Briefe an Richard Dehmel
(Berlin W.,) wahrscheinlich (18).Nov. 94
- O Riccardo!
- Mein Herz sehnt sich nach Dir! Darum möcht‘ ich mit Dir 25 geschäftliche
- Angelegenheiten besprechen.
-
ad I. Hedwig Lachmann würde gut thun, mir Manuskript zur Verfügung zu stellen – für 50 M – rede Du bitte! Evtl. ist Frl. Lachmann eine redaktionelle Stelle nicht unangenehm.
-
ad IL Du denkst vielleicht darüber nach, was man in den beifolgenden Ring hineindichten könnte. Schmeiß den Ring nicht fort, damit Du beweisen kannst, daß Du furchtlos bist. Am 1. Jan. wird der große Ring gedruckt. Deine Artikel etc dahinter!!
- ad III. Wie denkst Du über den Huronen-Club? – das eilt! schrecklich! Ich bin Generaldirektor des Clubs, ad IV. Wie denkst Du über meine neue Bühne? ad V Wann sollen Dichter nüchtern sein?
- Aus diesen Fragen erhellt zur Genüge, daß ich Montag spätestens Dienstag Abend mit Dir umständlich sprechen muß. Schreib – falls Du nicht Zeit hast Sonst komm‘ ich! Im Namen der Unsterblichen!
Dein Paul Carl Wilhelm Scheerbart a. D.
- An Richard Dehmel
- (An) jenen Richard Dehmel Pankow bei Berlin Parkstr 25.
Poststempel: 23.2.95
- Die Gebratene Flunder. Allerneustes Tanz-Poem.
- Die gebratene Flunder sitzt auf dem gelben Familiensopha und sinnt – sinnt
- lange.
- Plötzlich springt sie auf und schaut den heiligen Nepomuk, der sich im
- Schaukelstuhl ein wenig schaukelt, durchdringend an.
- Dann schreit die gebratene Flunder, während sie auf ihrem knusprigen
- Schwänze herumhopst: »Nepomuk! Du sollst Kaiser von Pangermanien
- werden! Wahrhaftig!«
- »Du hast wohl«, meint Nepomuk, »zu viel gebratene Butter im Kopp!«
- Die gebratene Flunder springt auf den Tisch und singt die Marseillaise.
- Da wird der heilige Nepomuk wüthend und schlägt mit der Faust auf den
- Tisch.
- Was geschieht?
- Die Lampe fällt runter – und explodirt.
- Alles verbrennt und stirbt.
- Die Asche giebt kein einziges Lebenszeichen von sich.
- Hieraus erkennt man wieder, wie viel der Zorn zerstören kann.
Mit 999999 Milliarden Grüßen Dein Paulus
- An Richard Dehmel
- (An) jenen Richard Dehmel Schaibert von Oesterreich Pankow bei Berlin Parkstr 25.
Poststempel: 4.3.95
- Mein lieber Schaibert!
-
Du wirst Dich wohl gehörig wundern! Aber Du mußt doch bedenken, daß Caesar in Kaiser umgewandelt wurde. Anjetzo brauchen wir trotzdem was Größeres. Daher wandelte ich meinen Namen um. Nimm dein »Schai-bertreich« ruhig an!
Dein
Scheerbart
Schaibert von Deutschland
P. S. Ich sitze dem Schaibert von Afrika gegenüber und bin entschieden als ächtester aller Schaiberts für die Umsturzvorlage. Hurrah! Sturm!
- An Richard Dehmel
- Herrn Dr. Richard Dehmel
- Erzbischof.
- Pankow
- Parkstrasse
-
Villa Bitü anno 33 Poststempel: 24.6.95
-
- Lieber Richard Dehmel!
- Hierdurch gebe ich Dir zu erkennen, daß Dein Buch mein größtes Wohlgefallen erregte – ich danke Dir! Anna Costenoble liest Dich bereits – sie spricht mit Hochachtung von Deiner Prosa – freu Dich! Ich zittre – denn ich bin doch eigentlich sehr glücklich
-
Dein Paul Anna Scheerbart
-
- Kleine Zeichnung am rechten oberen Rand
An Richard Dehmel
Poststempel: 18.10.95
-
Lieber Richard Dehmel! Oh – ich bin sehr unglücklich! Du kennst doch meinen lieben Sohn Humorus – im Volksmunde Morus genannt – nicht wahr? Also – denk‘ Dir – ach, die liebe Familie! – denk Dir – Morus hat Scharlach u. Diphteritis (oder so was Aehnliches), kann nicht sprechen -liegt zu Bett. Ich muss nun immer zu Hause sitzen und den armen Morus pflegen. Ich schreibe jetzt auf dem schönsten Schreibtisch – mein Balkonzimmer ist entzückend. Deshalb sage mir doch, ob Du was von Bierbaums Adresse weißt – der hat 2 grosse und 17 kl. Manuscr. von mir. Morus läßt Dich grüssen. Du sollst ihn trösten – Deine Rügen-Karte hat mich entzückt.
- Dein grüssender Paulus Randbeschriftung: Der logische Zusammenhang ist sehr wichtig!
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