecklich selig. Er redet sehr viel, sagt aber immer dasselbe. Djafar wirft ihm das mürrisch vor.

Abbasah hält den grossen Schwärmer für betrunken, mit welcher Meinung sie durchaus nicht zurückhält.

Doch der Schwärmer lässt sich nicht so leicht stören. Er findet plötzlich im Wasser hinten in der Schlucht ganz unbeschreibliche Farben und will sie seinem Weibe und seinem Freunde beschreiben. Aber die Beiden verstehen natürlich nicht, was er meint.

Er sieht Alles anders und viel mehr. Er muss sich darüber immer wieder und wieder laut wundern —  was den Genossen seiner Freude bald langweilig wird.

Der Harun bemerkt ihre schlechte Stimmung nicht. Er denkt jetzt an die ganze letzte Zeit, in der er Weib und Freund immer zugleich um sich hatte. Und was Harun empfindet und denkt —  das müssen die Europäer mitempfinden und mitdenken, ohne dass im Schloss ein Wort gesprochen wird —  die Schallfänger sind so masslos fein.

Die Drei haben den Europäern den Rücken zugekehrt und starren unverwandt in die gelben und rothen Töne des Sonnenuntergangs.

Die letzte Zeit klingt so beglückend nach. Ein zarter Rausch bebt und schwingt über dem Brückenbogen, der mit den Linien des Schlosses dunkel erscheint vor der flammenden Wolkenglut.

Harun fühlt sich so glücklich, dass er einen Freund hat, dem er sich rückhaltlos hingeben darf. Noch trübt keine Spur von Misstrauen sein seliges Bewusstsein, einen Freund zu haben, der Alles mitgeniesst.

Der Chalif fühlt: er ist nicht allein —  er weint vor Rührung.

Die Europäer werden auch ganz gerührt, denn sie sehen und fühlen alles Das mit, was der Chalif sieht und fühlt, als ständen auch sie über dem Brückenbogen —  die ausgezeichneten Operngucker tragen dazu ebenfalls das Ihrige bei.

Nun tönen aus der Tiefe der Schlucht leise gesungene Volkslieder nach vorn, und Thränen der Verzückung rollen über die braunen Wangen des glücklichsten Herrschers der Welt.

Er dreht sich um. Sein Glück wird immer grösser. Er kann die Steigerung kaum ertragen.

Er wirft seinen Turban ab und hebt die Arme zum schwach gewölbten Holzdach empor wie ein Priester.

Er erinnert sich an seine Kindheit, an schwarze Pferde und wilde Tigerjagden, an seine Mutter und an die erste Damascenerklinge, die er einst heimlich in der Waffenkammer ergriff und in der Sonne blitzen liess —  das war damals auch im Farbenzauber einer Abendsonne.

Die Gesänge werden lauter, sie kommen näher. Harun umarmt den Djafar, seinen besten Freund, und die Abbasah schüttelt den Kopf dazu.

Die Sängerinnen nähern sich auf vielen kleinen Kähnen.

Aus den hängenden Gärten ertönen Lieder, die wie Echos auf die Gesänge, die aus der Tiefe der Schlucht immer näher kommen, antworten.

Ins Masslose steigern sich Haruns leidenschaftliche Gefühle.

Die kleinen Kähne mit den Sängerinnen sind bald unter der Brücke; einige Kähne, die an der Stirn einen hölzernen Thierkopf tragen, fahren ganz in den Vordergrund und legen sich rechts und links quer vors Ufer.

Kinderstimmen dringen auf den Terrassen, in den Grotten und hinter den Hecken durch.

Und Haruns Lieblingslied hallt brausend aus tausend Kehlen in den gelb und roth gefleckten Abendhimmel hinein.

Ein einfach närrischer Rausch erfasst den Chalifen.

Er ruft seine Sklaven heran und befiehlt, seinen Staatsschatz zu holen.

Die Sklaven holen den Schatz, der in vielen eisernen Kisten steckt, eiligst herbei.

Zu seinen Füssen lässt der Gewaltige seinen Staatsschatz zählen.

Die Goldstücke klingen durch den Gesang hindurch wie Cymbeln.

Sechs Millionen Dirham sind im Staatsschatz —  sechs Millionen Dirham! Eine schöne Masse Gold!

Und diese sechs Millionen lässt Harun von der Brücke haufenweise runterwerfen auf die Köpfe der Sängerinnen rauf.

Natürlich fallen die meisten Goldstücke ins Wasser, das glücklicherweise nicht tief ist.

Und die Weiber springen daher schreiend aus den Kähnen raus, rein ins nasse schlammige Element, balgen sich ums Gold, kreischen und ringen mit einander, bespritzen sich von oben bis unten —  und füllen sich die Taschen.

Die schönen Kleider der Mädchen werden nass und voll Schlamm.

Harun muss fürchterlich lachen.

Auch die Abbasah muss lachen, Djafar desgleichen.

Und eine Seligkeit erfüllt jetzt das ganze Abendbild, dass es nicht zu sagen ist.

Der ganze Himmel wird dabei gelb und roth ›gestreift‹ wie ein Tigerfell.

Die schlammigen Fluten spritzen und schäumen, die Kähne kippen um, und die Weiber ersaufen beinah.

Aus den hängenden Gärten und von allen Seiten rennen Alle so schnell wie möglich runter und stürzen sich kopfüber ins Goldmeer.

Leider verstehen die Ruderer das Sammeln und Suchen am besten.

Gequiek und Geplärr und fast wieherndes Gelächter!

Thränen der unsinnigsten Wuth und Thränen der unsinnigsten Verzückung!

Es wirbelt Alles durcheinander, als würden zehntausend sinnlose Begierden gestillt.

Eine wüste Katzbalgerei ohne Ende!

Die Europäer möchten so gern dabei sein, auch ins Wasser springen und Gold suchen. Doch die hellblauen Löwen passen auf. Da ist Nichts zu machen. Harun hat dieselben Gefühle wie die Europäer, möcht‘ übers Geländer rüber sich runterstürzen —  ihn hält nur sein königliches Standesbewusstsein zurück —  das genügt aber.

Indess anitzo spritzen plötzlich vorn grosse Springbrunnen empor —  nach allen Seiten durcheinander —   a u ch  durcheinander!

Und das Plätschern der Springbrunnen rauscht baldigst so laut, dass man die wilden Horden unter dem Brückenbogen nicht mehr hört —  zugleich nicht mehr sieht, da die aufspringenden und gleich drauf wieder niederstürzenden Wassersäulen eine breite weisse Schaumwand —  einen herrlichen Vorhang —  bilden.

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Selbst die Löwen staunen.

Sie sind aber ganz baff, als plötzlich von rechts und von links grünes und blaues Licht in die strudelnde Schaumwand sich ergiesst und ein Farbenspiel entzündet, das stumm macht.

Die zwölf Zaubrer steigen hernieder und wandeln hoch über den Köpfen der Löwen langsam durch die Luft und sehen sich ebenfalls erstaunt das gleissende Feuerwasserspiel an.

Die Löwen vergessen, das Wort zu ergreifen —  sind einfach futsch.

Die Europäer sind so geblendet, dass sie nicht wissen, was mit ihnen geschieht.

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Langsam nur —  ganz allmählich —  verfallen die blauen und grünen Glanzstrudel.

Die Zaubrer steigen wieder nach oben.

Eine schwarze Finsternis breitet sich dort, wo eben noch so viel lichter Farbenrausch flammte, wie ein schwarzes Tuch aus, mit dem man Leichen umhüllt.

Alles wird stockdunkel.

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Die sechste Nummer beginnt:


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