Briefe an Richard Dehmel

An Richard Dehmel

Poststempel: 13.10.12

Oh Riccardo! Jetzt hat sich der Himmel ein bischen aufgeklärt. Erst jetzt. Du bekommst in ein paar Tagen »Das grosse Licht« direkt vom Verlag. Lei­der ist jetzt Fahrt nach Blankenese nicht mehr möglich. Aber – Du kommst ja nach Berlin. Wir würden uns sehr freuen, wenn Ihr da mal zu uns kämet. Nur ist Zusammenkunft in der Backsteinstadt nicht möglich. Das »Back­steinelend der Backsteinhäusler« geht mir an die Nieren. Ich bin an die Glas­paläste des Bo gewöhnt. Vom Wannseebahnhof Steglitz führt kl. Straßen­bahn nach Lichterfelde O. – da bis Richard Wagner Str. In der Marschner. Wir senden Euch unsre ergebensten Bärengrüsse und trinken bei Papa Hoff­mann am Bahnhof »Botanischer Garten« auf Euer Wohl!

Randbeschriftung:
Und ich bin Dein alter Paulus.

An Richard Dehmel
Herrn K.K. Brandmeister Richard Dehmel Blankenese b. Hamburg Westerstrasse 5.

Berlin-Lichterfelde 4 Marschner 15 6. November 1912

Lieber Richard! Schönen Dank für Deine antiplanetarische Karte, die ich gestern dem Kaiser von China zeigte. Exmajestät wackelten mit dem Haupte, daß der Zopf in pendularische Bewegung geriet – und sagten schmunzelnd: »Ich mach ihn gleich zu meinem Brandmeister. Aber – wenn er die Ozeane und die Gebirge nicht bald in Brand steckt, werde ich unge­mütlich. Dieser Planetenfeind macht mir Spaß.« Das sagten S. M. wörtlich. S.M. sehr scharfsinnig. Deswegen rate ich Dir, die Formulirung der An­twort reichlich zu überlegen. Sonst – ich kanns nicht hindern – könntest Du Deinen neuen Titel verlieren. Mit Gebrülle

Dein

altes

Paulemann


An Richard Dehmel

10 Jan 1913.

Oh Riccardo!
Das war eine große Freude.
Heiligsten Dank!
Die Kiste kam mitten im dicksten Trubel; die Telegraphenboten kamen*)
Scharenweise u.s.w.
Da war der Französische eine Erquickung. Ich trank ihn mit dem Bär allein
– da Gäste nicht da waren.
Jawohl!
Der Fidibus freute uns sehr.
Und der Weihrauchstengel war eine Delikatesse – oh!
Jawohl!
Sei bedankt!
Besonders für den Fidibus!.
Der Stärkste wurde gestern geöffnet. Der Korn macht das Leben lebens­wert.
Wir tranken auf Euer Wohl! Heute wieder! Na prost! Immer mutig!
Wenn ich mich blos nicht so viel über die Verleger zu ärgern hätte! Jetzt ist es wieder Müller-München.

Grosse Bärengrüsse

von

Haus zu Haus!!

Und ich bin

Dein

alter

Paulus

*) kleines s


An Richard Dehmel

Fotopostkarte mit Scheerbart-Porträt von Filip Kester

Poststempel: 14.6.13

Dein Buch herrlich und fast zum Auswendiglernen herrlich von oben bis
unten. Ja – wenn die Ufer fliehen dann kommt das Infinitesimale. Sei be­
dankt. Und wir grüssen Euch. Und ich bin Dein oller Paulus u. Kaptain


An Richard Dehmel

Riccardo Dehmel Blankenese b. Hamburg Westerstrasse 5.
Kolorierte Fotopostkarte vom großen Palmenhaus im Botanischen Garten, Berlin-Dahlem

15. Juli 1913

Oh Riccardo! Umstehenden Palazzo hab ich nicht erfunden – wol aber ein »Einarmiges Signalalphabet für farbige Scheinwerfer u. Zeigerflügel auf Farbenreif«. Hoho! Die Sache wird jetzt eklig. Auch eine »Gesellschaft f. Glasarchitektur« wird gleich gegründet werden. Willst Du Ehrenmitglied sein? Bärengrüsse von Home to Home Din

old Kaptain Paulus

Randbeschriftung: Na prost! Blume!


An Richard Dehmel

Berlin-Lichterfelde 4. Marschner 151 9. Januar 1914

Lieber Richard! Das war eine große Erquickung! Meinen heiligsten Dank! Der Bär hat tatsächlich hinter meinem Rücken gehandelt. Und ich bin ihm nicht böse deswegen – und Dir wahrhaftig auch nicht. Seit den anderthalb Jahren bei Verlag Georg Müller hab ich unsäglich viel Aerger erlebt – und ich kam aus den Aufregungen garnicht raus.

Das Schlimmste ist, daß ich auch heute noch nicht weiß, ob der Verlag eigentlich »tatsächlich« Geld hat. Jede Geldoperation kam bislang einer ge­fährlichen »chirurgischen« gleich. Heute schreibt er wieder, daß ich mich noch ein paar Tage gedulden möchte. »Es besteht aber sehr viel Hoffnung«, schreibt Müller, »daß ich mich zur Uebernahme dieses Buches (»der alte Orient«) entschließe.« Also – hoffen wir!

Ein Buch »Glasarchitektur«, von dem ich annahm, daß ers bestimmt brin­gen würde, lehnte er nach 8 Wochen Lagerung ab, indem er behauptete, da fände der Leser nicht Literatur, sonder(n) »praktische Bauvorschläge«! Oh ja! Daher meine schwierige Lage momentan.

Alles Nähere mündlich. Wir freuen uns sehr, Euch wiederzusehen. Wenn Ihr uns in unsrer Wohnung aufsuchen würdet, wärs uns sehr erfreulich. Ihr fahrt bis Steglitz mit Wannseebahn. Dann Elektrische (bis Lichterfelde Ost) bis Richard Wagner Str(.) In der Marschner. Oder elektrisch bis Händel­platz – und dann Chaussee Str rauf bis Haydn Str – in der auch Marschner. In der Stadt sind wir seit Oct. 1910 (bei Huth mit Dir) nicht gewesen. Wir finden uns deshalb in der Stadt nicht mehr ordentlich zurecht. Indessen – Es lebe die »Glasarchitektur« Darüber mündlich mehr! Mit vielen Bärengrüßen von Haus zu Haus. Und ich bin

Dein oller dankbarer Paulus


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