Briefe an Richard Dehmel

An Richard Dehmel

Wilmersdorf b. Berlin, Pfalzburger Str 52 Sonnabend 1. Juli 1905

Lieber Richard! Zwei sehr unangenehme Dinge sind mir passirt: Erstens ist der Herr Michalski, der meinen sogenannten Sensationsroman »Die wilde Jenny« in seiner Wochenschrift »Europa« druckte, wegen Wechselfälschun­gen allergrößten Stils – unten durch.*) Meine Jenny ist da nur zur Hälfte er­schienen u. das Honorar ist in Wechseln gezahlt, die niemals eingelöst wer­den werden. Ich bekam über 200 M u. sollte noch mehr bekommen. Baar sind noch nicht mal 30 M gezahlt. Zweitens hat mir dieser A. Cronbach vor 14 Tagen mehrere Geschichten »in Auftrag« gegeben – verzeih diese Wen­dung; ich weiß nicht, ob sie richtiges Deutsch ist – und gestern brachte ich ihm das Manuskript f. 150 M – und er lehnte es einfach ab, mir 75 M Vor­schuß darauf zu geben. Darauf ging der Bär zur Frau Paula und bekam 40 M – kannst Du dem noch etwas hinzufügen? Ich habe Heymel einen Ber­liner Roman versprochen »Münchhausen u. Clarissa« – den möchte ich in c 20 Tagen fertig stellen – es wird ein Hauptbuch. Und nun dreht es sich darum, den Monat durchzuhalten. Frau Paula gab dem Bären schon vor 2 1/2 Wochen 60 M. Ich würde Dir sehr dankbar sein, wenn Du mir etwas leihen könntest. Ich habe in dem letzten Vierteljahr mit 15 Verlags­geschäften vergeblich angebandelt. Heymel aber erwartet schon den Münchhausen. Es ist das Leben – sehr schwer zu ertragen.

Heiligste eiligste Bärengrüße von Haus zu Haus!

Dein Paulus

Randbeschriftung:
*) er wollte sich heute totschießen – zu hoffen ist nichts mehr.
Im Tageblatt stand letzten Montag oder Dienstag Notiz über Michalski.
Ich soll 23. Febr. 1906 in Cöln (Joh. Fastenrath Neumarkt 3) vorlesen, was
ich will – für 200 M. in Düsseldorf soll ich vielleicht auch – weißt Du
mehr Orte in jener Gegend, die mich hören möchten??
Hast Du von Cronbach die 20 M bekommen? Ich konnte danach nicht
mehr fragen, da ich wüthend weglief. –

An Richard Dehmel

Wilmersdorf b. Berlin Montag 3. Juli 1905

Lieber lieber Richard! Meinen wildesten Dank! Du glaubst nicht – wie das thut! Jetzt bekomme ich wieder Muth. Und es wird hoffentlich bald alles -alles – wieder gut. Wir freuen uns mächtig, Euch im September wiederzuse­hen. Momentan sieht ja hier alles einfach trostlos aus – aber bis dahin wird ja wohl Manches besser sein. Es lebe Münchhausen und die Zukunft!

70000000 Trillionen Welt- und Bärengrüße

Deinem Hause und Dir

von

Deinem

alten

Paulus


An Richard Dehmel

Wilmersdorf b. Berlin Pfalzburger Str 52. Donnerstag 12. Oct. 1905.

Lieber Richard! Es ist so gut wie sicher, daß ich Anfang November von der Schiller-Stiftung 300 M bekomme. Könntest Du mir bis dahin etwas noch leihen? Du bekommst dieses von der Weimar-Sendung sofort wieder. Münchhausen-Roman bei Fischer schon 3 Wochen, Jenny eine Woche bei Gose u. Tetzlaff – und zwei Bände »Blutspässe« über 3 Monate im Wiener Verlag. An einer Stelle werde ich doch wohl Erfolg haben -~und darum

glaube ich, daß Mir ist wirklich schauderhaft schlecht zu Mute

Viele Herbstgrüße

und Bärengrüße

von Haus zu Haus

Dein

alter

Paulus


An Richard Dehmel

Wilmersdorf 8. Januar 1906

Lieber Richard! Das war sehr lieb von Dir! Ich danke Dir – sehr! Mit dem Omen hat das zweifellos seine Richtigkeit, denn Du hast wohl schon ge­hört, daß sich in den Händen von Philipp Spandow ein Scheerbart-Fonds*) angesammelt hat, aus dem mir wöchentlich 20 M und außerdem monatlich 35 M für Miete zufließen. Natürlich bin ich auf der einen Seite ganz geknickt und auf der anderen Seite übermütig für siebzehn.Das sieht beinah so aus, als wenn ich nicht mehr japsen könnte – das ist aber nur zum Theile wahr. Gestehen muß ich, daß wir seit c 8 Wochen an einer

nervenzerstörenden Influenza litten

Na – ich weiß jetzt nur, daß mein nicht zähmender Widerspruchsgeist in einfach grotesker Weise aufflammt und daß ich mich jetzt grade nicht zur

Ruhe setzen werde
Das kannst Du Dir natürlich denken.

Ich hoffe, daß ich jetzt endlich das werde zu Stande bringen, was ich immer wollte.

Das »Blaubuch« (Dr Ilgenstein Berlin W Eisenacher Str 108II) setzt übri­gens die »Europa« fort. Mein Theater soll im nächsten Winter fortgesetzt werden; Kneetschke war am 1. Dec. v.J. recht wirkungsvoll trotz skandalö­ser Regie.

Der Bär ist voll beneidenswerter Heiterkeit und grüßt Deine Frau Gemah­
lin und Dich viel tausend Mal, und ich tue das Gleiche und bin in Regen
und SonnenscheinGanz

Dein alter Paulus. Randbeschriftung:
*) ob das Wort Fonds richtig geschrieben ist, weiß ich nicht. Spandow will mir heute die ersten 20 senden.

An Richard Dehmel

Wilmersdorf b. Berlin, Pfalzburger 52. 10. Oct. 1906.

Donnerwetter noch mal! Großartig! Fein! Das hat mich mächtig gefreut! Heiligsten Dank für das Exemplar; es wird in Leder mit Bärenvorsatz ge­bunden werden. Lieber Richard, ich gratulire Dir zu dieser Geschenkaus­gabe. Oh – so was erquickt! Jawohl – freilich – das Abschliessende… Ich freue mich auch schon auf die Zeit, in der ich mal so abschließend mich freuen kann. Oder – es ist wol mehr Abrundung — 17 Trillionen alte abgerundete Welt- und Bärengrüße*) von Deinem

alten Paulus

Randbeschriftung:
*) [von Haus zu Haus]
Pardon der Kürze – aber ich zeichne immerzu. Die Jenseits-Galerie (ganz
neue Sachen) soll noch vor Weihnachten erscheinen.

 

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