Lesabendio

Achtzehntes Kapitel

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 Biba hält dem Lesa einen großen Vortrag über die Annäherungsmotive astraler Lebewesen, und Lesa hält das Gesagte für einen Beitrag zur Lösung des Persönlichkeitsproblems. Man entdeckt in Pekas Atelier ein großes Modell des Nordtrichterturms mit architektonischer Durchbildung. Viele Pallasianer bedauern, daß der Turm die Ausführung des Peka-Modells verhinderte. Die Ampel oben steigt aber höher, und man baut das nächste Stockwerk eine Meile hoch, Sofanti umschließt das Ganze mit Haut, sodaß der Turm seine Laterne hat. Labu ist verschwunden. Manesi geht in seinem Sonnenatelier ebenfalls wie Peka in Lesabéndio auf.

Biba wurde jetzt sehr lebhaft; er ließ den Lesabéndio fast gar nicht mehr aus den Augen. Fast in jeder Stunde hatte er ihm neue Gedankengänge zu übermitteln. Und Lesa hörte immer aufmerksam zu. Oben auf dem Rande der großen Manesi-Ampel sagte Biba eines Tages zwischen großen karminroten Blumen, die wie schlaffe kleine Luftballons unter dem violetten Himmel hingen, während die grünen Sterne heftig funkelten und die Lichtwolke oben strahlte: »Lieber Lesa, wir denken wohl häufig, es könnte wohl verwunderlich sein, daß sich die Sterne einander nähern und so lange einander nahe sind. Ein bloßes Mitteilungsbedürfnis kann sie doch nicht zusammenführen. Um sich Gedanken mitzuteilen, dazu bedarf es keiner körperlichen Annäherung. Die Gedankenmitteilung ist durch Bücher und andere Schriftzeichen viel leichter herzustellen. Wenn wir Oberflächenwesen schon die fixierte Gedankenübermittlung kennen, so dürfte den Sternen noch eine ganz andere Art von verständlichen Schriftzeichen geläufig sein. Darum bin ich der Meinung, daß den großen astralen Lebewesen das Fixieren von Gedanken nicht so wichtig ist – wie das Formulieren von neuen Eigenschaften. Dieser wegen kommen sie zusammen. Und so läuft alles Zusammenkommen auf große lange Zeit hindurch vorzubereitende Umwandlungsprozesse hinaus. Die Sterne kommen eben zu andern Sternen, um ihr ganzes Wesen ein wenig oder recht energisch – umzuwandeln. Wie verwandeln sich nur die Kometen in der Nähe der Sonne! Bedenke das nur! Das ist das Deutlichste. Dieses Umwandlungsprinzip ist darum auch in den Oberflächenwesen der Sterne zu konstatieren. Denke an die sterbenden Pallasianer! Vielleicht ist alles Sterben in unserm Sonnensystem nur auf dieses große, überall bemerkliche Umwandlungsprinzip zurückzuführen. Da hätten wir einen Gedankengang, der wohl viele Rätsel einer Lösung etwas nähert. Andrerseits wird doch auch die Sonne durch ihre Planeten umgewandelt; der Einfluß des Jupiters auf die Sonnenfleckenperiode ist doch ebenfalls so ußrordentlich deutlich. Vielleicht ist sogar der Pallas in der Lage, einen kleinen Eindruck auf das Leben der Sonne auszuüben. Wir könnens ja nicht bemerken. Aber vielleicht weiß das Kopfsystem oben Näheres davon. Vielleicht stehen wir der Sonne näher, als wir denken. Natürlich werden sich manche Sterne zu Zeiten auch gegen den allzu kolossalen Einfluß der Sonne auflehnen und sich dann eine Kruste zulegen, durch die sie ein wenig geschützt sind gegen die allzu heftigen Temperaturbeeinflussungen unsres großen Centralgestirns. So mags bei der Erde sein. Vielleicht kommt daher auch die etwas zurückgebliebene Geistesverfassung der Erdoberflächenbewohner. Der Pallas ist ja auch sehr hartkrustig. Aber er hat einen heweglichen Kometenkopf. Vielleicht stammt dieser doch aus dem Nordtrichter. Man müßte allerdings annehmen, daß dann dem Südtrichter auch ein Kometenkopf entstiegen sei. Aber über die Entstehung der Sternsysteme darf man ja nicht nachdenken. Was ist in diesen Kopfund was ist Rumpfsystem? Das ist doch alles nur Bildersprache von uns. Möglich ist doch auch, daß das Kopfsystem oben ursprünglich gar nicht an unsern Trichterstern gebunden war. Was ist nicht alles möglich! Wir sollen nicht darüber nachdenken. Das führt zu weit. Und wir würden wohl gar nicht klüger, wenn wir Näheres von der Sternenentstehung wüßten – oder wir würden vielleicht zu klug – was uns doch ebenfalls sehr schädlich sein könnte.« Lesa sagte lächelnd: »Das war eine famose Randbemerkung zum Thema: Persönlichkeit!« Sie sprachen weiter über dieses große Thema. – Währenddem waren die Freunde Pekas mit Labu in Pekas Atelier gefahren und durchstöberten da alle Ecken und Winkel der riesenhaft großen Räume. Und dabei entdeckten sie plötzlich eine Türe, die durch Druck nachgah. Und sie sahen einen großen von der Decke aus hell erleuchteten Raum vor sich. Und im Fußboden dieses groß e n Raumes befand sich eine ganz genaue Nachbildung des Nordtrichters – aber mit unsäglich vielen kristallinisch gebildeten Felsmassen durchsetzt – mit glatter, Wänden und mit großen Überkragungen – mit Terrassen und Türmen, Brücken und Geländern; auch viele Bandbahnen waren da, die sich so bewegten, wie die großen Bandbahnen draußen. Das Modell hatte einen Durchmesser von ungefähr fünfzig Metern und drehte sich langsam automatisch um sich selbst. Von diesem Modell hatte bisher kein Pallasianer eine Ahnung gehabt; Peka hatte es heimlich ganz eigenhändig hergestellt. Es bewegte sich immer noch, und die nachgebildete Lichtwolke oben leuchtete auch noch immer. Das Ganze war an eine Elektrizitätsquelle angeschlossen und hätte sich noch Jahre hindurch bewegt, wenn man den Modellraum auch nicht entdeckt hätte. »Welche Arbeit!« sagte Labu. Man sah noch von oben mehrere Stricke herunterhängen; an denen hatte sich Peka angeschlossen, wenn er in seinem Modellturm die kleinen Modellfelsen anbrachte. Es sah wie eine Spielerei aus. Aber Pekas Freunde wurden doch sehr traurig, als sie das alles sahen. Bei der ständigen Drehung des Ganzen ließ sich der rhythmische Wechsel in allen Raumteilen sehr gut beobachten. Und auch der Rhythmus in den Flächen wurde deutlich; er war durch farbige Linien und Bänder markiert. In der Tiefe war das Loch des Planeten, und durch das sah man in den Südtrichter. Man versuchte nun zu diesem auch durchzudringen; es war aber zu eng, um einen Pallasianer durchzulassen. Nach langem Suchen fand man endlich eine Falltüre, durch die man in den unten gelegenen Raum gelangte. Dort aber lag noch alles ganz roh durcheinander; an den Südtrichter hatte Peka niemals ernstlich gedacht – allerdings schien ers wohl nicht für unmöglich gehalten zu haben, daß auch dort mal seine rhythmisierende Tätigkeit beginnen könnte. Schnell wurden alle Pallasianer von der Existenz dieses Modells in Kenntnis gesetzt. Und Alle kamen, um sich die große langwierige feine Arbeit anzusehen. Viele bedauerten beim Anblick dieses Modells, daß so wenig davon zur Ausführung gelangte; nur die Fundamente von drei Nuse-Türmen waren nach diesem Modell oben ausgeführt. Und diese drei – allerdings umfangreichen – Fundamente hatten dem Sofanti genügt, um ein überreiches Hautmaterial zu erzeugen. Bald darauf entdeckten die Pallasianer ein neues Wunder: die Ampel, die oben im Turm so lange an den langen Drahtseilen hing, begann, sich unabhängig von den Drahtseilen zu machen; die Ampel fing an, zu steigen, sodaß die Drahtseile schlaff und eigentlich ganz zwecklos dahingen. Nun hatten sich jedoch die Rankenpflanzen des Manesi weit auf den Drahtseilen fortgepflanzt; abschneiden konnte man also die Drahtseile nicht. Die Ampel stieg immer höher; das Attraktionscentrum mußte demnach abermals ebenfalls höher gestiegen sein.

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 Und dann wurden die Drahtseile allmählich wieder straff – aber sie wurden jetzt aufwärts strebend straff, zogen also die Ampel runter und nicht mehr empor wie früher. »Alles drängt nach oben! « sagte der Dex. »Demnach müßten wir«, meinte der Sofanti, »doch wieder an die Arbeit gehen.« Und dem stimmten die meisten Pallasianer bei. Und das nächste Stockwerk wurde hergestellt. Dex wollte nur eine Meile hoch geh n. Und da der Durchmesser des obersten Ringes mit den vierundvierzig Ecken nur eine gute halbe Meile lang war, so konnte man dieses Mal fast senkrecht die neuen Stangen ansetzen. Das ging schneller, als man dachte. Sofanti brachte seine Häute hinauf und umkleidete das neue Stockwerk ganz und gar. Und da hatte die Turmspitze plötzlich einen Lampioncharakter; im Innern des neuen Stockwerks wurden Tausende von elektrischen Lampen angebracht. Der Turm hatte nun oben seine »Laterne«. Nuse, der die meisten Lichttürme im Nordtrichter gebaut hatte, war ganz besonders davon entzückt, daß jetzt der große Turm endlich zum vollendeten Lichtturm geworden war. Aber Nuse sah jetzt mit Sorge der Lichtwolke entgegen und behauptete, daß sie sich wohl in das Innere des neuen Stockwerks hinunterlassen könnte. Und darum, meinte er, sei eine Überspannung oben durch Häute wohl angebracht. »Ich wundre mich«, sagte er, »daß uns die Lichtwolke bislang so wenig hinderlich gewesen ist. Wenn sie kommt, fahren wir ja alle in die Tiefe. Aber nachdem wir sie elektrisch durchleuchtet haben, scheint sie sich immer weiter zurückzuhalten. Die kleinen Wesen mit den fadendünnen langen Körpern scheinen Furcht vor uns zu haben.« Man war der Lichtwolke bereits sehr nahe gekommen. Am Tage war der Aufenthalt ganz oben im Turm nicht grade angenehm; die Lichtwolke leuchtete so heftig, daß die Pallasianer stets ihre Augen durch ihre große regenschirmartige Kopfhaut schützen mußten. Nachts, wenn die Wolke heruntergekommen war, konnte mans nur ganz kurze Zeit im Innern der Laterne aushalten; man konnte sich das nicht erklären, da die Wolke nicht durch das obere Loch durchkam. Sofanti wurde demnach gebeten, doch oben das Loch mit Häuten zuzumachen. Er stöhnte ob des vielen Materials, tat aber schließlich sehr gern, was man von ihm verlangte. Und als die Laterne oben zu war, konnte man die ganze Nacht im Innern der Laterne verweilen. Und das taten denn auch sehr viele Pallasianer. Man wurde allmählich aufgeregt: man glaubte, daß jetzt die Lösung von unzähligen Lebensrätseln bald da sein würde. Und fast Niemand dachte an künstlerische Ausgestaltung des Turms: man dachte nur an das, was hinter der Wolke lebte – an das große Kopfsystem des Pallas. – Zu denen, die nicht von der allgemeinen Stimmung mitgerissen wurden, gehörten besonders Manesi und Labu. Labu war nicht aufzufinden. Er hielt sich verborgen. Bombimba war gleichzeitig mit ihm verschwunden. Wo die Beiden lebten, wußte Niemand. Man suchte auch nicht nach ihnen, da Alle ganz von der Wolke gefangen genommen wurden und nur über diese sprachen. Lesabéndio wurde so ehrfürchtig verehrt – als wüßte er ganz allein, was da oben sein könnte. Und Lesabéndio wurde immer schweigsamer. Er gab Allen, die ihn ausforschen wollten, nur ganz kurze Antworten, sagte, daß er nicht mehr wisse als die Andern. Dex zögerte mit dem Weiterbauen. Aber er ließ unten von den Maschinen den letzten Stahl aus den Tiefen herausziehen und bereitete alles zum Weiterbau vor. Biba blieb immer in Lesas Nähe, ließ ihn aber stets allein. »Ich will Dich nicht stören!« sagte er öfters, »aber ich glaube, daß der Mutigste doch das größte Glück zu packen vermag.« Manesi umschwebte immerzu seine große Blumenampel. Und dabei wurde sein Körper an einzelnen Stellen durchsichtig. Und Manesi bat den Lesa eines Tages, ihm doch in sein großes Atelier zu folgen, das im Südtrichter lag. Sie fuhren beide hin, und Manesi sagte müde und abgespannt: »Ich glaube auch nicht mehr daran, daß jemals wieder künstlerische Neigungen auf dem Pallas die Oberhand gewinnen werden. Es geht alles ganz anders, als ich gedacht habe. Als Ihr damals zuerst mit der Turmidee kamt, sagte ich mir ja gleich, daß dadurch alles Künstlerische zurückgedrängt werden würde. Doch daß das so vollkommen geschehen würde – das hätte ich nicht gedacht. Fühlst Du nicht, lieber Lesa, etwas vom Peka in Dir?« »Das schon«, versetzte Lesa, »aber das da oben ist mächtiger. Wir sind nicht die Herren unsres Schicksals.« Danach sagte Manesi: »Was Du dem Peka tatest, das tu mir auch. Ich werde Dir dankbar sein.« Und Lesa war damit einverstanden. Manesi ließ in seinem Atelier alle seine künstlichen Sonnen, durch die das Wachstum der Pilzund Schwammwiesen so heftig gefördert wurde, plötzlich hell aufflammen und reckte sich ganz hoch auf. Und Lesa reckte sich auch hoch auf, und die Poren seines Körpers öffneten sich wie Rachen. Ein paar Gluhwürmer umschwebten Manesis Kopf. Ringsum die vielen Ballonblüten der herrlichsten Manesi-Pflanzen schwankten träumerisch hin und her. Und in den gröSten Ballonblüten begann ein mächtiges Phosphoreszieren und ein großes Farbengezucke. Manesi sahs, lächelte, sah dem Lesa fest ins Auge – und verschwand in Lesas Körper. Viele Ballonblüten fielen müde und schlaff zusammen. Das Licht der künstlichen Sonnen wurde immer schwächer. Es wurde bald ganz dunkel in Manesis Atelier.

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 Neunzehntes Kapitel

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 Nuse gibt den Rat, die Stangen für das nächste Stockwerk auf der Außenseite der Laterne hinaufzuführen. Manesi und Labu werden vermißt. Manesis Auflösung verbreitet Mißstimmung. Labu stellt mit Bombimba ein Pallas-Modell her, das mit Hilfe von hundert andern Pallasianern auf die Ampel hinaufbefördert wird. Als das nächste Stockwerk aufgerichtet und der ganze Turm jetzt neun Meilen hock aufragt, verbreitet sich die Lichtwolke und kommt in einer Nacht, obschon sie dunkel wird, nicht hinunter, bleibt tellerartig oben. Und die Sterne sind des Nachts zu sehen. Ein Spiegelstern zieht vorüber am Pallas. Lesabéndio wird müde und will, daß das letzte Stockwerk schnell ausgeführt wird.

Oben in der Laterne wurde nun die Aufregung immer größer. Die Lichtwolke war am Tage nicht mehr volle zwei Meilen von der Turmspitze entfernt; hätten sich die Pallasianer nicht durch ihre Kopfhaut schützen können, so wäre der Glanz der Lichtwolke unerträglich gewesen. Die Haut, die oben die horizontale Seite der Laterne von der freien Luft abschloß, hatte an vielen Stellen durchsichtige Hautplatten, die teilweise verdunkelt einen freien Blick auf die Wolke auch am Tage gestatteten. An vielen Seilen hingen viele Pallasianer unter der oberen Laternenhaut, blickten nach oben und berechneten die Entfernung, die bald genau bestimmt war. Der Durchmesser der Laterne betrug jetzt oben nur noch dreitausend Meter. Man wollte weiterbauen – abermals eine Meile hoch höher steigen. Das war nicht so einfach, da die Nähe der Lichtwolke jetzt viel gefährlicher erschien als in den unteren Stockwerken; obschon sich die Wolke in respektvoller Entfernung hielt, hatte sie doch eine abstoßende Kraft, der man sich jedenfalls nicht mit den Gliedern des Körpers aussetzen durfte. Da machte Nuse, der sich für den großen Lichtturm mit seiner riesenhaften Laterne am meisten begeisterte, folgenden Vorschlag. »Wir haben«, sagte er, »bei den letzten Etagen unsre Stangen nur mit Mühe nach oben bringen können, da wir die Stangen, die eine Meile lang sind, nur im Innern der Laterne hinaufführten. Das Umkippen der Stangen ließ sich nicht durchführen, da ja die Laterne im Querschnitt einen Durchmesser hat, der nicht eine halbe Meile beträgt. Darum schlage ich vor, das nächste Stockwerk anders zu bauen. Wir können doch die Stangen von außen hinaufführen – und zwar gleich mit der Haut zusammen; die kann gleich unten rechts und links von den Stangen in der nötigen Breite angebracht werden. Dann haben wir schließlich nur das oben abschließende, horizontal gelagerte Hautstück eine Meile hoch hinaufzuschieben – und das nächste Stockwerk ist fertig und oben gleich wieder abgeschlossen. Das Anbringen der Räder und Rollen auf der Außenseite der Laterne wird nicht große Schwierigkeiten bereiten, da wir ja nicht zu fürchten brauchen, hinunterzufallen; unsre Körper bleiben ja fast mühelos durch ein paar Flügelschläge lange in derselben Höhe.« Der Vorschlag fand allgemeinen Beifall. Dex und Sofanti gingen sofort an die Arbeit. Und viele Pallasianer meldeten sich, die die Räder und Rollen an der Außenseite der Laterne befestigen wollten. Die neuen Turmstangen wurden unten gleich mit weiteren Rädern und Rollen an der AuSenseite versehen, sodaß auch die Aufführung des letzten Stockwerks ganz mechanisch ohne weitere Handarbeit arrangiert werden konnte. Als nun die Arbeiten ruhig und sicher oben zur Ausführung gelangten, fiel es plötzlich auf, daß Manesi und Labu nicht mehr sich sehen ließen. Und man vermutete, daß sie Beide dem Beispiele des Peka gefolgt seien, zumal Lesabéndio ebenfalls nicht sichtbar wurde. Als dieser schließlich kam und nur vom Manesi erzählte, waren Viele mißgestimmt. Man konnte sich aber nicht erklären, wo sich Labu versteckt hielt – mit ihm war auch Bombimba verschwunden. Und man suchte sie. Die beiden Verschwundenen befanden sich aber in einem der größten Ateliers des Labu im Südtrichter. Dort hatte der Labu eine kolossale Steinkugel von dreißig Metern Durchmesser aufbewahrt. Von dieser Kugel schnitten die Beiden oben und unten eine Kappe ab und machten dann oben und unten zwei Trichter, sodaß das Oanze ein Modell des Pallasrumpfes darstellte. An diesem Modell wollte Labu alle seine künstlerischen Absichten zeigen. Die Beiden zeigten an verschiedenen Stellen, wie die Trichterwände durch kugelartige und auch durch unregelmäßige hügelige Formen am besten belebt werden könnten, wenn man nicht verschmähen würde, stark wirkende Farben aufzutragen. Labu sagte öfters: »Ich verstehe nicht, warum der Peka immer sagte, daß rhythmische Gliederung nur durch Ecken und Kanten und besonders durch rechteckige Formen herzustellen sei. Warum soll Rhythmus nicht auch mit komplizierten, gewundenen Kurven deutlich zu machen sein? Wir sind wohl alle etwas einseitig. Ich will ja das Rechteckige gar nicht ausschließen, bevorzuge allerdings auch immer nur die gekrümmte Linie. Doch so halsstarrig wie Peka bin ich nicht. Und deshalb fällt es mir gar nicht ein, an der künstlerischen Zukunft der Pallasianer so zu verzweifeln wie der Peka.« Die suchenden Pallasianer fanden nun schließlich die Verschwundenen, als sie grade eifrig an ihrem Modell arbeiteten. Als Labu von Manesis Auflösung hörte, wurde er fast zornig und sagte: »Das ist doch wahrhaftig nicht vernünftig. Ich denke wahrlich nicht daran, zu verzagen. Und um das den Pallasianern zu beweisen, möehte ich mein Modell oben auf der Ampel anbringen – über der Mitte – frei schwebend, nur von Stricken gehalten. Da soll man sehen, daß ich nicht wie Peka und Manesi bin. Ich verzage nicht so leicht. Wenn der Turm fertig ist, kommen auch andre Zeiten. Und da wird man abermals der Kunst, wenn man sie jetzt auch noch immer in die Ecke stellt, ein neues Rückgrat verschaffen. Nun handelt sichs nur darum, das etwas schwere Modell hinaufzutragen.« Die Pallasianer freuten sich über diese Rede des lebensfrohen Labu auSerordentlich und wollten gleich ein paar hundert andre Pallasianer veranlassen, das Hinauftragen des Modells nach Kräften zu fördern. Und es kamen auch achtzig hilfsbereite Freunde des Labu unten in seinem großen Atelier an. Man brachte das Modell mit Rädern auf Eisenschienen hinaus, löste ein paar Magnetbahnen auf, knüpfte das Modell an die dadurch frei gewordenen Seile und zog an diesen den kleinen Trichterstern durch das Centralloch durch – so, daß er nicht an die Wände des großen Pallas herankommen konnte. Und dann stieg die schwere Steinmasse – von mehreren Seiten an den Seilen in der Mitte gehalten – nach oben empor, ohne daß man weitere Mühe hatte. Oben auf der Ampel wurde das Modell frei schwebend angebracht – nur durch ein paar Seile gehalten, daß es nicht höher steigen konnte. Das Attraktionscentrum rückte zeitweise immer höher hinauf. Doch dann sank es auch wieder mehr hinunter, sodaß man die Ampel zuweilen wieder hängend sah wie am Anfange, als sie angehängt wurde – in diesem Falle mußte das Modell durch Stangen gestützt werden. Labus Modell machte aber wenig Eindruck auf die oben befindlichen Pallasianer – die dachten fast alle nur an die große Lichtwolke. Die große Lichtwolke veränderte sich, als das nächste Stockwerk der Laterne fertig in die Höhe gerichtet dastand. Jetzt ragte der Turm schon neun Meilen hoch auf. Seine Spitze war von der Wolke nur noch sechstausendundfünfundfünfzig Meter entfernt. Es schien so, als würde die Wolke ganz unruhig, am Tage zeigte sie oft schwane Flecke, und des Nachts wurde sie immer breiter. Und eines Abends kam sie nicht mehr hinunter wie sonst. Die Wolke wurde dunkel, breitete sich aber plötzlich nach allen Seiten aus – wie ein flacher Teller. Man erschrak. Alle glaubten, jetzt würde gleich etwas Fürchterliches geschehen. Eine Nacht gabs auf dem Pallas, in der alle Sterne zu sehen blieben – grün funkelten sie am violetten Himmel. Die Sonne leuchtete so hell, daß eine Dämmerungsstimmung entstand, in der die vielen elektrischen Lampen und die Lichttürme des Pallas – besonders der große – sehr seltsam und geheimnisvoll wirkten. Eine derartige Zwielichtbeleuchtung war den Pallasianern ganz neu. Um Labus Modell kümmerte sich nun Niemand mehr – selbst Labu selber nicht. Als sich die Wolke dann gegen Morgen wieder zusammenzog, wurde sie allmählich wieder hell und leuchtete wie sonst. Alle Pallasianer hatten in dieser seltsamen Dämmerungsnacht nicht geschlafen. Jetzt aber wurden sie müde und suchten die Pilzwiesen auf – besonders die in den dunklen Höhlen, wo das Tageslicht nicht hinkonnte. In der nächsten Nacht schwebte neben dem Pallas – ganz in dessen Nähe – ein seltsamer Asteroïd vorüber. Der hatte an der Seite, die er dem Pallas zukehrte, einen zwei Meilen langen, ganz glatten Metallspiegel. In diesem Metallspiegel spiegelte sich der ganze Pallas – und da sah man erst, wie magisch und geheimnisvoll der große Lichtturm mit seiner hohen Laterne wirkte. Alle Pallasianer waren entzückt und gaben dem Spiegelstern Zeichen mit Scheinwerfern. Auf dem Spiegelstern sah man danach plötzlich ebenfalls eine Menge Scheinwerfer hervorbrechen. Und der Spiegel wurde dabei karminrot. Da veränderten die Pallasianer alle Farben in ihren Lichttürmen durch anders gefärbte Hautstreifen. Und gleichzeitig geschah das auch auf dem Spiegelstern. Biba wollte eine Zeichensprache durch Scheinwerfer deutlich machen. Es gelang aber nicht. Der Spiegelstern entfernte sich und zeigte dabei eine andere Seite seines Sternkörpers, die so aussah wie ein Gewirre von unzähligen bunten glitzernden Schlangen. Nun dachte man daran, das nächste Stockwerk anzusetzen. Doch Dex und Nuse wurden ängstlich. Sofanti sagte: »Was dann geschieht, wenn die Stangen mit den Häuten die Wolke oben direkt berühren – das können wir nicht wissen. Ich glaube, die Wolke wird sich dann ganz und gar auseinandertun. Wir stehen jedenfalls vor dem größten Ereignis unsres Lebens.« »Es wäre«, fuhr er dann später fort, »doch wichtig, daß wir jetzt hörten, was Lesabéndio zu dem Ganzen sagt.« Leshbendio aber schwieg. Biba kam nun in Lesabéndios Nähe und sagte leise: »Lesa, Du beunruhigst mich. Warum sprichst Du nicht? Sollen wir weiterbauen? Oder sollen wirs vorläufig lassen? Du mußt Dich doch jetzt äußern. Deinetwegen ist doch der ganze Turm gebaut. ich verstehe Dein Schweigen nicht. Sprich doch. Was fehlt Dir?« Da sagte Lesa müde: »Quält mich doch nicht mit Fragen. Baut doch weiter. Es eilt.« Da baute man weiter.


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