Lesabendio

Fünftes Kapitel

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 Es werden zunächst die Veränderungen geschildert, die ein Pallasianer in sich empfindet, wenn er einen Gestorbenen in sich aufgenommen hat. Peka kommt in diesem Zustande zum Biba, der auf der Außenseite des Pallas wohnt. Dort beobachten die Beiden viele andere Asteroïden, und Biba spricht mit Begeisterung von Lesabéndio, der im Südtrichter von Manesi abgelehnt wird, im Nordtrichter aber im Dex den ersten tatkräftigen Freund findet. Dex schildert, was er alles entdeckt hat. Zum Schlusse wird von der Geburt der Pallasianer gesprochen und eine solche geschildert.

Sobald ein Pallasianer einen Sterbenden in sich aufgenommen hatte, pflegte eine Veränderung seines Wesens bemerkbar zu werden; Eigentümlichkeiten des Gestorbenen übertrugen sich auf den, der den Gestorbenen aufnahm, und auch eine körperliche Vergrößerung und Stärkung aller Organe wurde dem Aufnehmer zuteil, sodaß diejenigen, die viele Sterbende in sich aufnahmen, eine immer größere Lebenskraft erhielten. Diese zeigte sich zunächst darin, daß der durch den Gestorbenen Gekräftigte mindestens eine ganze Nacht nicht zu schlafen brauchte und ohne Ermüdung weiter arbeiten konnte. Außerdem zeigte sich eine größere Unternehmungslust in dem Aufnehmer.

So kam es, daß Peka gleich nach erfolgter Bereicherung seiner Natur zu Biba fuhr.

Biba wohnte immer auf der Außenseite des Tonnensterns – da, wo nur sehr wenige Pallasianer wohnten; wer dort am Tage zu finden war, pflegte sich mehr mit den anderen Sternen des Himmels zu beschäftigen; man pflegte bei den auf der Außenseite des Pallas Lebenden immer sehr viele Anregungen zu finden – besonders solche, die auch für die weitere Ausbildung des Sterns Pallas verwertet werden konnten.

Um auf die Außenseite zu gelangen, konnte man nur ein paar schmale enge Tunnels benutzen, die sich nur mit Magnetschlitten befahren ließen – wenn man nicht über den Nord- oder Südtrichterrand springend und fliegend ans Ziel kommen wollte.

Peka benutzte einen Magnetschlitten, der nicht sehr schnell durch einen spärlich beleuchteten, engen und niedrigen Tunnel fuhr; die Magnetsteine der Endstation wurden elektrisch auf der Anfangsstation gestellt – und umgekehrt – und die Schlitten, die sich auf spiegelglatter gradliniger Bahn ganz leicht bewegten, standen auf allen Stationen in großer Anzahl da.

Auf der Endstation breitete Peka seine Flügel aus und stieß dabei mit dem Saugfuß auf den Boden mehrmals auf und kam so in die offene Grotte des Biba, der mit seinen Teleskopaugen die grünen Sterne im violetten Himmel betrachtete.

Biba freute sich, als ihn der Peka begrüßte. Und die Beiden sprachen gleich über Lesabéndios Nordtrichterturm.

»Lesabéndio«, sagte der Biba, »hat mich noch gestern auf einen Asteriod aufmerksam gemacht, der ein Doppelstern ist. Sieh ihn Dir da drüben an; er ist heute schon ziemlich nahe der Pallasbahn – oben ist ein innerlich leuchtender Trichter und unten ein Kugelstern, dessen Pole rechts und links sind; der Kugelstern dreht sich mit erheblicher Geschwindigkeit. Möglich ist es nun, daß auf der Außenseite des Trichters Wesen leben, die von der Existenz der Kugel unten gar keine Ahnung haben, denn die Trichteröffnung ist viel größer als die Kugel unten. Da das Innere des Trichters glüht, während das Äußere ganz dunkel und runzelig ist, so ist es mehr als wahrscheinlich, daß kein Bewohner durch die Trichterwand durchkommt. Und der untere Trichterrand ist nach oben aufgeklappt, sodaß da keiner rüberkommen wird. Kurzum: etwas Ähnliches kann bei uns auf dem Pallas auch vorhanden sein, denn unsre Spinngewebewolke ist doch etwas allzu merkwürdig.«

»Du meinst also«, versetzte Peka, der seine Teleskopaugen sehr anstrengte, »der Pallas hätte auch noch oben einen Kugelstern?«

»Warum«, fuhr da der Biba fort, »sollen wir grade einen Kugelstern über uns haben? Wie viele komplizierte Sternsysteme haben wir schon beobachtet! Stell Dir doch nur vor, lieber Peka, daß wir über zehntausend Asteroïden entdeckt haben, die mit dem Pallas zusammen unsre Centralsonne umkreisen. Und mehr als die Hälfte von allen diesen Asteroïden bestehen immer aus mehreren Sternen. Da drüben links von der großen Sonne, die auch unsre Centralsonne umkreist und mit geradezu unheimlicher Fixigkeit sich um sich selber dreht – siehst Du einen kleinen Asteroïd, der aus sieben Sternen besteht, die sich um einen Kreisring drehen, der in der Mitte sich auch dreht. Dieser achtteilige Asteroïd ist vor vierzehn Tagen ein Mond jener großen Drehsonne geworden. Wir können vielleicht ebenfalls mal ein Mond jener Sonne, die die Erdbewohner Jupiter nennen, werden; sie zog schon mehrere Asteroïden in ihre Bahn hinein. Es ist überhaupt zu befürchten, daß die meisten Asteroïden in die Bahnen der anderen Sonnentrabanten hineingezogen werden. Selbst die Erde zieht uns zuweilen an.«

»Was könnte denn«, fragte nun der Peka neugierig, »über unserem Nordtrichter sein? Hast Du nicht eine Vermutung?«

»Es können«, sagte Biba, »ein paar hundert Meteoriten hoch über unserem Nordtrichter herumkreisen – vielleicht in Bahnen, die nicht einmal einen Durchmesser von fünfzig Meilen haben. Wir wissen ja, daß die Meteoriten überall im Raume zu finden sind; Hunderte von Asteroïden sind scheinbar ganz unlöslich mit sehr vielen Meteoriten verbunden. Die Anzahl dieser Meteoriten können wir fast niemals feststellen; so gut sind unsre guten Augen denn doch nicht – denn es gibt Meteoriten von fünf Meter Durchmesser – das wissen wir. Ob es nicht noch kleinere Meteoriten gibt, wissen wir nicht. Aber – wie gesagt – über unsrer Spinngewebewolke ist schlechterdings Alles möglich. Und deshalb ist Lesabéndios Plan, mit einem Turm von hundert Meilen Höhe…«

»Verzeih mal«, rief nun der Peka heftig, »vom Rande unsres Nordtrichters bis zum Rande unsres Südtrichters sind vierzig Meilen. Wenn wir nun hundert Meilen hoch bauen, so kann doch unser ganzer Stern…«

»Was dann kommt«, versetzte lachend der Biba, »wenn der Turm gebaut ist, das wissen wir nicht – das werden wir aber wissen, wenn wir ihn gebaut haben. Übrigens: sollte uns die Sache schädlich sein, so werden wir schon durch die Verhältnisse gezwungen werden, den Bau unvollendet zu lassen. Jedenfalls wäre aber doch eine solche Kappe, selbst wenn sie nur drei Meilen hoch gebracht würde, eine köstliche Bereicherung und Krönung unsres Sterns. Ich verstehe nicht, warum wir nicht auf Lesabéndios Plan eingehen sollen.«

»Dann müßten doch«, erwiderte Peka, während er seinen Kopf traurig nach vorne überfallen ließ, »alle anderen, rein künstlerischen Pläne in die Ecke geworfen werden.«

»Nein«, sagte Biba, »es wäre doch möglich, daß sich der große Turm sehr schnell aufbauen ließe. Man kann noch nicht wissen, wie viel Kaddimohnstahl der Dex in den nächsten Tagen entdeckt. Und dann: Lesabéndio ist eine Persönlichkeit, die niemals müde wird, weil sie allen Nebenausschweifungen aus dem Wege gehen kann. Lesabéndio ist keine Vergnügungs- und Genußnatur, und er kann sich ganz um einen großen Plan konzentrieren.«

»Künstlerisch«, sagte nun der Peka müde, »ist er aber auch nicht sehr bedeutend – daher gehts mit der Konzentration.«

»Das weiß er aber«, versetzte der Biba, »er weiß, daß er nur als Charakter groß ist. Ich aber frage Dich: ist das nicht auch etwas Großes?«

Währenddem saß Lesabéndio im Südtrichter neben Manesi und sprach mit diesem von seinem Stahlturm.

»Wir kommen auf der Außenseite unsres Sterns«, sagte Lesabéndio, »sehr wohl in das Spinngewebe hinein, aber das verbrennt uns ja die Haut. Schützen wir aber die Haut durch große Ballons oder Ähnliches, so tut uns das Spinngewebe garnichts. Wir müssen also oben auf der Spitze unsres Turmes ganz bequem so durch das Spinngewebe durchkommen, daß wir das entdecken können, was darüber ist – das was über uns ist und aller Wahrscheinlichkeit nach unsern ganzen Stern regiert.«

»Dein Turm«, versetzte da der Manesi, »ist also eigentlich nur zu Entdeckungszwecken da und nicht zu künstlerischen Verschönerungszwecken. Da tu ich nicht mit. Ich sags Dir ganz deutlich. So gern ich auch jedem Pallasianer einen Gefallen tue – allen kann man nicht zugleich dienen. Meine Rankenvegetation braucht den Turm nicht. Ich kann hier im Südtrichter Rankengewächse in großer Zahl anpflanzen – das weißt Du.«

Lesabéndio verabschiedete sich nach diesen heftig gesprochenen Worten von dem Ranken-Manesi.

Aber Lesabéndio sagte beim Abschiede:

»Deine Rankengewächse werden aber oben in freier Luft einfach köstlich aussehen – auch künstlerisch – und so meilenlang hängend – na, auf Wiedersehen!«

Danach fuhr der Turm-Pallasianer mit den schnellsten Seilbahnen auf Kneifzangen hoch hinauf zum Nordtrichterrande, wo der Dex den Kaddimohnstahl aus dem Pallas herauszog. Aufgeregt mit weit ausgebreiteten Rückenflügeln flog der Dex auf den Lesabéndio zu und rief gleich, als er diesen noch garnicht erreicht hatte:

»Eine Entdeckung! Eine Entdeckung!«

Und als sie nun zusammensaßen, sagte der Dex:

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 »Was ich vermutete, ist zur Tatsache geworden. Wir haben, wie Du wohl weißt, jetzt drei Stellen, an denen wir den Kaddimohnstahl aus dem Pallaskörper rausziehen können. Diese drei Stellen befinden sich oben auf dem Rande unsres Nordtrichters. Nun denke Dir: ich habe heimlich an verschiedenen Stellen – auch auf dem Rande des Nordtrichters – Experimente mit starken Magnetsteinen gemacht, die dort, wo Kaddimohnstahl gefunden ist, eine eigentümliche Kraftsteigerung erfahren und auch noch andere Eigenschaften zeigen. Nun ist mir durch einen Zufall gelungen, an vier weiteren Stellen Kaddimohnstahl auf Grund meiner Magnetsteinexperimente zu finden. Selbstverständlich habe ich sofort meine sämtlichen Freunde veranlaßt, den ganzen Nordtrichterrand mit Magnetsteinen abzusuchen. Ich habe die Hoffnung, daß wir noch an fünfzig Stellen Kaddimohnstahl finden. Dann würden wir das Material zum Nordtrichterturm gleich zur Stelle haben, und der Bau könnte in den nächsten Tagen in Angriff genommen werden.«

»Halt ein!« rief da der Lesabéndio, »das übertrifft ja meine kühnsten Erwartungen.«

»Oh«, fuhr der Dex fort, »noch mehr habe ich Dir zu sagen: ich habe Grund anzunehmen, daß der großartige Stahl ganz regelmäßig verteilt ist; wir hätten demnach garnicht nötig, den Stahl mühsam weiterzuschleppen; wir könnten vielleicht gleich dort die ersten fünfzig Stangen errichten, wo der Stahl gefunden wird.«

Auf Lesabéndios Gesicht zuckten tausend Hautfalten und glitzerten, und das Glitzern zeigte sich auch auf den gelben Flecken des ganzen Körpers – selbst die braunen Stellen des Körpers kamen in Bewegung – so sehr freute sich der Lesabéndio.

»Das übertrifft«, sagte er leise, »tatsächlich alle meine Erwartungen.«

»Ich«, sagte nun der Dex, »trete daher selbstverständlich für den Bau Deines Turmes mit allen meinen Freunden ein. Aber wir sind ja nur wenige. Wen hast Du noch außer mir?«

»Eigentlich«, erwiderte Lesabéndio, »noch gar keinen – oder nur Zusagen, die nicht viel auf sich haben. Da ist der Sofanti heute morgen ja wohl für meinen Plan interessiert worden. Aber – Du weißt ja, wie langsam sich das alles entwickelt.«

»Wir müßten«, erwiderte nun der Dex zögernd, »noch etwas Anderes entdecken. Weißt Du – was?«

»Nein!« gab der Lesabéndio still zur Antwort und sah dabei die braune Haut des Dex mit den gelben Flecken aufmerksam an und sah rechts und links neben der braunen Haut mit den gelben Flecken den violetten Himmel mit den grünen Sternen – und ringsum auf dem oberen Rande des Nordtrichters die vielen weißen Berge und darunter auch die blauen und die grauen.

Dann sahen die Beiden zur weiß leuchtenden Nordwolke empor, die, wie sie wußten, aus sogenannten Spinngeweben bestand. Und die Beiden seufzten.

»Es ist doch eigentümlich«, sagte Dex, »daß wir die Gewebe noch immer nicht näher untersuchen können, in der Nähe sind sie nicht zu ertragen – sie brennen schon auf unsrer gefleckten Haut, wenn man sich fünfzig Meter von dem Gewebe entfernt hält. Wenn wir durch Ballonhüllen geschützt sind, brennt das Gewebe nicht – aber – es weicht zurück. Und wir brauchen nur den Arm aus der Ballonhülle rauszustrecken, so brennt gleich wieder unsre gefleckte Haut. Und so kommen wir nie an das Gewebe ran, und wir wissen nicht, wer es gesponnen hat – und wozu es gesponnen wurde.«

»Warum«, fragte nun Lesabéndio, »erzählst Du mir das? Ich weiß es doch. Und Du weißt, daß ich es weiß. Du weißt, daß das jeder Pallasianer weiß. Wo willst Du hinaus?«

»Hm!« sagte der Dex, »ich will nur sagen: das Gewebe ist nur ein einziges Geheimnis auf unsrem Stern. Aber es gibt deren noch mehr. Die großen Nüsse, die sich in den Bleiadern unsres Sterns finden, haben doch noch mehr Geheimnisse in sich.«

»Ach so!« rief da der Lesabéndio, »Du meinst – wir müßten noch mehr solche großen Nüsse finden – nicht wahr?«

»Ja«, sagte der Dex, »dann hätten wir so viele Arbeiter, wie wir brauchen.«

Mit den Nüssen hatte es nun eine ganz besondere Bewandtnis: da staken nämlich die zukünftigen Pallasianer drin.

Das Geschlecht der Pallasianer zu vergrößern oder zu verkleinern – das hing ganz allein von den bereits lebenden Pallasianern ab; wollte man mehr Pallasianer haben, so brauchte man nur die in den Bleiadern gefundenen Nüsse aufzuknachen – dann sprang aus jeder Nuß ein neuer Pallasianer heraus.

Der Labu beschäftigte sich viel mit der Aufsuchung der großen Nüsse; zu ihm begaben sich nun die beiden Turmfreunde; sie wollten von ihm gerne wissen, ob man nicht eine größere Anzahl von Nüssen irgendwo entdecken könnte.

Für die Ernährung der frischgeknachten neuen Pallasianer mußte der Manesi sorgen; der wußte mit allen Vegetationsangelegenheiten wohl Bescheid.

In einer freien weißen Grotte oben am Rande des Nordtrichters fanden die Turmfreunde den Labu; er stand grade mit sechs Freunden zusammen; jeder von diesen sieben Pallasianern hatte einen schweren Bleihammer mit langem Stiel in der Hand.

Mit diesen Hämmern schlugen die Sieben mit voller Kraft auf die Nuß los – und da gabs plötzlich einen lauten Knall – und die Sieben sprangen zurück.

Und dann platzte die Nuß plötzlich – die Stücke der Schale flogen zur Seite – und heraus schoß wie eine Rakete – ein junger Pallasianer, der sich gleich ganz heftig mit allen seinen Fingern das ganze Gesicht und besonders die Augen rieb.

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 Sechstes Kapitel

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  Es wird erst geschildert, was der frisch geknachte Pallasianer von dem Leben erzählt, das er vor seiner Knachung gelebt hat. Dann fahren Dex und Lesabéndio mit dem Labu in dessen kleinstes Atelier und lassen sich dort erklären, mit welchen Mitteln für die Folge die berühmten Knachnüsse aufgefunden werden können. Nachdem die beiden Turmfreunde in zwei Tagen dem Labu neue Arbeiter besorgt haben, fahren sie zum Manesi, der erklären soll, ob für die neu geknachten Pallasianer auch die genügende Anzahl von neuen Schwamm- und Pilzwiesen hergestellt werden kann. Manesi gibt befriedigende Aufklärung, ist anfänglich traurig, doch zum Schluß sehr vergnügt und zeigt seine künstlichen Sonnen.

Nachdem sich der kleine Pallasianer, der erst nach einigen Tagen die ganze Größe der alten Pallasianer bekam, längere Zeit die Augen gerieben hatte, versuchte er zu sprechen, und er sagte mühsam:

»Bom-bim-ba-ri-zapa-zulli-as-as!«

Danach sprachen nun die alten Pallasianer zu dem Kleinen und setzten ihm auseinander, daß er auf dem Stern Pallas sei – und daß er doch Pallasianisch sprechen könnte und nicht in einer Sprache, die kein Pallasianer verstünde – er kenne doch die pallasianische Sprache – er solle sich doch nicht verstellen.

Der Kleine hörte das eine Weile aufmerksam an, spannte die Kopfhaut wie einen Regenschirm auf und sagte langsam:

»Ich verstehe schon, was Ihr sagt. Aber Ihr müßt mir Zeit lassen. Ich war in andern Welten. Wenn ich Euch die beschreiben könnte! Eure Sprache versteh ich.«

Danach rieb sich der Kleine wieder die Augen, machte sie lang zu Fernrohren und blickte ganz erstaunt umher.

So ungefähr benahmen sich alle kleinen, frisch geknachten Pallasianer, und sie konnten wunderbarerweise alle gleich in den ersten Stunden die pallasianische Sprache verstehen und sprechen – es ging anfänglich nur ein bißchen langsam, und manche Ausdrücke fielen ihnen nicht sofort ein, sodaß man ihnen helfen mußte.

Der Kleine, dem jetzt Lesabéndio, Dex und Labu und viele andre Pallasianer zuhörten, wurde nach seinen ersten Worten Bombimba genannt; nach ihren ersten Worten wurden alle Pallasianer genannt.

Bombimba sprach langsam das Folgende:

»Es war mir so in letzter Zeit, als flögen viele Millionen flockenartige Gebilde, die so groß wie meine Kopfhaut sind, mit mir zusammen durch eine warme Luft. Diese flockenartigen Gebilde sprachen zu mir – so wie Ihr sprecht – so wie ich jetzt auch spreche. Sie sprachen sehr lange mit mir aber ich konnte nicht sehen, wie sie aussahen – ich hörte sie nur und fühlte sie nur. Wir sahen aber sehr große Sterne, die unzählige Arme nach allen Seiten ausreckten – Arme mit vielen langen feinen Fingern. Wir haben auch solche Finger – ich auch.«

Und der Kleine sah sich seine feinen Finger an – dann sah er sich auch seine groben starken Finger an und sagte lächelnd:

»Solche groben Finger hatten die Sterne nicht. Aber jene Kopfhautwesen haben mir unsäglich viel von den großen und von den kleinen Sternen erzählt. Ich habe auch viel vom Pallas gehört, und die Sprache, die man auf dem Pallas spricht, die hat man mir beigebracht. Doch ich lernte auch Dinge kennen, für die man mir keine Worte gesagt hat – das waren große Gluten und Dinge darin, die so flatterten. Da flog vieles mit furchtbaren Krachen auseinander – und danach zog sich wieder alles so zusammen wie eine weiche bewegliche Haut – und da gabs auch Dinge, die Farben hatten – aber die Farbe war ganz anders, als alle die Farben sind, die wir hier sehen. Es klangen auch Töne an mein Ohr, die ganz anders klangen als Eure Worte und meine Worte. Und ich schwebte dabei so auf der Seite und hörte durch alle Dinge durch – das, was in weiter Ferne lag. Aber ich kann nicht beschreiben, wies klang. Die Worte fehlen mir dafür. Die Kopfhautwesen waren auch bald fort, und ich konnte sie nicht mehr hören Und dann kam immer wieder das furchtbare Krachen, und so viele Ding gingen auseinander – blitzschnell; die Teile sausten nur so durch den Raum. Und dann fühlte ich einen Stich in meinem Körper, und ich flog hoch empor. Und dann sah ich Euch.«

Da erzählten die alten Pallasianer dem jungen, wie sie ihn geknacht hätten. Und darüber lachte der junge, machte sich ganz klein und schnellt sich dann hoch empor in die violette Himmelsluft.

Die ersten Erzählungen der frisch geknachten Pallasianer wurden immer aufgeschrieben; jeder der kleinen Pallasianer hatte immer etwas ganz Neues zu erzählen, was sich mit dem der andern kleinen nicht vergleichen ließ.

Viele Pallasianer beschäftigten sich mit diesen ersten Erzählungen, die sehr viel zur Kenntnis der wesentlichen Natur der Pallasianer beitrugen – aber auch unzählige neue Rätsel aufgaben; keiner der Frischgeknachten hatte so die Sprache der Pallasianer kennen gelernt wie der andre – und Alle faßten das Krachen der Hammerschläge als etwas Andres auf.

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 Und dann schilderten die Kleinen die Welten, in denen sie gelebt hatten, immer so, daß die alten Zuhörer die Empfindung bekamen, jeder von diesen Kleinen wäre ganz wo anders gewesen als der nächste. Der eine hatte unendlich lange Zeiten in langen Röhren gelebt und sprach immerzu von den weiten Perspektiven in diesen Röhren – der nächste kannte nur Wolken, die sich feucht anfühlten – dann sprach wieder ein andrer von flackernden Flammen, die man auf dem Pallas garnicht kannte, wohl aber auf anderen Sternen sah. Auch behaupteten viele Kleine, sie hätten in Wassermassen gelebt, die man auch nicht auf dem Pallas sehen konnte – die Vorstellung von Flüssigkeiten in größeren Massen erhielten die Pallasianer nur durch die Betrachtung einiger in der Nähe befindlichen Asteroïden, auf denen Alles anders war als auf dem Pallas.

Labu wurde nun von Dex und Lesabéndio gebeten, Näheres über die Auffindbarkeit der berühmten Knachnüsse mitzuteilen.

Und der Labu führte die Beiden in sein kleinstes Atelier; er hatte zehn Ateliers – fünf in den Wänden des Nordtrichters und fünf in den Wänden des Südtrichters.

Das kleinste Atelier befand sich im Nordtrichter und war nur eine Viertelmeile hoch und ebenso breit – und nur eine einzige Meile lang. Hier war die wichtigste Arbeitskammer des Labu; hier stellte er hauptsächlich neue Flüssigkeitsmischungen her.

Aber der Stern Pallas war ein sehr fester, harter – trockener Stern, auf dem es gar nicht so leicht war, die Stoffe in die Flüssigkeitsform hinüberzuführen. Und so befanden sich die Flüssigkeitsquantitäten im schreiendsten Gegensatz zu der kolossalen Größe der Apparate, mit denen die Flüssigkeiten hergestellt wurden.

In diesen Apparaten spielten nur elektrische und magnetische Kräfte und diejenigen Kräfte, die mit diesen beiden eng verwandt waren, eine Rolle; das flackernde Feuer, das auf andern Sternen so vielfach in die Entwicklung eingriff, konnte auf dem Pallas nicht erzeugt werden; das lag an der eigentümlichen Komposition der Atmosphäre.

Als nun der Labu gefragt wurde, mit welchen neuen Mitteln er eine Entdeckung der berühmten Knacknüsse herbeiführen könnte, äußerte er sich folgendermaßen:

»Unser Stern Pallas ist sehr hart, und wir können seinen harten Gliedmaßen nur sehr schwer beikommen. Auf andern Asteroïden ist es dem Rindenbewohner zuweilen viel leichter, ins Innere der Sterngliedmaßen zu gelangen – besonders dann, wenn es möglich ist, das freie, hell flackernde Feuer zu erzeugen, das wir nicht erzeugen können auf unserm Stern, da ja die Komposition unsrer Atmosphäre dieses ganz unmöglich macht. Und das Schlimmste in unsrer Feuerlosigkeit ist, daß wir durch diese auch verhindert werden, Sprengstoffe herzustellen. Wir können wohl alles Mögliche zum Glühen und Leuchten bringen – aber die helle Flamme ist uns nicht gegeben. Und so können wir nichts in einfacher Art vernichten, um hinter dem Vernichteten in andre Sphären zu dringen.«

»Daß«, meinte nun Dex, »wir nichts vernichten können, ist auch ein Vorzug unsres Sterns; wir müssen unsern Stern sehr hochschätzen, daß er uns nicht gestattet, etwas in seinen Gliedern zu vernichten. Könnten wir das, so müßten wir annehmen, daß diese Glieder noch keine abgeschlossene, vollendete Form erhalten haben.«

Lesabéndio schüttelte erregt die Finger eines seiner rechten Arme in der Luft herum und sagte ungeduldig:

»Wir wollen aber nicht vom Thema abkommen; Labu will uns doch nur sagen, ob es ihm gelungen ist, mehr Knachnüsse zu entdecken als bisher.«

Der Labu wies mit allen Armen seiner rechten Körperseite auf seine vielen großen Maschinen und Apparate und sagte langsam:

»Wenn Ihr wüßtet, wieviel ich in den letzten Tagen gearbeitet habe, so würdet Ihr nicht so ungeduldig sein. Jawohl, es ist mir gelungen, fünfundachzig verschiedene Flüssigkeiten herzustellen, und von diesen ist eine einzige so beschaffen, daß sie auf Pallas reagiert. Wenn ich nun mehr von dieser Flüssigkeit herstelle – und das wird mir gelingen, so können wir an allen Wänden gleich feststellen, ob wir da auf eine Bleiader stoßen werden.«

»Das ist ja großartig!« rief Lesabéndio.

Aber der Labu sagte lächelnd: »Und außerdem weiß ich jetzt, daß meine Flüssigkeit, die sonst immer rot aussieht, bläuliche Flocken erhält, wenn – «

»Nun sprich doch!« rief der Lesabéndio.

»Das tu ich«, erwiderte Labu lächelnd, »erst dann, wenn Du Dir die Ungeduld abgewöhnt hast.«

Da lächelten alle Drei, und sie schwiegen ein paar Augenblicke. Und dann sagte der Labu:

»Wenn die bläulichen Flocken kommen, dann sind auch Nüsse im Blei; das weiß ich jetzt ganz genau; dreimal hats gestimmt; es wird auch öfter stimmen – immer stimmen.«

Da reckten Lesabéndio und Dex ihre Körper hoch auf – und dann beglückwünschten sie den Labu – und erzählten ihm nun, wie nötig es wäre, mehr Nüsse zu finden, um Arbeiter für den großen Nordtrichterturm herbeizuschaffen.

Da rief aber der Labu in all die Begeisterung hinein:

»Langsam müssen wir fahren; ich habe erst anderthalb Liter von meiner neuen Flüssigkeit hergestellt. Besorgt mir Arbeiter, daß ich mehr herstellen kann – denn mit anderthalb Litern ist nicht viel zu machen.«

Und darauf erklärte er die Arbeiten an seinen neuen Apparaten, und Dex und Lesabéndio hatten danach zwei Tage und zwei Nächte zu tun, um eine größere Anzahl von Pallasianern zu veranlassen, das Laboratorium des Labu aufzusuchen und dort an dessen neuen Apparaten zu arbeiten.

Nachdem das die beiden Turmfreunde getan hatten, begaben sie sich zum Manesi.

Der Manesi war ganz allein auf dem Pallas imstande, darüber zu entscheiden, ob die neuen Knachnüsse, die man in größerer Anzahl zu finden hoffte, geknacht werden durften – oder nicht.

Wars dem Manesi möglich, die Pilz- und Schwammwiesen zu verzehnfachen, so konnten auch zehnmal soviel Pallasianer als bisher sich auf dem Pallas ernähren. Konnten die nahrhaften Wiesen nur verfünffacht werden, so konnten nur fünfmal soviel Pallasianer als bisher auf dem Stern Pallas leben.

Manesi empfing den Dex und Lesabéndio mit ganz traurigen Worten.

»Ja«, sagte er, »ich weiß schon, warum Ihr zu mir kommt. Ich soll Euch helfen. Und ich will Euch natürlich auch helfen. Wir helfen ja immer einander; alle Pallasianer tun das; und ich wäre kein echter Pallasianer, wenn ich nicht auch Euch helfen wollte. Aber wenn ich Euch helfe, zerstöre ich meine Lieblingsgedanken. Und das werdet Ihr nicht so ohne Weiteres wollen. Ihr werdet Rücksicht nehmen auf das, was mir das Teuerste ist.«

Dex und Lesabéndio beteuerten natürlich, daß sie keineswegs die Lieblingsgedanken des Manesi zerstören möchten. Das klang aber nicht so, daß der Manesi dadurch beruhigt wurde.

Die Drei saßen in Manesis größtem Atelier; Manesi hatte zwanzig Ateliers; das größte lag tief unten in den Wänden des Südkraters. In dem Atelier waren sehr viele neue Pflanzen zu sehen. Die Pflanzen hatten nicht alle rundliche Ballons an Stelle der Blüten – es gab auch Pflanzen mit ganz dünnen scheibenförmigen Ballons, und diese hatten an den Rändern der Scheiben lange spitze Stacheln.

Alle diese Ballons konnte der Manesi durch ein künstliches Mittel jederzeit aufblasen und im Innern phosphoreszierend machen, daß es im Innern flackerte und flirrte in unzähligen Farben.

Das künstliche Mittel, mit dem das hergestellt wurde, was draußen im Trichter nur während der Nacht möglich wurde – bestand in einer besonders gedämpften Beleuchtung von allen Seiten.

»Pilze und Schwämme«, sagte der Manesi, »kann ich in andrer Weise zum intensivsten Leben künstlich reizen: durch eine kolossale Lichtfülle! Und so ist es mir möglich, die Ballonblumen, die sonst nur nachts wachsen, auch am Tage wachsen zu lassen – durch ein besonders gedämpftes Licht. Und andrerseits kann ich die Pilze und Schwämme auch in der Nacht wachsen lassen – durch ein außerordentlich helles Licht.«

»Das ist ja großartig«, rief der Lesabéndio, »dann können wir ja Pilze und Schwämme in allen Höhlen und Ateliers wachsen lassen – dann können wir ja die Zahl der Pallasianer verzwanzigfachen.«

»Ich weiß, wie Ihr seid«, sagte der Manesi, »Ihr bedenkt aber nicht, daß unser Stern wahrhaftig nicht interessanter wird, wenn wir überall nur Pilz- und Schwammwiesen anlegen. Ihr zerdrückt mit Eurem großen Turm alle künstlerischen Errungenschaften der Pallasianer. Wo soll ich denn meine neuesten Ballonpflanzen hinbringen?«

»In die Gerippe unseres Turms!« rief da der Lesabéndio stürmisch und reckte sich hoch auf.

Da sah der Manesi plötzlich ganz lustig ins Weite und rief lachend:

»Das geht allerdings; es sind alles Rankengewächse.«

Und dann führte Manesi die beiden Turmfreunde in seine Lichthöhle und ließ dort alle seine neuen Sonnen auf einmal aufleuchten.

Dex und Lesabéndio schlugen schnell die Kopfhaut vorn zusammen; so blendete das Licht der neuen Sonnen.

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Siebentes Kapitel

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 Lesabéndio begibt sich zum Biba, der sehr viel von der Konzentration und von der Ergiebigkeit erzählt. Biba veranstaltet danach eine Buchausgabe, um über die Natur der DoppelAsteroïden aufzuklären. Es werden nun viele neue Knachnüsse gefunden, und Manesi pflanzt viele neue Pilz- und Schwammwiesen. Der Bau des Nordtrichterturms wird aber dadurch keineswegs gefördert, da die Pallasianer das ganze Unternehmen für zu waghalsig halten; besonders wird die Größe der Atmosphäre bezweifelt. Lesabéndio läßt sich danach mit Biba vom Südtrichter aus in die Südatmosphäre hineinschnellen, um die Dicke dieser Atmosphäre kennen zu lernen.

Als nun Lesabéndio einsah, daß Manesi schon für die Ernährung der neuen Pallasianer sorgen würde – da atmete er erleichtert auf.

»Alles wird besser gehen, als wir dachten!« sagte der Dex.

Und Lesabéndio sagte, daß er allein sein möchte. Er sprang draußen im Südkrater in den einen Ring der nächsten Magnetbahn und fuhr davon.

Aber lange hielt ers nicht allein aus. Und da besuchte er wieder den Biba, der ihn sehr freudig in seiner Höhle draußen auf der Außenseite des Sterns begrüßte.

Biba sprach gleich sehr heftig Folgendes: »Das freut mich, daß Du kommst. Mir kommt es so vor, als hätte ich die Hauptlinie in unserm Sternsystem entdeckt. Es erscheint mir nicht zufällig, daß sich so viele Sterne um einen größeren Stern – um unsre Sonne – drehen und bewegen. Diese Verehrung, die alle Planeten dem Größeren, unsrer Sonne, entgegenbringen, hat für mich etwas Vorbildliches – für alle unsre Verhältnisse; auch die Pallasianer sollen so ein Größeres immer verehren – sich ebenso wie die Planeten an ein Größeres anschmiegen. Wo wir dieses Größere zu suchen haben – das ist eine zweite Frage, die Du, glaube ich, sehr schnell beantworten wirst.«

Biba schwieg und rauchte sein Blasenkraut und ließ sich dabei unzählige kleine Blasen zwischen seinen gespitzten Lippen durchfliegen, daß sie, bald sich vergrößernd, leuchtend in der Höhle herumwirbelten.

Lesabéndio sagte darauf: »Natürlich haben wir dieses Größere hoch über unserm Nordtrichter hinter der Spinngewebewolke zu suchen.«

»Diese Antwort«, versetzte der Biba, »habe ich natürlich erwartet. Und deswegen freute ich mich, als Du kamst. An diese Erkenntnis von der Bedeutung des Größeren knüpft sich aber noch viel mehr. Was wir sonst als Konzentration zu bezeichnen pflegen, das läuft auch immer nur auf eine Verehrung des Größeren hinaus; wir müssen uns an das Größere anschmiegen, wir müssen uns ganz dem Größeren ergeben, wenn wir in unserm Innern beruhigt werden wollen. Und als ein Letztes erscheint mir immer das endgültige Aufgehen in diesem Größeren. Ich glaube, daß diese Zuneigung zum Größeren durch alle unsre Planeten geht. Nur so bringen wir einen Sinn in das ständige Umkreisen unsrer großen Sonne. Nun versteht es sich ja von selbst, daß wir das Größere an verschiedenen Stellen finden können; Du findest es über unsrer Nordtrichterwolke, ich finds in unsrer großen Sonne, und diese findets in einer größeren Sonne. Die Asteroïden sind in vielen Fällen so gebaut, daß sie ein Doppelsystem bilden, in dem immer der eine Teil das Größere ist; man kann dieses Größere auch als eine Art Kopfsystem auffassen. Jedenfalls sehe ich überall ein Sichunterordnen dem Größeren gegenüber, und in diesem Sichunterordnen sollten wir alle unser Heil suchen, denn es macht uns wirklich innerlich ruhig; nehmen wir uns selbst als Gipfelpunkt, so sind wir immer an einem Ende angelangt, das wir in unsrer unendlichen Welt nicht als etwas Herrliches begreifen werden. Um immer weiter zu kommen, muß man sich immer wieder unterordnen – ja, man muß seine besten Gedanken auch immer wieder einem größeren, noch nicht gleich verständlichen Gedanken unterordnen; tut man das nicht, so ermüdet man, wird schläfrig und schlaff. So ergehts ja vielen Pallasianern, die nur daran denken, in ihrer Art ihren Stern Pallas weiter auszubauen, ohne ihre Ausbaugedanken einem höheren Sterngedanken unterzuordnen. Und deswegen finde ich, daß es uns allen prächtig bekommen wird, wenn sich die Pallasianer von jetzt ab um Deinen großen Nordtrichterrand konzentrieren. Bist Du zufrieden mit dieser Erklärung?«

Lesabéndio war selig.

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 »Wie«, sagte er leise, »sollte ich etwas hören, das meinem Ohrsystem angenehmer klingen könnte! Alle Sofanti-Musik im Centrum ist einfach garnichts dagegen. Jawohl, ich glaube schon, daß dieses Sichunterordnen einem Größeren gegenüber das allertiefste Geheimnis unsres Sternsystems umfaßt. Mir ist es auch immer so gegangen, daß ich mich recht unselig empfand, solange ich nur mit mir selber zusammenhing – daß ich aber ganz ruhig innerlich wurde, sobald ich mich in Gedanken an den großen Unbekannten anschmiegte, der mehr von unserm Geschick weiß als wir – und der uns lenkt, wenn wir ihn auch nicht erkennen können, dorthin, wohin wir hingelangen sollen. Es ist dieses Sichanschmiegen an den Größeren so ganz mir zur zweiten Natur geworden, daß ich garnicht mehr anders kann. Mir ist so, als wenn der Große immer unsichtbar neben mir ist. Und ich glaube, daß ich ihn noch mehr erkennen werde, wenn wir oben durch die Spinngewebewolken durchgekommen sind. Konzentration ist zweifellos nur Unterordnung unter einen größeren Plan oder Gedanken. Und deshalb denke ich jetzt an nichts Anderes als an meinen großen Turm; Dex, Labu und Manesi sind auf meiner Seite, und nun sind wir mit Dir zusammen fünf.«

»Es haben«, erwiderte nun der Biba, »unzählige Weise auch auf andern Sternen immer wieder nur den einen Gedanken gehabt, daß grade nur die Ergebenheit uns mit unserm ganzen Leben versöhnen kann. Auf einzelnen Sternen sterben Millionen von Lebewesen in jeder Sekunde – dieses große Sterben ist nur dazu da, damit die Überlebenden die großartigen Schauer der Ergebenheit kennen lernen. Man nennt das zuweilen auf andern Sternen auch Religion. Und es ist ja auch so klar, daß wir eigentlich stets etwas vor uns haben müssen, das größer ist als wir; nur so bekommen wir immer wieder einen Begriff von der kolossalen Großartigkeit der Welt. Würde es uns so leicht sein, höher zu steigen, so würden wir die Welt nicht so als Größeres und Ganzgroßes empfinden; wir müssen immer wieder zurückgedrückt und ein wenig erdrückt werden, damit wir merken, wie groß das Große der großen Welt ist – wie wir diese Größe niemals ganz ausmessen könnten. Ja – jawohl – ich glaube, ein Leben auf der Sonne könnten wir doch garnicht ertragen; wir sind ja noch garnicht soweit. Wir dürfen das Größere ganz bestimmt nicht in unsrer eigenen Sphäre unter denen suchen, die uns gleichen – aber andrerseits dürfen wir auch das Größere nicht zu weit ab von uns suchen – und die Sonne ist wohl noch zu weit ab von uns.«

»Darum«, versetzte der Lesabéndio, »bleiben wir bei unserm Turm und bei dem, was über dem Pallas ist. Könnten wir nicht vom Kopfsystem des Pallas, das da oben über uns ist, sprechen? Gibt es nicht analoge Systeme unter den Asteroïden? Könnten wir nicht alle Pallasianer auf diese analogen Systeme energisch aufmerksam machen, damit man allmählich eine allgemeine Begeisterung dem Nordtrichterturm entgegenbringt?»

Biba sagte nichts dazu; er bat nur den Lesabéndio mitzukommen. Und sie begaben sich darauf zur nächsten Schlittenbahn, fuhren auf einem Schlitten zum Mittelpunkt des Sterns, eilten dort auf einer Bandbahn zur andern Seite und kamen dann durch einen Tunnel, in dem sich rasche Drahtseile horizontal bewegten, zur anderen Außenseite des Pallas, wo der Biba ganz riesige photographische Apparate aufgestellt hatte, mit denen unter großen Glaslinsen das ganze Himmelsbild photographiert wurde. Hier zeigte der Biba dem Lesabéndio die Photographieen, auf denen alle diejenigen Asteroïden zu sehen waren, die ein Doppelsystem darstellten. Da gabs sogar Kopfsysteme, die aus hundert kleinen, sehr kompliziert gearbeiteten Sternen bestanden. Bei andern Kopfsystemen spielten feine Lichtstrahlen und atmosphärenartige Wolkengebilde eine große Rolle.

Biba sah sich in drei Tagen nicht weniger als dreitausend Photographien vom Doppelsystemen ganz genau an, und dann beschloß der Biba, einige Bücher über diese Doppelsysteme herauszugeben, und dabei den Stern Pallas als Doppelstern zu behandeln und zu erklären, daß die Spinngewebewolke selbst nicht das Kopfsystem zum Trichterstern Pallas darstellen könnte, da ein analoges Wolkensystem in dreitausend DoppelAsteroïden bislang noch nicht gefunden sei; es müsse sich demnach das Kopfsystem des Pallas über der Spinngewebewolke befinden. Und aus den kleinen Büchern des Biba, die in winzig kleiner Form auf photographischem Wege hergestellt wurden und bald am Halsband aller Pallasianer baumelten, ging allen Pallasianern klar hervor, daß eigentlich der Bau des Lesabéndio-Turmes nicht mehr aufzuschieben sei.

Labu fand indessen die berühmten Knachnüsse in großer Anzahl vor, und Manesi stellte zweihundert neue Schwammund Pilzwiesen zumeist im Innern der Pallashöhlen her, sodaß für die vielen neuen Pallasianer, wenn sie auch in großer Anzahl geknacht wurden, vollauf gesorgt war.

Gleichzeitig zeigte auch der Dex, daß der Kaddimohnstahl in ungeheuren Mengen vorhanden sei.

Und so hätte man glauben können, daß der Lesabéndio-Turm gleich gebaut werden würde.

Dem aber war nicht so. Sehr viele Pallasianer kamen oft auf dem oberen Rande des Nordtrichters zusammen und sprachen über den Turm – und erklärten bald die ganze Idee für unausführbar.

Vergeblich sprach Lesabéndio über den Wert der Konzentration; die meisten Pallasianer erklärten eine derartige Turmkonzentration für den Tod aller künstlerischen Entwicklung; es wurde auch geltend gemacht, daß eine derartige mechanische Tätigkeit den Geist der Pallasianer verblöden müsse – und daß man bei der ganzen Sache nicht vorsichtig genug vorgehen könne; man behauptete, daß das obere Stahlgestell den ganzen Pallas in eine andere Lage bringen könnte – und außerdem bezweifelte man, daß über dem Nordtrichter die Atmosphäre viel über drei Meilen hoch sei;, der eine Nuse-Turm war eine Meile hoch – und man beschloß, zunächst von der Spitze des Nuse-Turms aus die Atmosphäre, die höher lag, zu untersuchen.

Das hatte jedoch keinen Erfolg; man kam eben oben nicht so leicht höher hinauf.

Die Pallasianer waren alle sehr gefällig und immer bereit, einem Andern zu helfen; aber man war auch vorsichtig und sehr bedenklich; überrumpeln ließen sich die Pallasianer in keinem Falle.

Als daher Lesabéndio nach achtzehn Tagen (also nach anderthalb Erdjahren) den Biba wieder aufsuchte, waren beide anfänglich sehr traurig.

»Schlimm ist«, bemerkte der Biba, »der Zweifel an der Dicke der Atmosphäre; ich glaube selber nicht, daß die Atmosphäre überm Südtrichter und überm Nordtrichter viel mehr als zehn Meilen betragen wird. Würden wir auf einem anderen Stern leben, so könnten wir die Größe der Pallas-Atmosphäre ohne Weiteres angeben, da wir ja von einem anderen Stern aus nur die Atmosphäre unseres Sterns und nicht diesen selber sehen könnten. Wie wärs, wenn wir uns mit Hilfe der Magnetbahn unterm Südtrichter abschießen ließen?«

»Du meinst«, antwortete Lesabéndio, »wir sollen das äußerste Seil in der Mitte zurückziehen lassen und dann, wenns losgelassen wird, mit der ganz erheblichen Anfangsgeschwindigkeit in den Raum hinausfliegen, der sich südlich vom Südtrichter befindet. Ich bin damit einverstanden.«

Und ein paar Stunden später befanden sich die Beiden bereits fünf Meilen tief in der freien Atmosphäre unterm Südtrichter. Die Beiden schwebten mit fest am Rücken haftenden Flügeln zusammen durch die Luft; sie hatten sich mit einem nicht sehr langen Seile aneinander gebunden, sodaß sie sich bequem während der ganzen Luftexpedition unterhalten konnten. Der violette Himmel war sehr dunkelviolett, und die grünen Sterne leuchteten, auch die grüne Sonne leuchtete, und ein grüner Komet schwebte nicht weitab mit einem vierzig Millionen Meilen langen Schweife, der scheinbar durch die Hälfte des ganzen Himmelsraumes ging, der großen grünen Sonne zu.

»Weißt Du auch«, sagte nun der Biba, »daß neulich der große Planet, den die Erdrindenbewohner Jupiter nennen, wieder einen kleinen Stern aus seinem Innern ’rausgestoßen’ hat?«

Lesabéndio wußte noch nichts davon und ließ sich Näheres über diesen »Ausstoß« erzählen.

Währenddem rauchten die Beiden gemütlich ihr Blasenkraut, das ihnen wie allen Pallasianern an einem ihrer rechten Arme angewachsen war.

Die langen molchartigen Körper der Beiden glitzerten; sie hatten den Körper so weit wie möglich ausgedehnt – fünfzig Meter lang – und an keiner Stelle gekrümmt, sodaß sie wie zwei lange Stöcke aussahen.

Biba sagte, während er vom neuesten Jupiter-Ausstoß erzählte, noch Folgendes:

»Es ist zweifellos sehr wahrscheinlich, daß der Pallas vor Millionen Jahren aus seinem Südtrichter ’auch sehr viele Sterne ausgestoßen hat, sonst wäre die Trichterform unseres Sterns nicht erklärlich. Zweifelhaft erscheint mir aber, ob aus dem Nordtrichter auch Körper ausgestoßen sind; die Existenz der Spinngewebewolke ist doch zu seltsam. Aber man soll über die Vergangenheit der Sterne nicht zuviel nachdenken; zu sicheren Resultaten kommt man ja doch nicht. Indessen – ich merke, daß die Luft dünner wird.«

Sie waren nach ihren Meßinstrumenten, die sie an ihr Halsband vor dem Abgeschnelltwerden befestigt hatten, erst acht Meilen vom Südtrichter entfernt.

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 Achtes Kapitel

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  Biba und Lesabéndio werden auf ihrer Luftuntersuchungsexpedition von einem anderen Weltkörper angezogen, sie landen auf diesem ohne Gefahr und machen die Bekanntschaft mit ganz kleinen Lebewesen. Und diese zeigen ihnen mit Hilfe besonderer Vergrößerungsinstrumente das Kopfsystem des Pallas. Es gelingt den beiden Pallasianern, zehn der ganz kleinen Lebewesen dazu zu bewegen, mit zum Pallas zu fahren. Die Abschleuderung mit Rückfahrt zum Pallas geht nach längerer Zeit glücklich vonstatten; nur der Biba, zieht sich eine Körperverletzung zu.

Nach einer kleinen Weile sagte der Biba:

»Daß die Luft dünner wird, scheint mir nicht so wichtig. Ich merke gleichzeitig an meinem Meßinstrumente, daß wir uns mit größerer Geschwindigkeit von unserm Stern Pallas entfernen; unsre Fluggeschwindigkeit müßte sich, wenn alles mit richtigen Dingen zuginge, verringern. Das heißt: wir werden von einem Weltkörper, den ich noch nicht sehe, angezogen.«

»Das wäre ja furchtbar«, rief der Lesabéndio, »dem müssen wir entgegenarbeiten.«

»Ich fürchte«, erwiderte der Biba, »daß uns das nichts nützen wird.«

Sie drehten blitzschnell ihren Kopf zum Pallas, machten ihren Körper anderthalb Meter kurz, breiteten den Saugfuß tellerförmig aus und stießen nun, mit dem Kopf voran, den ganzen Körper fünfzig Meter dem Pallas zu. Dann breiteten sie die Flügel auseinander und zogen den Körper wieder zusammen. Und das taten sie einige Stunden durch mit größtem Eifer, ohne ein Wort zu sagen. Auf dem Pallas brannten schon alle Nachtflammen, sodaß der ganze Stern wie ein Glühwurm aussah.

Aber sie kamen dem Glühwurm nicht näher; die Anziehungskraft des unbekannten Weltkörpers war größer als die des Pallas; alle Anstrengungen waren vergeblich; Lesabéndio zitterte vor Erregung.

»Wo bleibt mein Turm?« fragte er kläglich.

»Fragen wir lieber«, versetzte Biba, »wo wir selber bleiben.«

Beide sahen immer noch nicht den Weltkörper, der sie anzog. Biba sagte lächelnd:

»Mir scheint beinahe, daß wir von einem Körper angezogen werden, den wir nicht sehen können.«

Lesabéndio sagte aber:

»Mir scheint, daß wir unsre Augen überschätzt haben; wir hätten schon längst für mehr Vergrößerungsgläser sorgen können. Wir haben die vergrößernden Glaslinsen nur bei den photographischen Apparaten verwendet. Das ist eigentlich unbegreiflich. Unsre Lage ist zum Verzweifeln.«

»Zum Verzweifeln«, rief Biba rasch, »haben wir jetzt keine Zeit. Übrigens: es ist wirklich unbegreiflich, daß wir mit Vergrößerungsgläsern nur bei den photographischen Apparaten operiert haben. Wir überschätzten unsre Teleskopaugen.«

Danach schwiegen die Beiden ein paar Stunden hindurch, und dann sagte der Lesabéndio:

»Wir sind jetzt nach meinem Meßinstrument bereits zwölf Meilen vom Pallas entfernt, die Atmosphäre ist aber nicht dünner geworden – im Gegenteil. Wir dürfen deshalb annehmen, daß wir uns in der Atmosphäre eines andern Weltkörpers befinden.«

»Und«, sagte nun der Biba leise, »von dem andern Weltkörper sehe ich bereits etwas – da drüben.«

Lesabéndio sah nun auch dorthin, wohin der Biba mit einem Finger hinwies, und da sahen denn die Beiden im violetten Himmel zarte hellere Konturen, die zu einem geisterhaften Sterne zu gehören schienen.

Und diesem geisterhaften Sterne kamen sie immer näher; sie machten gar keine Anstrengung mehr, sich von ihm zu entfernen.

Es war ein Stern, der aus quallenhaft durchsichtigen Massen bestand. Aber in allen Teilen war er nicht durchsichtig; in seinem Kerne zeigten sich jetzt sogar ganz deutlich karminrote und orangefarbige Stellen, die man vorhin nicht hatte entdecken können.

Der durchsichtige Stern hatte einen Durchmesser von ungefähr tausend Metern, die farbigen Stellen befanden sich in der Mitte und schienen nicht sehr umfangreich zu sein.

Und ganz in der Nähe sahen die Beiden, daß die quallenhafte durchsichtig Hülle aus vielen reichgegliederten flügelartigen Gebilden bestand, zwischen denen sich orangefarbige Wiesenstrecken zeigten, und ganz im Innern glühten karminrote Flecke wie Glutaugen auf.

Die beiden Pallasianer schwebten neben den durchsichtigen Flügeln vorbei und berührten mit ihren Saugfüßen vorsichtig den orangefarbigen Wiesengrund.

Biba konstatierte gleich, daß da Schwämme wüchsen, von denen sich Pallasianer sehr wohl ernähren könnten.

»Legen wir uns auf die orangefarbigen Schwämme«, sagte er ganz heiter, »und schlafen wir zunächst; unser Körper bedarf sowohl des Schlafes wie der Nahrung.«

Lesabéndio zitterte und murmelte immerzu:

»Mein Turm! Mein Turm!«

Aber der Biba sagte tröstend: »Vom Pallas sehen wir nichts mehr, denn auf dem Pallas ist Nacht; die Spinngewebewolke hat unsern ganzen Stern wieder umsponnen. Wenn die aber wieder oben überm Nordtrichter ist, dann könnten wir unsern ganzen Stern sehen und auch das, was über unsrer Spinngewebewolke ist.«

»Meinst Du?« fragte der Lesabéndio.

»Ja«, versetzte der Biba ungeduldig, »das meine ich: aber nur dann, wenn Du jetzt nicht mehr zitterst und ruhig einschläfst.«

Da nahm jeder der beiden Pallasianer einen Stengel seines Blasenkrautes in den Mund, ließ bunte Blasen in die Luft hinaufwirbeln und sah zu, wie sich die Ballonhaut auf den Seiten des Körpers aufreckte und sich oben schloß.

Und dann schliefen die Beiden sehr bald ein.

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 Kaum lagen sie nun in ihren dunkelbraunen Ballonschläuchen ganz ruhig da auf der orangefarbigen Wiese, so wurde es in ihrer Umgebung lebendig; Tausende von kleinen faustgroßen Kugeln rollten heran, und aus den Kugeln, die auch quallenförmig durchsichtig waren, kamen opalisierende Köpfchen heraus, die Köpfchen hatten lange fühlerartige Augen mit roten Spitzen, die leicht zurückgezogen werden konnten wie die Teleskopaugen der Pallasianer. Nase und Mund bildeten bei diesen kleinen Kugelwesen zusammen einen komplizierten kleinen Rüssel, der auch Schnabelform annehmen konnte. Und mit diesem Schnabel konnten die Kleinen eine sehr laut klingende Sprache sprechen.

Die Kleinen waren durchaus nicht ungebildet; sie benutzten knochenartige Teile der großen Quallenflügel ihres Sterns als Teleskope und konnten auch durch regenschirmartiges Aufspannen der quallenartigen Flügelhäute eine außerordentliche optische Vergrößerung der nächstgelegenen Raumteile hervorbringen.

Und daher hatten sie die Pallasianer längst entdeckt, als diese garnichts von dem zum größten Teile undurchsichtigen Sterne ahnten. Zunächst untersuchten die Kleinen die Ballonhaut der Schläfer, schlitzten kleine Löcher hinein und besahen durch diese die neuen Ankömmlinge, bewunderten die dunkelbraune porenreiche Kautschukhaut mit den gelben Flecken, bewunderten auch die dicken Augenlider und die messerscharfe gebogene Nase und den feinen Mund und die vielen Falten im Gesicht und auch die große wulstige Kopfhaut – und am Halse die kleinen Bücher und die Meßinstrumente; die letzteren erklärten sie sofort für das, was sie waren, aber über die Bücher konnten sie sich nicht einigen; manche der Kleinen hielten die Bücher für Nahrungsmittel, andre für Luftveränderungspräparate und so weiter.

Als nun die Pallasianer erwachten, schnitten sie, wie sies auf dem Pallas gewöhnt waren, wieder ihre Ballonhaut dicht am Körper mit ihren Nägeln ab und glaubten nun, die Haut würde, getragen von den Blasenkrautblasen, wieder in die Morgenlüfte emporsteigen. Das geschah aber nicht, da unzählige kleine Kugelleute auf der Blasenhaut saßen und sie runterdrückten.

Biba verstand gleich das neue Wunder und erklärte es dem Lesabéndio. Und als nun die Kleinen die beiden Riesen sprechen hörten, sprachen sie plötzlich alle auch, daß es den Pallasianern so vorkam, als hörten sie plötzlich zwitschernde, sehr helle Morgenmusik.

Und dann zogen die Kleinen die Ballonhäute zur Seite und zeigten sich den Riesen.

Diese sahen nun gleich, daß sie sich im Kreise sehr kluger kleiner Geschöpfe befanden, reckten sich vorsichtig auf, um den Kleinen nicht wehe zu tun und versuchten, sich verständlich zu machen.

Das ging natürlich nicht so schnell, aber in einigen Stunden gings doch – besonders mit Hilfe der kleinen Bücher, die am Halsbande der Pallasianer baumelten.

Die kleinen Kugelwesen konnten übrigens ihren Körper in alle möglichen Formen bringen und gaben sich nun zunächst Mühe, ihren Körper so zusammenzurecken, daß er wie ein pallasianischer Molchkörper aussah – selbst die Flügel, die die Pallasianer zeigten, konnten die Kleinen nachmachen – aber ohne damit fliegen zu können.

Lesabéndio machte seine Augen zu großen Teleskopaugen und blickte zum Pallas hinüber, der jetzt in seiner vollen Atmosphärengröße zu sehen war.

Biba blickte auch zum Stern Pallas hinüber – rief aber gleich ganz erregt:

»Das ist garnicht der Stern Pallas, auf dem wir bisher gelebt haben.«

Da schrie der Lesabéndio laut auf.

Als nun die Kleinen sahen, daß die Beiden ganz verzweifelt taten, da forschten sie nach der Ursache der Verzweiflung.

Kaum hörten sie von der, so spannten sie gleich ihre regenschirmartigen Hautlinsen über den Pallasianern auf und sagten lachend:

»Da drüben ist immer noch der Pallas, aber für einfache Augen ist nur die Atmosphäre des Pallas sichtbar, die kugelförmig ist und sechzig Meilen im Durchmesser zeigt.«

Jetzt erst erkannten die beiden Pallasianer durch die Atmosphäre hindurch ihren Stern wieder, und Lesabéndio war selig.

Und die Beiden wollten jetzt wieder zu ihrem Stern hinübergeschleudert werden.

Biba aber zeigte zunächst mit allen seinen Armen zu dem, was über dem Nordtrichter des Sterns zu sehen war – dort befand sich zehn Meilen über dem Nordtrichter, über dem die Spinngewebewolke sehr deutlich und helleuchtend, aber noch in der Atmosphäre befindlich, sichtbar wurde, noch ein andres Gebilde, das zehn Meilen hoch über der leuchtenden Spinngewebewolke ganz schwach leuchtete wie ein spitzer Kegel, dessen Spitze unten ist. Doch dieser Kegel bestand aus drei Teilen, die sich voneinander in Farbe und Helligkeit stark unterschieden.

Die Kleinen zogen ihre Vergrößerungshäute bald zurück, und da sahen die Pallasianer nichts mehr von dem dreiteiligen Kegelgebilde, das zehn Meilen über der Pallas-Atmosphäre zu sehen gewesen.

Lesabéndio erklärte abermals:

»Siehst Du, Biba! Wir haben unsre Augen überschätzt! Mit unsern Teleskopaugen allein hätten wir niemals das Kopfsystem des Pallas entdeckt!«

Biba schrie darauf heftig:

»Aber wir haben jetzt doch das Kopfsystem entdeckt. Merkst Du nun, daß es richtig ist, was ich Dir von der Ergebenheit erzählte? Wenn wir uns nicht ruhig unserm Schicksal – unserm unsichtbaren Führer – überlassen hätten, so würden wir niemals dieses Kopfsystem entdeckt haben – auch nicht mit Hilfe Deines großen Turms.«

Lesabéndio war ganz außer sich.

Danach erklärte er dem Biba feierlich:

»Wir brauchen also nur zehn Meilen hoch unsern Turm zu bauen – und dann können wir ganz genau sehen, was da oben ist. Dazu brauchen wir aber kolossale Vergrößerungsgläser, für die der Nuse sorgen muß.«

»Jetzt müssen wir aber erst zurückkommen!« meinte dazu der Biba.

Nun – das ging natürlich nicht so schnell. Auf dem Pallas ward es währenddem achtzehnmal Nacht und ebenso oft wieder Tag.

Und die Pallasianer glaubten schon nicht mehr an eine Rückkunft von Lesabéndio und Biba.

Doch diese hatten den kleinen, zumeist kugelrunden Bewohnern des Quallenflügelsterns alles, was auf dem Pallas vorging, erzählt, und die Kleinen hatten erklärt, daß ihr Stern periodisch die Schnelligkeit seiner Umdrehung um sich selbst verstärkte. Und beim Maximum der Schnelligkeitsstärke sollten die Pallasianer, nachdem sie an einem Flügelende fest angebunden waren, im richtigen Momente abgeschnitten werden und so, in den Raum hinausgeschleudert, der Atmosphäre ihres Sterns zufliegen.

Die Kleinen beschlossen, die Köpfe der Pallasianer mit großen Ballonhüllen zu umgeben, damit sie den Mangel an Atmosphäre nicht so bemerkten. Von der Kälte brauchten sie nichts zu befürchten, da selbst der Raum, der in dem Ringe, den die Asteroïden bildeten, scheinbar frei von jeder Atmosphäre war, doch durch besondere Stoffverbindung – eine vollkommen unsichtbare und nicht zu untersuchende – so warm blieb, daß er den Asteroïdenbewohnern nicht lebensgefährlich wurde.

Nun erklärte der Lesabéndio den Kleinen Folgendes:

»Seht mal, Ihr Kleinen, man wird uns auf dem Pallas nicht glauben, daß über unserm Nordtrichter noch ein Lichttrichter sich befindet, den man nur mit Vergrößerungsgläsern entdecken kann. Ihr aber habt diesen Lichttrichter mit Euren Vergrößerungsgläsern entdeckt. Könnten da nicht einige von Euch mitkommen, um uns zu bezeugen, daß über unserm Stern noch ein großes dreiteiliges Kopfsystem zu finden ist? Würde das nicht möglich sein?«

Da kugelten sich die Kleinen über die quallenartigen Flügel ihres Sterns und rollten überall lebhaft und aufgeregt herum.

Und dazu machten sie mit ihrer lauten Sprache eine so große zwitschernde Musik, daß es den Pallasianern unter der Kopfhaut gellte.

Schließlich erklärten sich zehn der kleinen Leute bereit – angehängt am Halsbande der Riesen neben deren Büchern – mitzukommen. Danach wurden die verirrten Riesen wieder im richtigen Moment zu ihrem Stern hingeschleudert, in dessen Atmosphäre sie nach zweitägiger Raumfahrt anlangten.

Biba hatte sich an einem vorbeifliegenden Meteor im unteren Teile seines Leibes eine so starke Verletzung zugezogen, daß er sich sofort nach seiner Ankunft verbinden lassen mußte.

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