Lesabendio

Zweiundzwanzigstes Kapitel

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 Es wird geschildert, was Lesabéndio im Kopfsystem des Pallas empfindet. Er kann anfangs nichts hören und nichts sehen, bemerkt dann aber, daß er ganz neue Sehorgane bekommt, mit er das ganze Planetensystem und besonders die Sonne ganz anders sieht als bisher. Lesa empfindet den größten Rauschzustand und hört schließlich, was die Sonne für die größte Weisheit hält – und warum die Planeten die Sonne umkreisen. Dazwischen wird berichtet, was sich unten auf dem Pallas-Rumpf ereignet.

Aus Gasen bestanden die gelben Lichtschlangen oben. Und Lesabéndio wurde geblendet von den gelben Lichtschlangen. Er sah nichts mehr. Er fühlte nur, daß sein ganzer Körper zerging und – sich ausbreitete – weithin nach allen Seiten. Er wollte schreien, aber brachte keinen Ton hervor. Er sah nichts und hörte nichts. Ihm war so, als ginge ein feines Kribbeln durch sein ganzes Wesen – doch das ging so weit nach allen Seiten fort. »Ich lebe noch!« wollte er rufen. Doch es blieb alles still, und er fühlte nur, daß er bemerkte, wie Fernes herankommen wollte. Ihm war so, als gingen überall auf allen Seiten von ihm feine Fühlfäden aus – ganz feine. Und die wurden immer länger, immer länger. Und die fernen Spitzen seiner Fühlfäden wurden empfindlich, und sie umfühlten, wie er glaubte – große feine zitternde Glasschalen. Und die Spitzen der Fäden verbanden sich mit den Glasschalen und wurden zusammen zu großen, sich ausbreitenden Glaskugeln, durch die er plötzlich alles im Sonnensystem viel viel größer sah als bisher. Nun sah er wieder durch die großen Glaskugeln, und er konnte die Kugeln beliebig vergrößern und verkleinern. Und er konnte ihnen auch andre Formen geben, konnte sie heranziehen und weit vorstoßen. Und er fühlte nirgendwo ein Hemmnis. Da sah er nun die anderen vielen Asteroïden ganz nahe, und dann – auch die Sonne – ganz nahe. »Wenn das der Biba könnte!« wollte er wieder rufen – Aber alles blieb still in seiner Nähe. Er fühlte nur, daß er sich langsam drehte. »Von meiner nächsten Umgebung«, sagte er langsam in Gedanken, »kann ich leider nichts erkennen. Doch – ich will nicht wissen, warum ich das nicht kann. Das Ferne bemerke ich – das ist mir genug.« Und da wars ihm so, als würde er von leichten Wolken umschwebt – und die Wolken drückten sich leicht in ihn hinein – bald heftiger und bald leiser. Er fühlte hin und glaubte plötzlich eine Drucksprache zu verstehen. Und die sagte: »Lesa, bist Du bescheiden! Du bist ja immer mit dem zufrieden, was Dir geboten wird. Ich, der Drückende, will mehr als das, was augenblicklich möglich ist. Ich will kristallinische Formen in Gasform – kantige Säulen in Gasform – und Oktaeder und Prismen und noch mehr Kantiges – alles in Gasform.« Lesa wollte lächeln, und er wollte sagen: »Peka, ich erkenne Dich schon.« Aber er konnte nicht lächeln, und durch Wolken konnte er sich nicht verständlich machen. Er fühlte, daß auch Manesi nicht weitab war – auch mit unmöglichen Dingen. Manesi redete durch dicke Gasfäden, die bald langsam, bald schneller in der Nähe des Lesa hinund hergezogen wurden. »Gasblumen! « verstand er. Und dann verstand er noch: »Gasschlangen sind leicht vorstellbar – aber Gasranken mit Gaszweigen, die hin und her schwanken – von magnetischen Winden bewegt – das ist mehr – mehr.« Dann wurde dem Lesa diese seltsame Sprache ganz unverständlich. Und er fühlte wieder in den Enden der langen Fühlfäden ein Zucken und Ziehen. Und er sah wieder durch die Glaslinsen in den Spitzen seiner Fühlfäden die große Welt in der Ferne. Auf den oberen Stockwerken des Nordtrichterturms flog währenddem alles wie durcheinander – Alle sprachen – und Keiner hörte auf den Andern. »Jedenfalls«, sagte Biba, »ist er oben geblieben. Er ist also vom großen Kometensystem aufgenommen, wie er von uns hätte aufgenommen werden können.« Und nun fragten sechs Andre: »Lebt er aber noch?« »Das wissen wir«, sagte Biba ernst, »heute noch nicht. Wir wissen auch noch nicht, ob Peka und Manesi und alle die Andern, die nicht mehr unter uns sind, heute noch leben. Aber – wir haben das Kometensystem oben gesehen. Wir könnens jetzt noch sehen. Ein rotes Auge blickt unheimlich in unsre Turmlaterne hinein. Das ist das größte Ereignis unsres Lebens. Jetzt wird sich vieles verändern. Mich verläßt die Ruhe.« Den andern Pallasianern kam auch die Ruhe abhanden, denn die dunkle Nacht blieb zunächst aus; die Spinngewebewolke kam abermals am Abend nicht wieder runter; sie zog sich immer weiter nach allen Seiten auseinander und bildete oben einen großen grauen und unregelmäßigen Kranz. Darum blieb die Nacht hell. Allerdings: die Helligkeit des gelben sichtbaren Kopfsystems wurde immer schwächer und erreichte bald nicht mehr den zehnten Teil der von der Lichtwolke ausgeströmten Helligkeit. Und so war auch der Tag viel dunkler als bisher. Der rote Fleck blieb und sendete wie ein feiner Scheinwerfer einen karminroten Lichtkege1 senkrecht in die Laterne hinein. Die Spitze des Lichtkegels traf die Mitte der Manesi-Ampel. Dämmerung herrschte auf dem Nordtrichter des Pallas auch am Tage. Der Südtrichter blieb am Tage so dunkel, daß man kaum dreihundert Meter weit sehen konnte. Und so ließ man auch am Tage alle elektrischen Lichter brennen. Die Dämmerung wirkte unheimlich. Niemand wußte, was daraus werden konnte. Wer schlafen wollte, begab sich auf die Pilzwiesen, die Manesi in den großen Höhlen des Pallas angelegt hatte. Währenddem fühlte Lesa oben keine Spur von Unruhe. Da er nichts hören konnte, fühlte er in seinem Innern eine große Stille. Das Naheliegende vergaß er, er vergaß auch den ganzen Stern Pallas. Dagegen wurden die neuen Kugelaugen, die er an seinen feinen Fühlfäden entdeckt hatte, immer empfindlicher. Aber diese Empfindlichkeit machte gar nicht unruhig. Mit seinen neuen Augen sah der Lesa ringsum die vielen Astero’iden ganz deutlich. Und er wunderte sich. »So verschiedenartig«, sagte er in Gedanken zu sich selbst, »habe ich die Astero’iden gar nicht für möglich gehalten.« Und viele Astero’iden sah er dicht neben den größten Planeten – auch am Jupiter und hinter dem Saturnringe – und auch neben den Planeten, die der Sonne näher waren als der Pallas. »Und welche große Zahl«, sagte er weiter in Gedanken, »umkreist die Sonne! Das sind ja Millionen. Die alle zusammen in einem Ringe vereinen – das geht ja gar nicht. Und der eine läuft rasend schnell – und der andre ganz langsam.« Er bewunderte besonders diejenigen Asterolden, die den nächsten Planeten, der der Sonne näher war als er, umkreisten. Diese Kleinen rasten so schnell dahin, daß er nicht wußte, wie sie so schnell sein konnten und warum. Und der Lesa fühlte, daß er sich drehte, ohne es zu wollen. Es kam ihm dann so vor, als wäre er dicht vor dem Einschlafen. Und es überkam ihn ein wohliges seliges Gefühl, wie er es niemals empfunden hatte. Ein ganz neuer stetiger, nicht veränderlicher Rausch schien ihn zu umhüllen. Es war kein Traum, es war auch kein Wachen. »Vielleicht ist das doch ein Zustand ewiger Seligkeit! « dachte er. »Und dann«, fuhr er in Gedanken fort, »beinahe verstehe ich jetzt, warum sich die meisten Sterne immerzu drehen. Es liegt etwas Berauschendes in der steten Drehung eines runden Dinges – eine runde Kugel wirkt am schnellsten berauschend. Deswegen haben wohl auch so viele Sterne Kugelform. Sich drehende Räder wirken auch so berauschend – schon in den Gedanken. Wenn man immerzu an sich drehende Räder denkt, so setzt uns das in einen Rauschzustand, wie er größer gar nicht gedacht werden kann. In den drehenden Rädern steckt das größte Geheimnis unsres Planetensystems. « Und er dachte an alle die Kreise, die von den Planeten um die Sonne gezogen wurden. Die Kreise wurden zu Rädern, und Lesas Gedanken verwirrten sich. – Biba saß nun in seiner einsamen Klause am äußeren Rande des Pallasrumpfes. Biba starrte mit ganz weit vorgestreckten Augen in die ferne grüne Sonne. »Ob jetzt der Lesa«, sagte er still, »schon mehr weiß von der Sonne als wir? Der größte Mut führt doch immer am weitesten. Wie kommt es nur, daß ich den großen Mut, den der Lesa hatte, nicht besaß – und auch nicht besitzen werde – wie kommt das nur?« Er dachte so lange nach darüber, bis er fühlte, daß er müde wurde. Lesa sah ganz große sich drehende Schlangenleiber in der Ferne – und die waren alle in einer durchsichtigen Kugel. Und die Kugel drehte sich langsam um sich selbst. »Ist das das Innere eines Sterns?« Also wollte er fragen. Aber er sagte sich gleich:

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 »Warum soll ich fragen? Ich bekomme ja doch keine Antwort! Bekäme ich nur mal eine Antwort! Aber man fragt so oft, während man sich sehr leicht selber eine Antwort geben kann. Ob ich träume oder wache – das ist doch auch ganz gleichgültig. Ich wills gar nicht wissen. In meinem Zustande ist zwischen Träumen und Wachen ganz bestimmt kein großer Unterschied.« Und ihm war so, als sähe er in das Innere vieler Sterne – und er staunte. »Wenn das der Biba könnte!« dachte er, »wie würde der sich freuen! Doch es ist zu viel zu sehen. Besonders in der Sonne! Daraus wird man nicht so schnell klug. Es ist da Alles so kompliziert, daß ich wohl begreife, warum die vielen Planeten immerzu um die Sonne kreisen; sie wollen das sehen, was sie noch niemals gesehen haben – das Neue – das Kolossale – das Überwältigende. Das Überwältigende erzeugt immer so wie die Kugeln und Räder – diese Symbole des Unendlichen – den allergrößten Rausch. Das Erkennen erzeugt nicht den größten Rausch. Wenn das doch alle Wesen erkennen könnten – dieses Erkennen dessen, das nicht erkannt werden will und gar nicht erkannt werden soll.« Wieder verwirrten sich Lesas Gedanken. Er fühlte nur, daß er sich immerzu drehte, und empfand einen seligen Rauschzustand. Und er freute sich darüber. Dann – kams ihm so vor – als spräche was neben ihm – in einer geheimnisvollen Zeichensprache. Und ihm war so, als verstände er die Zeichensprache. »Du willst wissen«, glaubte er zu vernehmen, »warum die Planeten die große Sonne umkreisen. Oh – sie ist nicht nur groß – sie ist auch so gütig! Das ist das Wichtigste. Sie gibt Licht und Wärme in Hülle und Fülle. Sie ist tätig für alle, die sie umkreisen. Ihre Tätigkeit für die Andern – das ist ihre Güte. Sie belebt alles – auch das Kopfsystem des Pallas – und Dich Lesa, ebenfalls. Fühlst Du nicht, was die große Sonne denkt?« Lesa sammelte sich und schaute mit seinen neuen Sehorganen ganz heftig in die Sonne hinein, und da wars ihm so, als spräche die große Sonne zu ihm. Er horchte – Und er hörte, daß sie sprach. Aber er verstand nicht, was sie sprach. Da wurde er traurig. Dann vernahm er deutlich abermals Worte in seiner Nähe – sie sagten: »Eine der größten Weisheiten unsrer großen, eigentlich nicht so ganz gütigen Sonne ist die, daß nur Schmerz und Qual als die größten Glückserzeuger bezeichnet werden dürfen. Wir haben kein Recht, uns vor dem Entsetzlichen zu fürchten. Das Entsetzliche führt uns doch immer weiter.

Es wandelt, uns um. Und wir sind nicht imstande, uns umzuwandeln, wenn wir Schmerz und Qual f’liehen. Höre nur, was die Sonne Dir jetzt sagen wird!« Und Lesa hörte nach einer Weile klare Töne und dann diese Worte: »Fürchte nicht den Schmerz – und fürchte auch nicht den Tod.«

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 Dreiundzwanzigstes Kapitel

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 Die Sofanti-Musik verstummt. Und oben auf dem obersten Stockwerk verbinden sich die Lichtstrahlen des Kopfsystems mit der Turmlaterne. Lesa sieht immer mehr von dem Innern der Sterne und von dem, was sie wollen. Der karminrote Lichtkegel geht durch den ganzen Stern Pallas hindurch. Und dann wird der Stern Quikko Mond des Pallas. Lesa kann sich dem Biba verständlich machen. Die Pallasianer wohnen nur noch auf der Außenseite des Pallas-Rumpfes und bauen mit Hilfe der Quikkoïaner große Teleskope. Das Kopfsystem strahlt große Kometenbüschel aus, und die Spinngewebewolke leuchtet so hell wie einst.

Da die Lichtwolke nicht mehr des Nachts herunterkam, war auch die Sofanti-Musik in den Häuten des Centrums nicht mehr zu hören. Anfänglich wurde das nicht beachtet. Als Sofanti darauf aufmerksam machte, schüttelte man mit dem Kopf, hielt das aber für ganz natürlich. »Wir werden noch«, sagte der Nuse, »das Ungeheuerlichste für ganz natürlich halten. Alle meine Lichttürme sind für die dunkle Nacht berechnet gewesen – jetzt leuchten sie am Tage, der allerdings mehr ein Abend genannt werden muß. Die grünen Sterne bleiben immer für uns sichtbar. Ein Zwielicht wird durch die Lichttürme in der Dämmerung erzeugt. Das ist so köstlich, daß ich behaupten möchte: wir haben etwas Köstlicheres noch nie erlebt.« »Die Sterne«, sagte Dex, »sind uns jetzt, wie mir deucht, viel näher als bisher. Wir sollen uns wohl mehr um sie kümmern.« Sofanti aber sagte dazu: »Wenn soviel wie jetzt auf unserm Pallas sich ereignet, so können wir uns vorläufig noch nicht um die Sterne bekümmern. Kommt rasch hinauf in die Laterne. Ich habe da wieder etwas Neues entdeckt.« Und die beiden Andern folgten dem Sofanti auf den flinken Bandund Seilbahnen des Turms hinauf in die Laterne. In der leuchtete der karminrote Lichtkegel. Und sie bemerkten, daß der Lichtkegel viel breiter war. Nun führte Sofanti den Dex und den Nuse in dem letzten Stockwerk durch die Seitenklappen hinaus auf einen Balkon, und da sahen die Drei, daß sich die gelben leuchtenden Schlangenleiber, die man oben im Kopfsystem entdeckt hatte, in ganz merkwürdigen Knoten um den oberen Teil des obersten Stockwerks herumgeschlossen hatten. »Jetzt hat sich«, sagte der Dex rasch, »das Kopfsystem unlöslich mit dem

Rumpfsystem des Pallas verbunden. Jetzt wird Niemand mehr sagen, daß wir den Turm zwecklos gebaut haben. Dazu also haben wir soviel Kaddimohnstahl verarbeiten dürfen. Wir haben getan, was Rumpf und Kopf unsres Sterns zusammen wollten.« Als das bekannt wurde, kamen Alle hinauf und staunten das neue Wunder an. Lesa empfand nun oben immerfort ganz neue Dinge im Planetensystem. Er konnte gar nicht alles erfassen. Er sah in das Innere der Planeten hinein und sah, wie heftig sie lebten – wie sie immerzu bemüht waren, den Bewegungen des Sonneninnern zu folgen. Und dieses glühte so heftig, daß Lesa nicht wußte, was er zuerst sehen sollte. Er fühlte sich einsam und wollte einen Führer. Kaum hatte er das gewollt, so vernahm er ganz fremde Töne – und er verstand sie – sie sagten: »Nur ganz allmählich wirst Du mehr von unserm großen Sonnenleben begreifen. Die Asteroïden kamen hierher in großen Scharen, als sie sahen, daß große Planeten die Sonne umkreisten. Wir verstehen selber noch recht wenig von den innern Zusammenhängen. Jedenfalls wissen wir jetzt, daß hier nicht Rücksicht auf die kleinsten Dinge genommen wird. Wir müssen uns daran gewöhnen, daß Vieles an die Seite geschoben wird, damit Wichtigeres Platz bekommt. Das führt zu manchen Brutalitäten. Darüber wird immerzu zwischen der großen Sonne und ihren kleineren Trabanten verhandelt. Was die größeren Planeten, die nach uns kamen, mit der Sonne zusammen überlegen, das wissen wir nicht. Vom Jupiter wissen wir wenig. Einzelne Asteroïden umkreisen deshalb den Jupiter.« Lesa fühlte einen stechenden Schmerz in dem einen seiner glaskugelartigen Sehorgane – und er sah damit nichts mehr. Er wollte auch nichts mehr sehen. In der Laterne des Lichtturms gabs bald noch eine größere Neuigkeit: während das gelbe Licht der Schlangenleiber schwächer wurde und diese fast vollständig zur Ruhe kamen, verbreiterte sich der rote Lichtkegel zusehends, sodaß er unten bald breiter als die Ampel war und nun nach unten ging durch das Centralloch durch. Und dabei wurden die Kaddimohnstahlstangen des kleinen Modellturms unten blendend weiß. Dex befürchtete, daß der Stahl durch das Licht angegriffen werden könnte, er untersuchte den Stahl, fand aber nichts, was ihn beunruhigte. Dagegen merkte er, als er sich längere Zeit dem karminroten Lichte ausgesetzt hatte, daß sein Körper in eine ihm ganz neu erscheinende Erregung versetzt wurde; er sprach danach so lebhaft, daß sich die meisten Pallasianer sehr bald aus seiner Nähe zurückzogen – nur Biba hielt es aus. Und er flog auch in das rote Licht, und er fühlte dieselbe Erregung. Nun sagten aber Beide, daß die neue Erregung keineswegs unangenehm wirke – das Licht sei vielmehr belebend. Und so begaben sich bald alle Pallasianer in den roten Lichtkegel, und der durchleuchtete nun auch den Südtrichter des Sterns und leuchtete unten ganz weit über den südlichen Trichterrand hinaus. Und man sah, daß der Strahl einen kleinen Stern traf. Durch Spiegel versuchte man das rote Licht abzulenken. Und – wo das abgelenkte Licht den Stein der Trichterwände traf, da leuchtete der Stein dunkelviolett und in wundervollem Glanze. Nuse bemerkte, daß dagegen seine Lichttürme fast verblaßten. Und man beschloß, die Spiegel nicht zu oft so zu stellen, daß das rote Licht seitwärts abgelenkt wurde. Schließlich lenkte mans nur im Südtrichter ab, wo die Lichttürme nicht mehr erleuchtet wurden. – Lesa aber erinnerte sich plötzlich, daß er ja dem Biba versprochen habe, ihm ein Zeichen zu geben. Und der Biba saß in seiner stillen Klause und dachte fortwährend an seinen verschwundenen Lesa. Und plötzlich sieht der Biba, daß seine Höhle hell aufleuchtet – in ganz zartem blaugrünlichem Licht; einer von Lesas Fühlfäden ist dorthingelangt – mitten durch den Felsen durch. Lesa sieht den Biba; der Kopf seines Fühlfadens ist nicht aus gewöhnlichem Glas geformt – nicht zerbrechlich – der Kopf ist ein ganz besonderes Glas, das für die Augen der Pallasianer nur als blaugrünlicher Lichtschimmer bemerkbar ist. Lesa will dem Biba etwas sagen, und es gelingt dem großen Kometenkopfbewohner, seine Gedanken auf den Biba ohne weiteres zu übertragen. »Lebt«, sagte der Lesa, »auf der Außenrinde des Pallas-Rumpfes, der lebt jetzt mit dem Kopfsystem zusammen – und wieder mit den anderen Astero’iden zusammen – mit dem ganzen Planetensystem und auch mit dem Sonnensystem zusammen. Das sollt ihr auch. Lebt draußen, macht Euch große Teleskope. Die Quikkoïaner werden Euch helfen. Ihr werdet immer mehr entdecken. Ich entdecke auch immer mehr. Es geht nicht sprungweise. Ihr könnt Euch nur allmählich entwickeln. Auch die Sterne entwickeln sich nur allmählich. Ich bin noch kein Stern. Ich komme aber immer weiter. Schon ahne ich etwas von dem, was im Innern der Sterne vorgeht. Die Sonne ist für mich noch viel zu groß. Aber auch die andern Planeten sind noch zu groß für mich. Das vergeßt nicht. Wir müssen alle zusammen dasselbe große Ziel im Auge behalten. Vergiß den Lesa nicht.« Danach wars dunkel. Und Biba schrie: »Ich danke Dir, Lesa!« Und dann stürmte er hinaus und erzählte Allen, was er erlebt hatte. Und da legten die Pallasianer auf der Außenseite des Pallas-Rumpfes Pilzwiesen an, und sie schliefen auf diesen Pilzwiesen. Und wenn sie erwachten, starrten sie mit langen ausgestreckten Augen in die grünen Sterne. Die Quikkoïaner aber dachten darüber nach, wie sie große Teleskope bauen könnten. Und Lesa freute sich oben, daß es ihm gelungen war, sich den Pallasianern verständlich zu machen – und daß sie wieder taten, wie er gebeten hatte. Und dann gingen Lesas große Weltaugen wieder zur Sonne hin und zu den Planeten, die der Sonne näher waren als der Astero’idenring. Lesa bemerkte, daß alle rücksichtslos immer tiefer eindringen wollten in große Geheimnisse, die für ihn noch unverständlich waren. Aber Lesa wurde mitgerissen von dem stürmischen Vorwärtsstreben der Sterne. Und ihn packte eine große Wildheit. »Ich will auch weiter«, rief er in seinen Gedanken, »wenn ich auch nicht weiß, wohin es führt. Aber es geht ein Trotz durch die Planeten. Sie wollen nicht mehr am Kleinlichen haften bleiben; sie wollen alle nur das Große, Gewaltige. Und das hat nicht träge Ruhe in sich. Da löst sich die schlaffe Seligkeit auf. Und man wird Vulkan – Welterschütterung – tosender Sturm – und berauschender Lichttrubel. Was kommt es darauf an, ob ich lebe oder nicht lebe. Wenn nur der Stern mit mir, in mir lebt – ein Weltenleben. Schwer ist es. Aber durch das Schwere kommt man zu den größten Seligkeiten. Die schlaffen Pausen müssen überwunden werden. Schneller muß sich alles drehen, damit man mehr aufnimmt. Wieder kommt der Rausch, den die ewige Drehung erzeugt – die sich drehenden Kugeln und Räder ersticken das Kleinliche. Vorwärts! Nicht den Schmerz fürchten! Nicht den Tod fürchten! Die Kugeln! Die Unendlichen! Die Räder! Die Kreise! Die Kreise!« Und Lesas Gedanken verwirrten sich wieder, und er empfand nur noch eine stürmische Seligkeit. Da sahen die Pallasianer plötzlich den Stern Quikko näher kommen. Nax und die Seinen jauchzten. »Er wird«, rief der kleine Nax, »Mond des Pallas.«

Und so geschah es. Und die Pallasianer nahmen die zehn kleinen Quikkotaner und ließen sich hinschnellen durch Seile – zum Stern Quikko – auch Biba flog hin. Und da gab es ein großes Wiedersehen. Und die Quikkoïaner lösten vorsichtig einige Quallenstücke von ihrem Stern los. Und mit diesen Quallenstücken flog man zurück und baute auf der Außenseite des Pallasrumpfes viele Teleskope. Und während der Stern Quikko neugierig den Pallas, auf dem jetzt Kopf und Rumpf immer intensiver zusammenwuchsen, umkreiste – flogen die Pallasianer oft hinüber zum Quikko. Und die Quikko7aner flogen zum Pallas oft hinüber. Und es entstand auf dem Pallas ein ganz neues Leben – und auf dem Quikko ebenfalls. Lesa empfand immer mehr, daß er nicht mehr so empfand und dachte wie einst. Es ging das Streben des Kometensystems allmählich immer heftiger in ihn hinein. »Wir wollen ja«, vernahm er da, »auch mal zur Sonne. Aber wir blieben am Pallas hängen. In dem war noch so viel Kraft. Aber der große Astero’id schlief. Und jetzt haben wir ihn wieder erweckt.« Lesa teilte dem Biba gleich mit, was er vernahm und sagte ihm: »Wenn wir nur wüßten, was die Kometen jetzt wollen.« Da sahen die Pallasianer und die Quikkoïaner, daß das Kopfsystem sehr unruhig wurde. Mächtige Kometenbüschel strahlten nach allen Seiten aus dem Kopfsystem heraus. Und die Spinngewebewolke wurde wieder glänzend wie einst. Und der Kranz leuchtete mächtig. Und Funken sprühten in dem Kranz herum, daß er noch heftiger leuchtete. Ganz allmählich wurde das Leuchten und das Funkensprühen schwächer. Lesa blickte mit allen seinen Augen hinab. Und man sah auf dem Pallas an vielen Stellen einen blaugrünlichen Lichtschein.


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