Briefe an Richard Dehmel

An Richard Dehmel

Visitenkarte mit Aufdruck: Paul Scheerbart
Rückseitenbeschriftung:
grüßt seinen königlichen Bruder Richard sieben Mal und flüstert leise, dun­kel und verheißungsvoll: Hurrah! Hurrah!
Kleine Zeichnung in der rechten unteren Ecke

An Richard Dehmel
Gedruckter Briefkopf:
Der
Verlag deutscher Phantasten
Berlin SW.
Schützen-Strasse 68.28. Oct. 92.
Liebster Richard Dehmel!
Da Du jetzt so daran gewöhnt bist, von mir schriftliche Aeußerungen p.
Post zu empfangen – so schreibe ich Dir heute auch einen Brief. Heilmann

bat mich, Dir Walloths Karte zu senden – weil sie Dich interessiren würde.

Walloth u Lilienkron könnten ja gemeinsam gegen Friedrich vorgehen.
Meine betrunkenen Karten nimmst Du doch nicht übel, nicht?
Ja – etwas möchte ich noch.
Kannst Du mir Przybyczewski’s Adresse mittheilen? – er wohnt N.
Wöhlertstr. ich habe die Nummer nicht behalten. P. läßt Dich herzlich
grüßen.

Ganz

Dein

Paul Scheerbart


Hans Heilmann an Richard Dehmel

Herrn Richard Dehmel Pankow b Berlin Parkstraße 25

Feldberg (Mecklenburg) 4. IV. 93.

L.R

An den Fleischtöpfen Mecklenburgs sitzen wir und weinen, wenn wir daran denken, daß es unmöglich war, Dich zur Mitreise zu verführen. Landschafts-Beleuchtungen prachtvoll, Mecklenburgische Verpflegung bril­lant, Sterne zum Dichten reichlich vorhanden. Auf Wiedersehen in Berlin!

Heil! D. Heilmann Zusatz von Paul Scheerbart:
L.D.

Wild gesehen – selbst Wildenten – dann Bäume und Felder – höchst interes­
sante Erdarten u. Wasser u. Schatten, nicht viel Sonne – aber Licht u.
Beleuchtung!! Hellgrüne Grasgrüsse v.D.Paul Scheerbart

Zusatz von Karl Neunzig: Freundlichen Gruß Karl Neunzig Zusatz von Rudolf Neunzig: und dessen grossen Bruder Rudolf, ebenfalls Neunzig.


 

An Richard Dehmel

Poststempel: 16.7.93

Lieber Richard Dehmel! Flaischlen bat mich, Dir mitzutheilen, daß er ei­nen Band Prosa von versch. Autoren im Verlage der Bücherfreunde heraus­gäbe. Würdest Du ihm nicht das in das in der Tgl. Rundschau veröffent­lichte Stimmungsbild (Brand, Fuß, Lilie etc) senden zu wollen? Honorar für schon Gedrucktes 54-74 M (für 1 1/2 Bgn) 1. Oct. zahlbar.

Ungedrucktes wird doppelt bezahlt – ist aber sehr schwer anzubringen denn der Verlag will augenscheinlich Bewährtes u. Billiges. Ich besuche Dich demnächst. Muß leider schrecklich arbeiten.
Heiligen Gruß von Deinem Paul Scheerbart
Randbeschriftung: N. Weissenburger. 8

An Richard Dehmel

Poststempel: 24.5.94

O Richard! Bitte sei nicht bös, dass ich erst jetzt schreibe. Heissen Dank für Deine Mühe. Habe Zeile für Zeile und Silbe für Silbe anerkannt und umge­hend an Friedrich Lange gesandt. Es kam noch zur Zeit. Lange indessen wollte mal wieder nicht. Er brachte letzten Sonntag eine Variante, die

schon älter war und die er vor nicht langer Zeit für bestialisch und lüstern erklärt hatte [und zwar schriftlich in einem Brief] Ich besuche Dich wahrscheinlich nächsten Sonntag. Wenn Du nicht zu Haus, schadet’s nichts. Deine Anerkennung hat mich sehr gefreut. Wenn Du Bierbaum siehst, so sag‘ ihm doch, er möge mir nur nicht böse sein, dass ich so lang schweige.

Seligen Gruß Dein Paulus

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An Richard Dehmel
Gedruckter Briefkopf:
Amsler & Ruthardt’s
Wochenberichte
Illustrirte Zeitschrift für Kunst, Kunsthandel und Kunstgewerbe

(Berlin W.,) wahrscheinlich (18).Nov. 94

O Riccardo!
Mein Herz sehnt sich nach Dir! Darum möcht‘ ich mit Dir 25 geschäftliche
Angelegenheiten besprechen.

ad I. Hedwig Lachmann würde gut thun, mir Manuskript zur Verfügung zu stellen – für 50 M – rede Du bitte! Evtl. ist Frl. Lachmann eine redaktio­nelle Stelle nicht unangenehm.

ad IL Du denkst vielleicht darüber nach, was man in den beifolgenden Ring hineindichten könnte. Schmeiß den Ring nicht fort, damit Du beweisen kannst, daß Du furchtlos bist. Am 1. Jan. wird der große Ring gedruckt. Deine Artikel etc dahinter!!

ad III. Wie denkst Du über den Huronen-Club? – das eilt! schrecklich! Ich bin Generaldirektor des Clubs, ad IV. Wie denkst Du über meine neue Bühne? ad V Wann sollen Dichter nüchtern sein?
Aus diesen Fragen erhellt zur Genüge, daß ich Montag spätestens Dienstag Abend mit Dir umständlich sprechen muß. Schreib – falls Du nicht Zeit hast Sonst komm‘ ich! Im Namen der Unsterblichen!

Dein Paul Carl Wilhelm Scheerbart a. D.


An Richard Dehmel
(An) jenen Richard Dehmel Pankow bei Berlin Parkstr 25.

Poststempel: 23.2.95

Die Gebratene Flunder. Allerneustes Tanz-Poem.
Die gebratene Flunder sitzt auf dem gelben Familiensopha und sinnt – sinnt
lange.

Plötzlich springt sie auf und schaut den heiligen Nepomuk, der sich im
Schaukelstuhl ein wenig schaukelt, durchdringend an.
Dann schreit die gebratene Flunder, während sie auf ihrem knusprigen
Schwänze herumhopst: »Nepomuk! Du sollst Kaiser von Pangermanien
werden! Wahrhaftig!«
»Du hast wohl«, meint Nepomuk, »zu viel gebratene Butter im Kopp!«
Die gebratene Flunder springt auf den Tisch und singt die Marseillaise.
Da wird der heilige Nepomuk wüthend und schlägt mit der Faust auf den
Tisch.
Was geschieht?
Die Lampe fällt runter – und explodirt.
Alles verbrennt und stirbt.
Die Asche giebt kein einziges Lebenszeichen von sich.
Hieraus erkennt man wieder, wie viel der Zorn zerstören kann.

Mit 999999 Milliarden Grüßen Dein Paulus


An Richard Dehmel
(An) jenen Richard Dehmel Schaibert von Oesterreich Pankow bei Berlin Parkstr 25.

Poststempel: 4.3.95

Mein lieber Schaibert!

Du wirst Dich wohl gehörig wundern! Aber Du mußt doch bedenken, daß Caesar in Kaiser umgewandelt wurde. Anjetzo brauchen wir trotzdem was Größeres. Daher wandelte ich meinen Namen um. Nimm dein »Schai-bertreich« ruhig an!

Dein

Scheerbart

Schaibert von Deutschland

P. S. Ich sitze dem Schaibert von Afrika gegenüber und bin entschieden als ächtester aller Schaiberts für die Umsturzvorlage. Hurrah! Sturm!


An Richard Dehmel
Herrn Dr. Richard Dehmel
Erzbischof.
Pankow
Parkstrasse

Villa Bitü anno 33 Poststempel: 24.6.95

Lieber Richard Dehmel!
Hierdurch gebe ich Dir zu erkennen, daß Dein Buch mein größtes Wohlge­fallen erregte – ich danke Dir! Anna Costenoble liest Dich bereits – sie spricht mit Hochachtung von Deiner Prosa – freu Dich! Ich zittre – denn ich bin doch eigentlich sehr glücklich

Dein Paul Anna Scheerbart

Kleine Zeichnung am rechten oberen Rand

An Richard Dehmel

Herrn Dr. Richard Dehmel Schriftsteller und Rentier Pankow bei Berlin Parkstrasse 25.
Abs. Scheerbart, Eremit. Berlin-Schöneberg, Akazienstr 14. III. links

Poststempel: 18.10.95

Lieber Richard Dehmel! Oh – ich bin sehr unglücklich! Du kennst doch meinen lieben Sohn Humorus – im Volksmunde Morus genannt – nicht wahr? Also – denk‘ Dir – ach, die liebe Familie! – denk Dir – Morus hat Scharlach u. Diphteritis (oder so was Aehnliches), kann nicht sprechen -liegt zu Bett. Ich muss nun immer zu Hause sitzen und den armen Morus pflegen. Ich schreibe jetzt auf dem schönsten Schreibtisch – mein Balkon­zimmer ist entzückend. Deshalb sage mir doch, ob Du was von Bierbaums Adresse weißt – der hat 2 grosse und 17 kl. Manuscr. von mir. Morus läßt Dich grüssen. Du sollst ihn trösten – Deine Rügen-Karte hat mich entzückt.

Dein grüssender Paulus Randbeschriftung: Der logische Zusammenhang ist sehr wichtig!

 


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An Richard Dehmel

Poststempel: 24.2.96

!,„; O Riccardo! Weisst Du was Humor ist??… – »Jedem derbe auf’n Kopp hauen!«,,,, also definirte heute der Bär! – und mir gegenüber hat Er Hu­mor! Ich muß arbeiten – Tag und Nacht. = wenn »Ich liebe Dich«. Eisenbahn-Roman mit 66 Intermezzos« fertig ist, komm‘ ich mit dem Ma­nuskript zu Dir! Ich schreibe hoffentlich in 3-4 Wochen, wann ich bei Dir sein werde. Die Intermezzos sind schon fertig.

66 Mal

Dein Paulus!?! Herr der Kröten u der Molche

Randbeschriftung:
Ich besitze ein Aquarium und einen Mandarinenmantel

An Richard Dehmel

Richard Dehmel grosser Dichter Pankow Berlin Parkstrasse 25.

Poststempel: 6.8.96 Lieber Richard Dehmel! Mit großer Freude habe ich bemerkt, daß Du end­lich einem frommen Leben zusteuerst und im Wupperthal die Pietisten be­suchst. Das freut mich! Was machen denn die Brüder? Etwas traurig bin ich allerdings, daß Du Dich nicht der allein seligmachenden katholischen Kirche zuwendest. Du nanntest mich in Altona »Eminenz« – das erweckte schon so große Hoffnungen in mir! Na – ich will nicht zu anspruchsvoll sein. Der Kringel aus Burg war wohl ein Symbol des Umsichselbstdrehens, der Einsamkeit, Antierotik und des Kosmotheismus – ja? Und mit der ande­ren Allegorie wolltest Du wohl sagen, daß nur »bekneipte« Seelen ein Herz haben – nicht? Na – laß nur das viele Trinken! Dichten ist viel besser. Bist Du vielleicht mal für mich zu Hause? Meine Zeit ist durch lauter Unsinn so in Anspruch genommen, daß ich nicht gern vergeblich nach Pankow reise – das macht mich auch so traurig. Na – allweil Kosmotheistisch

Dein dicker Paulus


An Richard Dehmel

Poststempel: 25.10.96

Oh Richard! Ich danke Dir! Der Bär sagt: Deine Sachen verstehe er doch
– die seien leicht – meine versteht der Bär nicht.
Hurrah!
Ich grüße Dich, Du populärer Dichter!
Nächstens beiß ich Dir die Nase ab!!
Ich Dein lieber Paulus Randbeschriftung: Prosit Neujahr!
Lach doch nicht so viel! – Ich bin ernst! Ich mach Dich jetzt überall ordentlich schlecht! Das Titelbild ist grandios, die’s verdammen sind dumm!
Zusatz von Franz Servaes:
Mein Richterspruch erfolgt später! Besten Gruss

Servaes

Kleine Zeichnung in der rechten unteren Ecke

 

Franz Servaes an Richard Dehmel

Haiensee, Kurfürstenpark Poststempel: 26.10.96

Lieber Dehmel! Er hat Reue! Er merkt, er fühlt allmählich, dass er doch ei­gentlich recht ruppig heute an Sie geschrieben hat. Zusatz von Paul Scheerbart:
Ich dagegen ruinire Alles! Was willst Du mehr? Mir gegenüber tanzt ent­zückend die sogenannte tolle Welt. Hürrah! Schiess Dich tot. Ich bin tan­zend Dein Paulus Servaes:

Er sagte mir, ich sollte »recht nett« schreiben. Ich sollte ihm nämlich die Wege ebnen. Er war aber leider unfähig, sie zu beschreiten. Somit müssen Sie sich mit dieser lakonischen Begrüssung und Beglückwünschung begnü­gen. Natürlich hält er sich immer noch für den Bedeutenderen.

Besten Gruß Ihr Franz Servaes


An Richard Dehmel
Herrn Dr Richard Dehmel Sexualisten-Häuptling VD. ? ? Pankow b /Berlin Parkstrasse 22.

Poststempel: 11.12.96

Lieber Richard! Mit tiefer Trauer habe ich aus Deiner Karte ersehen, daß Du auch Antierotiker werden willst. Das bricht mir das Herz. Ich hatte ge­hofft, Dich mit meinem Artikel über Anna Costenoble bis ins Mark zu tref­fen – und nun ist es Dir »aus der Seele« geschrieben. Das ist einfach tragiko­misch. Soll ich denn wirklich keinen Feind haben? Gegen den Seelenstachu allein kann ich mich doch nicht wenden. Da mir nun die Antierotik verlei­det wurde, so werde ich mich der Antialkoholik zuwenden. Wir können uns demnach leider nicht sehen, damit ich nicht rückfällig werde. Dein

armer Paulus Randbeschriftung:

Meine Seele ist geborsten. Ihr müsset noch viel unklarer werden. Ich aber will ganz alleine klar sein, denn meine Sucht nach dem Aparten vergehet


An Richard Dehmel         22. Jan. 97
Von Scheerbart gezeichnete Zierleiste am oberen Kartenrand

Lieber Richard! Ja – wenn Dein Weltzimmer so neu aussieht – dann freilich muß ich erscheinen. Feierlich werd ich kommen – so wie’s aechten Welt­geistlichen ziemt. Uebrigens kann ich Dich ja garnicht hassen – denn das paßt ja nicht in mein Programm.

Programmäßig und zielbewußt

Dein

alter

.Paulus


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An Richard Dehmel

Poststempel: 14.7.97

Lieber Richard! Mein Herz sehnt sich nach dem heiligen Landleben – aber das nützt Nichts. Ich kann nicht zu Dir kommen – es sei denn, daß ich zu­nächst meine Mordsgeschichte fertig hätte. Am 15. August muß sie fertig sein. Leider bin ich erst beim 8 ten Capitel. 24 Capitel sollen’s aber werden. Also: sei mir nicht böse! Ich muß mit dem Messer am Halse meine Mords­geschichte schreiben. Ich bin natürlich furchtbar wüthend. Mein Messer ruft mir – verzeih!

Voll Blutdurst! Dein Paul Scheerbart


 

An Richard Dehmel

Poststempel: 1.12.97

Lieber Richard! Es ist mir leider doch unmöglich, morgen loszukommen. Man stöhnt mir so fürchterlich die Ohren voll, daß ich zu Hause bleiben muß. Ich leide an veritablen Wuthkrämpfen – mir geht der Humor aus. Außerdem muß ich an meinem Phantastenbuch arbeiten – sonst wirds nicht bis zum 15. Januar fertig. Also: zürne mir nicht und lege Deiner Gattin meine herzlichsten Glückwünsche zu Füßen. Wenn Du Merians Brief suchen wolltest, würde ich Dir sehr dankbar sein. Evtl hole ich mir den Brief Montag oder Dienstag zwischen 3 u 4 Nachm. So! Nun sei nicht böse – sondern sei herzlich froh, daß ich zu Hause

bleibe
Na – prost!Mit tausend schmerzhaften Grüßen

Dein Paulus


An Richard Dehmel
(An) den großen Antierotiker Herrn Dr Richard Dehmel Pankow b /Nieder-Schönhausen Parkstrasse N° 25 I links

6. Febr. 36. S. Poststempel: 6.2.98

Mein lieber Kapitän!

Deine letzte Karte hat mein antierotisches Herz in einen schäumenden Niagara-Fall verwandelt. Ich danke Dir! Ich beglückwünsche Dich zu Dei­ner Bekehrung – herzlichst. Weiß Du auch, daß ich besoldeter Apostel des »Allgemeinen Mäßigkeits-Vereins« bin. Thatsächlich! Ich bekleide Stel­lung schon seit Jahren.

Kannst Du nebenbei die Liebenswürdigkeit haben, mir das gedruckte Original-Manuskript des astr. Dithyrambus möglichst umgehend und heimlich zukommen zu lassen? Dank vorher! Dein ehrwürdiger

Apostel Paulus.


An Richard Dehmel

Mai 1898

Oh Richard!
Ich bin Du, und Du bist ich! Hast Du nu genug?
Beifolgender Flieder ist für Deine Frau Gemahlin von Uns eigenhändig (na­türlich Schwindel!) gepflückt. Kommst Du daher in den Patzenhofer zu einer We i s s e n ?

Selig Euch grüssend Scheerbart Zusatz von Anna Scherbart: u. der Bär

Randbeschriftung
Rücksichtsvoll
Rücksichtsvoll

An Richard Dehmel

2.9.98

Edler Altmeister u. College!

Correktur schon da. l te Nummer erscheint 1. Nov., Honorar soll morgen Sonnabend gezahlt werden, sodaß es nächsten Dienstag al. Mittwoch in Dei­nen Händen sein wird. Sei sanft! Die L.W. heißt jetzt »Witzblatt zum Schutze der oberen Zehntausend«. Na?

Dein alter

Engel


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An Richard Dehmel
Lieber Richard! Herzlichen Dank für die liebe Einladung! Leider hat sich seit vielen Jahren im Hause Scheerbart die Sitte eingebür­gert, Sylvester still zu Hause zu bleiben. Ich kann in diesem Jahre keine Ausnahme machen – denn ich bin abergläubisch. Uebermittle Deiner Gat­tin unsre herzlichsten Glückwünsche und sei nicht böse

Deinem

guten

Paulus

28. December 1898.


An Richard Dehmel
Herrn Dr Richard Dehmel, Erster Korallenrath der submaritimen Staa­tengruppe des stillen Oceans [Erdball der 7 ten Milchstrasse] Pankow bei Berlin Parkstrasse 25.
Aussenwelt!10. März 1899 C.

(37 S.)

Mein heiligster Korallenrath!

Oceandonner zuvor! Ich gratulire Dir zunächst zu Deiner Weltwürde. So­dann bitte ich Dich, Deiner Frau Gemahlin und Deiner Frau Schwester die verbindlichsten Bärengrüße zu übermitteln und mitzutheilen, daß ich wohl in der beneidenswerthen Lage bin, gratis die verschiedensten Republiken, Idealstaaten und Kaiserreiche (sofern sie submaritimer Natur sein dürfen) in jeder beliebigen Anzahl vertheilen zu können – leider aber nicht Billets für den West-West-Club. Berichte bitte, daß ich das Letztere herzlich bedaure, gleichzeitig aber nicht umhin kann, zu behaupten, daß meine Blumen-Pantomime »Die siegreiche Kunst« nicht einmal den Werth von Napoleons Sommerüberzieher besitzt. Ich bleibe daheim. Empfiehl den Damen mei­nen Bären und meine Wenigkeit aufs Herzlichste.

Mit verbeultem Qualcylinder verbleibe ich ewig Dein Rassikollubommke I.


An Richard Dehmel
King Richard Dehmel!!! Spezgart bei Ueberlingen am Bodensee
Abs. Scheerbart alter Millionär in Nieder-Schönhausen bei Berlin

Fotopostkarte mit Aufdruck: Gruss aus Niederschönhausen. Kirche vom Walde gesehen.

2.11.1899.

Mein Cardinal! Du, der Du immer noch glaubst, daß Kometen einen soge­nannten Dassel haben, wisse, daß das pure Anthropomorphik ist. Du bist ein Mensch! Ich aber bin der Unmensch, der Dir was sagen möchte – und es doch nicht thut! Und dennoch will ich Dir antworten! Warte nur! Bälde! Lange Grüße!

Dein Paulus.


An Richard Dehmel

25. Nov. 1899.

Lieber Admiral! Obgleich ich die Geschichte vom Freitag Abend nur für einen »abgekarteten Hintertreppenwitz« halte, will ich doch nicht unterlassen, Dir mitzutheilen, daß wir selbst­verständlich zu Hause waren. Vorne war Alles offen – warum berühr­test Du nicht die Gitterthüre. Ich habe mich geärgert.

Na prost! Dein Paul Carl Wilhelm


An Richard Dehmel

Nieder-Schönhausen

in der Mark Brandenburg

Montag den 21. Mai 1900 C.

12 – 1 Uhr Mittags

[Kaiser Wilhelm Strasse vierundzwanzig]

Edler Rikkardo!

Allen wahrhaft edlen Lebewesen ist Alles unangenehm – besonders aber das Wesen mit der dem Edlen ähnlichen Struktur – daher die raffinirte Antiero-tik, die allen Aerger tötet und die Lex Heinze erzeugt. Bedenke, daß es ge­meinhin die unangenehmsten Folgen hat, wenn man einen Mitmenschen für den angenehmsten erklärt. Ich thu so was nicht – denn ich bin ja so kan­nibalisch schlau. Sei kalt wie der Nordpol. Indessen – ich schreibe Dir die­sen Brief, um Dir mitzutheilen, daß ich im November, als Du hier warst, sehr wohl zu Hause war. Wir warteten auf Dich mit Grog und Bärenku­chen. Die Gartengitterthür war auf. Wer das bestreitet, hat kein reines Ge­wissen. Ich habe Dir sofort einen empörten Brief auf rosafarbigem Papier geschrieben und in den Grunewald geschickt. Dieser rosafarbige Brief scheint nicht in Deine Hände gerathen zu sein. Ich habe mir daher seit No­vember systematisch alle Liebenswürdigkeit abgewöhnt. Nu angle nur in den Wolken! Ich wiege jetzt 280 Pfund und werde jetzt Preisboxer werden

Mit dicken Bärengrüßen

bin ich

Dein Pol Paul Carl Wilhelm

 


An Richard Dehmel
Gedruckte Briefkarte
Paul Scheerbart
Anna Scheerbart
geb. Sommer
Vermählte
Niederschönhausen den 13. September 1900
bei Berlin

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An Richard Dehmel
Herrn Dr Richard Dehmel und seinem ganzen Hause Heidelberg Schlossberg 21.
Abs. Scheerbart Breege auf Rügen
Fotopostkarte mit Aufdruck: Gruss aus dem Ostseebad Breege (Rügen)

Poststempel: 1.10.00

Himmel! Hölle! Teufel! Gift! Seequalle! Victoria! Bärengrüsse! Paul! Carl! Wilhelm!

An Richard Dehmel

Poststempel: 7.12.00

Täglich, lieber Rikko-Tikko, ich könnte beinahe sagen: stündlich erwartete ich das erste Exemplar meiner »wilden Jagd«. Und täglich – beinahe stünd­lich – erfand ich eine neue Widmung, die ich Dir in das für Dich bestimmte Exemplar hineinschreiben wollte. Aber mein Buch kam nicht. Und da packte mich der Neid – und ich schwieg – Dir neidisch grollend. Zürne mir aber nicht, denn das hat garkeinen Zweck. Über Deine neomexikanische

»Richtung« könnte ich Bücher schreiben warum jedoch hast Du keine

verkable »Menschenschlächterei« bildlich darstellen lassen? Mich interessirt »eigentlich« nur noch so was – aber es muß so blutrünstig sein, daß sich selbst einem alten Schweineschlächter die Haare zu Berge sträuben. Na prost! Es lebe die vergiftete neomexikanische Streitaxt. Auf Rügen wird man so friedlich wie ein Lamm. Hier beruhigt sich*) das erregte Gemüth vollkommen.

Mit artigen Eisbärgrüßen bin ich

Dein sanfter Paul Carl Wilhelm

Randbeschriftung:
*) das bemerktest du wohl.
Ich danke Dir für das allererste Fitzebutze-Exemplar!
Ich danke Dir dafür am 15. Januar anno 38 post Dehmelum natum

 

An Richard Dehmel
Herrn Richard Profundus Dehmel
Punktianer
Heidelberg
Schlossberg 21.
Abs. General Scheerbart Breege (Insel Rügen)

Poststempel 18.12.00

Lieber Centrosoph! Ich danke Dir für Deine Karte. In c 3 Monaten erhältst Du eine umständliche Antwort – dann wird nämlich meine »Seeschlange« gedruckt sein. Das ist die »Tragödie eines Concentristen«. Aber daß das nur noch übrig bleibt, gebe ich nicht zu – cf Jagd pag 112 (zinnoberrothe Ei­dechse!) Woher weißt Du übrigens, daß das Unendliche frei von sich ist? Und wie kamst Du auf das »Freiere« des Punktualismus?*) O – ich verstehe

Dich. Du willst mich derbe verulken. Du willst blos sagen, daß ich

Ich aber schreibe die »Messias-Tragödie des Größenwahns« – das ist die See­schlange.

Außerdem trinke ich demnächst auf Dein Wohl 15 Glas Grog. Na? lach nich so dreckig!

Ich bin ja Dein ehrwürdiger Irokesengeneral

Randbeschriftung:
*) Trau blos nicht den ollen Indiern zu viel zu – die sind durchaus nicht pro­funder als die ollen Indianer! Sonnenschein! blaues Meer! Windstille!

An Richard Dehmel

Lieber Richard! Deine Karte hat mir wohlgethan. Du hast jetzt den richtig­sten herrlichsten Hohn in Dir! Hohn mit Glockengeläute! Ich mußte am Meeresstrande immerzu an die Danziger Rathhausglocken denken – die spielen Deinen Choral auch. Wie das wirkt! Wie Aal ä la tartareü! Ja – ja -unser Leben kann garnicht göttlich genug sein. Aber Du willst mir blos noch Deinen Choral schreiben? Du machst Dir das Vergöttern sehr »be­quem«. Ich werds complicirter gestalten – das Innere muß nach außen kom­men – und umgekehrt! – und dann wieder anders. Pereat Simplicitati! Hof­fentlich ist das richtig! Ich liebe es, wenn das Leben ein bischen unbequem ist – das wirkt interessanter. Suum cuique! Für den Spickaal sorgt der Bär. Suum cuique! Das Aalstechen beginnt aber erst, wenn der Bodden friert. Lange dauerts nicht mehr! Nein!

Billionen Weihnachts- und Neujahrs-Grüsse an Frau Isi, A. Mombert und Dich.

Ich bin Dein Paulus 22. Dec. 1900.
Randbeschriftung:
Der Bär freut sich schon aufs Aalpacketpacken – Zeichnung*)
*) das ist die Packet form

An Richard Dehmel
(An) Richard Dehmel und Genossen Heidelberg Schlossberg 21

2.1.1.

Heilige Dreieinigkeit!
Mir zittern alle Glieder – das Feuerwerk war zu stark – mir ist Hören und
Sehen vergangen. Oh! Oh! Ich danke! Ich danke!
Und die Seeschlange ist getroffen – und die Aale werden jetzt auch getroffen
werden – denn jetzt ist der halbe Bodden zu; – 5 ° R.
Es lebe das Feuerwerk des neuen Jahrhunderts! Hurrah!

Ganz

Votre

P.C.W.

Randbeschriftung:
Pardon dem matten Ton, aber ich bin – veritables Ovationsopfer

An Richard Dehmel

Breege auf Rügen 25.1.01.

Lieber Richard Richard! Die Aalstecherei hat bislang nur ein paar ganz dünne Aale zu Tage gefördert. Und diese Dünnen eignen sich zu Räuche-rungszwecken keineswegs. Du darfst demnach nicht ungeduldig werden. Die Aale pflegen im Januar zumeist zu schlafen. Demzufolge nennt man hier den Januaraal »Traumaal«. Na – im Februar, wenns Eis weg ist, giebts fettere Aale. Es lebe die Korpulenz.

Mit sämmtlichen Grüßen bin ich

Dein Paul Carl Wilhelm

Randbeschriftung:
Nu warte man blos – und schimpf man nich!

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An Richard Dehmel
(An) den veritablen Onkel Satanas
Herrn Dr Richard Richard Richard Dehmel
Heidelberg
Schlossberg 21.
im Feuerregen
Abs. Scheerbart-Heering Breege auf Rügen im Schnee
Fotopostkarte mit Aufdruck: Dorfstrasse. Gruss aus Ostseebad Breege (Rügen), von Scheerbart überzeichnet

Poststempel: 25.2.01

Ich bin ein Schwein?
Oh nein! Oh nein!
Riskir nicht Kopf und Kragen,
Mein edler Schwartenmagen!

An Richard Dehmel

Breege auf Rügen Dienstag den 26. Febr. 1901.

Lieber Richard! Lancire bitte die umstehende Rosa-Notiz in sämmtliche Zeitungen des Erdballs! Die Sache eilt! Entschuldige den stürmischen Ton

In Rage

Dein

RC.W.J.J.P.D

Die noch jugendlichen Dichter Dehmel und Scheerbart haben sich zu glei­cher Zeit die Nase abgeschnitten und das Fleisch durch ein Milchglasstück ersetzt. Die beiden Glasnasen sind mit Brillanten im Werthe von je 30000 Mark geschmückt. Vor Freude über dieses Ereignis hat ein Scheerbartianer [der Professor Dr Wilhelm Schultze] einem Dehmelianer den Kopf abge­schnitten. Wir wollen den Namen des Letzteren aus Diskretion für uns be­halten.

Ob aber diese Thaten in unsrer stumpfsinnigen Zeit Eindruck machen werden? Wir erlauben uns, das zu bezweifeln.

An Richard Dehmel
(An) den berühmten Herrn Richard Dehmel Heidelberg Schlosberg 21.
Poststempel: 3.3.01 Hochgeehrter Herr College!

Gerne würde ich »Lebensweise« lesen – aber ich kanns mir doch nicht kau­fen – das sähe doch so aus, als wenn ich neugierig wäre. Was mach ich da? Ich werde wahrscheinlich durch Nachdenken dahinter kommen.

Nachdenkend – Sichinselbstallspaßversenkend

Scheerbart-Heering-Eggers-Steinhard.

An Richard Dehmel
(An) den Herrn Liebesdichter Richard Dehmel Heidelberg Schlossberg 21.
Abs. Scheerbart Schweineschlächter Breege auf Rügen

Sonntag 10 März 1901.

Lieber Richard! Damit doch mal endlich was »Neues« von Dir erscheine, gebe ich demnächst ein von mir geschriebenes Buch unter Deinem Namen heraus. Es wird bei E. Pierson in Dresden erscheinen. Freue Dich!

Herzlichen Gruß!

Ganz

Dein

lieber Paulus.


 

An Richard Dehmel

Fotopostkarte mit Aufdruck: Gruß aus dem Ostseebad Glowe a.R. Post Bobbin

Poststempel: 26.3.01

Lieber Richard! Jetzt bin ich 7 Tage unterwegs – blos um Heeringe zu be­kommen – aber die Walfische haben alle aufgegessen. Demnach kriegst Du was Andres! Na prost!

Dein P.C.W.


An Richard Dehmel
Abs. Rittergutsbesitzer Scheerbart Breege auf Rügen
Kolorierte Federzeichnung in der linken oberen Ecke der Postkarte

Breege auf Rügen

28. April 1901.

Sonntag Nachmittag 1/2 2 Uhr

Das Meer rauscht –

Die Sonne scheint hell.

Lieber Dux! Gestern kam ein alter Negerfürst nach Breege, reichte mir die schwarze Hand und fragte mich: »Wissen Sie, wo Richard Dehmel wohnt?« Sofort rief ich »Keine Ahnung! Keine Ahnung!« Da schüttelte der alte Fürst wehmuthsvoU sein edles Haupt und sprach: »Schade! Sehr schade! Diesen Dehmel hätte ich ganz gerne aufgegessen!« Ich erbleichte – – aber ich freute mich, daß ich Dir wieder mal das Leben gerettet hatte. Nu – schimpf nich mehr! Ich bin Dein

P.C.W.


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An Richard Dehmel
Abschnitt einer Paketkarte

Poststempel: 9.5.01

Dinir‘ mit Teufelsübermuth; Es steckt ein Prinz in jedem Butt. Das Menschenfleisch ist endlich da Und schmeckt so wie Ambrosia. Ha! Ha! Ha!
Zwei kleine Zeichnungen am unteren Rand des Abschnitts

An Richard Dehmel
(An) den lieben guten Onkel Richard Dehmel-Heidelberg Heidelberg Schlossberg 21.
Abs. Scheerbart-China Breege auf Rügen

Poststempel: 18.5.01

Lieber Lux! Du willst wieder sagen, daß ich gestern zu viel getrunken habe? Sage nich Sachen, die Jedermann weiß. Indessen – Wir schnupfen nich, denn wir wissen, daß heutzutage die schlimmsten Bacillen per Schnupftabak »eingegeben« werden. Darauf fallen Wir aber nich rein!! Und wenn wir‘ 5 „) noch so sehr verschnupft wären. Eine Flasche Bier mußte ich übrigens schon um 1/2 8 Uhr trinken, als der Dampfer nach Stralsund abfuhr. Jetzt ist es 10 Minuten vor 8 Uhr »Morgens«. Dein Wundertier ist also ein Bacil­lus! Dies wissen Wir. Aber was for einer? Das wissen Wir nich! Es giebt den Kanonen-Bacillus, den Bombenschmieter-Bacillus, den Aurora-B., den Kannibalen-B, den Verhöhungs-B., den Magenverrenkungs B., den Pabst B. (Ja! Ja!) den Verleumdungs B. den Selbstverkleinerungs B (Ne? O doch!) den Allgemeinen Vogel B. den Erinnerungs B. den Bacillus Tristitiae den Kohl B. den Terrainbepflanzungs B (hat mein B!) den Selbstverbergungs B den Massenmord B. den Augenausklau B. den Saltomortal B. 000

Rand- und Zwischenraumbeschriftung:
*) pardon dem kleinen WH! Au weh! Klee! Schnee! Beh! Beh!
die brummen alle im Kopp. Na – wähle nur – Wir brauchen ja nich zu rathen, da wir ja nich schnupfen! Hi!
Der Bär lacht, denn er hat soeben unsern blauen Ofen umgeschmissen -und der war so blau – so blau!
Hopp! Hipp! Hurrah! Thy

P.C.WJ.J.R David. –■

Guten Morgen! Guten Morgen!

An Richard Dehmel
Sr. Hochwürden den Herren Erzbischof
Richard von Dehmel
Heidelberg
Schlossberg 21.
Germany!
Abs. Quilliwaüke u. Muschibrops, Breege auf Rügen

den fünften Juni 1901

Hochwürden! Eure Zwölf Apostel sind ja stumm – wie Krebse! Soll das heissen: Hochwürden gedenken im Sommer 1901. C. nach Breege zu kommen, um allda lange Reden zu schwingen – in hochsteigender Person?
Na denn man tau!
Wir grüßen Euch und erwarten Euch!
Randbeschriftung:
Quilliwaüke und Muschibrops sind total die Eurigen
Hipp! Hopp!
Na prost. Na prost! Na prost!

 

An Richard Dehmel

Se. Eminenz den Cardinal Marquis de Dehmel Heidelberg Schlossberg 21.
Abs. Scheerbart Bonbonfabrikant Breege auf Rügen

Breege auf Rügen 10. Juni 1901C.

Eminenz! Wir leben im Zeitalter der Fabrikation. Diese Thatsache drückt alle anderen Interessen in den veritablen Hintergrund. Ich habe Dynamit-Bonbons fabrizirt. Wer ein Stück davon runterschluckt, wirds schon gewahr werden. Nach 4 1/2 Minuten fliegt die obere Hälfte des Schlucker-Rumpfes mitsammt den Armen in 1000 Fetzen nach allen Windrichtungen. Der Kopf des armen Schluckers fällt aber mit der Nase in die Eingeweide seines Bauches. Eine gradezu humoristische Todesart. Das wäre der Lustmord an sich – oder die Nase im Gedärm – oder das Gehirn im Unterleibe. Beim Kopffall befindet sich die Nase immer unten. Das bewirkt die Bonbon-Construktion. Wünschen Eminenz besagte Bonbons in Freundeskreisen zu verwerthen? Lacherfolg bei Gala-Diners kolossal!!! Es lebe der Bauchwitz! Hipp! Hopp! Ich bin Euer wohlaffektionirter Bonbon-Fabrikant


An Richard Dehmel
(An) den lieben guten Onkel Richard* Dehmel Heidelberg Schlossberg 21.
Lieber Dick! Daß Du lange nicht so »fein« besoffen bist wie der P.C.W. sieht man Dir an!!
Prost!
Ton P.C.W. Breege auf Rügen Freitag 12. Juli 1901 Vorm. 11 Uhr
Kolorierte Federzeichnung auf der unteren Kartenhälfte

An Richard Dehmel

Breege auf Rügen Mittwoch 2. Oct. 1901.

Lieber Richard! Weißt Du irgend Etwas von der Insel? Daß sie eine G.m.b.H (Geschäftsführer R. v. Poellnitz) geworden ist – das weiß ich. Daß Bierbaum Mitte November in Berlin »Lebende Lieder« leitet – das weiß ich auch. Mehr aber nicht – und davon… Ich wäre Dir für jede weitere Nachricht schrecklich dankbar.
Heil! Heil! Dein Paulus Randbeschriftung: Ob B die Zeitschrift »Insel« auch noch leitet?

An Richard Dehmel
Familie Dehmel Blankenese bei Hamburg Parkstrasse 40.
Familie Scheerbart Breege auf Rügen (Abs.)

Poststempel: 7.11.01

Kolorierte Fotopostkarte mit Segelboot auf See und Aufdruck: Gruss von der See
Randbeschriftung:
Es lebe die Windstille! Es lebe die Ehe! Hei! Jetzt kann ich aber nicht mehr
weiter! Na – prost! Sei bloss massig im Trinken! Das ist der beste »Spruch
in die Ehe«(.) Er lebe!!
Wer da meint, dass ich meiner am 1. April 1898 gegründeten »Einfachen
Bühne« durch Ueberbrettelei Concurrenz machen möchte – der hat ka Idee
von meinem Ingenium

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An Richard Dehmel
(An) die Seefahrerfamilie R. u. I. Dehmel Blankenese bei Hamburg Parkstrasse 40.
Abs. Bärenfamilie Breege auf Rügen

Poststempel: 17.11.01.

Bildpostkarte mit trinkenden Mönchen und Aufdruck: So leben wir, so leben wir, /So leben wir alle Tage Gruss aus – von Scherbart ergänzt: Breege!
Hurrah! Hipp! Hipp! Hurrah! Wir trinken auf Euer Wohl! Immer muthig! Bärengrüsseü
Randbeschriftung:
Es lebe die gemüthliche Antierotik! Es lebe die alte dicke Askese!!!! Es lebe die Klarheit – im Glase!

An Richard Dehmel
Scheerbart-Breege seinem lieben Dehmel-Blankenese
Lieber Richard! Meinen heiligsten Dank!
Vom Januar nächsten Jahres ab will ich drei Monate lang nur für Dein »Sammelbuch« schreiben – und dann kannst Du unter lauter »neuen« Sa­chen »wählen«. Das Alte ist leider schon weg. Indessen – nur »einen« Illustrator willst Du mir besorgen? Das kann doch Dein Ernst nicht sein.

Ich bin

ganz und gar

Dein

Paul Carl Wilhelm

p. s. Ist Dir mein Bescheid »ernsthaft« genug? Ich hätte Dir so gern noch ein Schock Dollheiten geschrieben – aber – wahrlich – ich kann auch ernsthaft sein!

Breege auf Rügen 30. Nov. 1901 7 U. Abends.


An Richard Dehmel
(An) den Herrn Notwendigkeits-Inspektor
Dr Richard von Dehmel
Blankenese bei Hamburg
Parkstrasse 40
Seitwärts von der Elbe – –

Poststempel: 3.1.02

Bildpostkarte mit Mann und Frau am Meer, von Scheerbart mit »Kaidoh« und »Liw(««rf)<< beschriftet
K. Na – was sagen Sie nu zu diesem Dr Fitzebutze?
L. Er ist in Blankenese so ötepetöte geworden.
K. Sie meinen – er hat sich so?
L. Yes – besonders mit deinen dicken Gedanken – er spricht sie nicht aus.
K. Und war doch sonst son fideles Haus!
[Liw. denk an Dr. F. und sinnt – sinnt lange -]
Randbeschriftung:
1902!!
1902!!

An Richard Dehmel
Paketabschnitt

Poststempel: 11.2.02.

Das Begleitschreiben befindet sich in dem Postpacket. Kennst Du aber auch die Insel, auf der Sancho Pansa Statthalter war? Der arme arme Sancho – Du hättest ein Herz von Stein, wenn Du ihn nicht bemitleiden würdest.

Je suis D. U.

Beschriftung des Briefkuverts: Das Begleitschreiben

Breege auf Rügen Fastnacht des Jahres 1902

Lieber Richard Dehmel!
Da Du im November 1899 nicht dazu kamst, bei uns Pfannkuchen zu es­
sen, so sieht sich der Bär genöthigt, anitzo Dir Gelegenheit zu geben
Keiner entgeht seinem Schicksal. Glaube mir: das ist ein wahres Wort..

Bärengrüße der Familie Dehmel!

Und – Frohe Fastenzeit! Recht frohe Fastenzeit!

Ich bin Dein wehmüthig

lächelnder

Paul Carl Wilhelm

p. s. Das Manuscript kommt im nächsten Monat

An Richard Dehmel
(An) »den großen Don Quixote der Friedenspartei« Richard Dehmel Blankenese b. Hamburg Parkstrasse 40.
Abs. Der Onkel – Breege auf Rügen

Poststempel: 19.2.02

Das Preisdrama. [Es ist ganz gleichgiltig, wo dieses Drama aufgeführt wird – da ja alles Gleichgiltige heute modern ist – bäh!] NOBEL: Wohin so eilig, lieber Onkel? ONKEL: Als Friedensapostel nach Stockholm. NOBEL: Hast du saftige Waffen bei Dir? ONKEL: Yes, My-lord – mein Maul. NOBEL: Armes Stockholm! Willst Du nicht lieber nach Cuxhaven zu R.D.? ONKEL: Der geht auch als Friedensapostel nach Stockholm. NOBEL: Sag doch lieber Preisapostel – ich aber sagte Dir: R.D. wird sich hüten, in Deine Maulnähe zu kommen – so muthig ist der R. D. noch nicht. ONKEL: Er hat Mich Sancho Pansa geschumpfen – wenn das nich Muth war! NOBEL: Allerdings – das war muthig! Dann sind die Preisapostel wohl auch so muthig, ihre Familien mitzunehmen, nicht wahr? ONKEL: Wir nehmen »Alles« mit – den Menschen muß der Eigenthums-dünkel ausgebrochen werden. NOBEL: Ausbrecher! Dir gegenüber habe ich keinen Muth mehr! ONKEL: Wenn Du dafür lieber eine Million Kro­nen bei Dir hättest. NOBEL: Grafenkronen oder echte Potentatenkronen? ONKEL: Sehr piepe! Her mit dem was Du hast! NOBEL: Alles in Stock­holm gelassen. ONKEL: Weh Dir, wenns nicht wahr ist! – ich schlag Dich tot! NOBEL: Ein Glück, daß ich schon tot bin! (in weiter Ferne) Da hab ich was Schönes angerichtet! ONKEL: Du! ich spaß nicht! Ich schlage Alles kurz und klein, wenn die Agitationsgelder nicht flüssig zu machen sind! NOBEL: (am Ende der Welt) Die Brüder wollen Alles »flüs­sig« machen. Nur ans Saufen denken sie! Ich weiß nicht, wo der Leichtsinn hinführen soll! (er fällt) Der Vorhang fällt ebenfalls.

Zwei kleine Zeichnungen am unteren Kartenrand

An Richard Dehmel

Poststempel: 19.3.02

Gezeichnete Briefmarke in der linken oberen Kartenecke
Wünsche Ihnen, wohl zu ruhen

und dann möge Ihnen im Traume ein gewisses Sternbild mit einem Fragezei­chen höhnisch zurufen: Anna – n – aas??????? 999999999 Quillionen Mal möge das das Sternbild ausrufen. Und wenn Sie dann aufwachen, soll die Rache kommen – aber Wir sagen nicht wie! Hihi! Nur in der ersten Num­mer des Pacific-Kladderadatsch »Die Friedenspfeife« werden wir Ihr Portrait ab Bombenadmiral bringen (blau weiss orange – mit »Krone«) – oh! Sie ent­zückender Witzbold Sie! Das I als Bouteille! Ih! Sie sollen Directeur unsrer pangermanischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden. Sie sollen was »erleben«. Indem ich Ihnen in Gedanken den Kopf so kahl scheere – wie mirs Ihre erste Bombenhälfte gethan hat – verbleibe ich mit kabeldicken Friedensgrüßen Ihr P.C.W.J.J.PD.S.H.E.S.

Contre-Redacteur der »Friedenspfeife«

p.s. Nach Ostern stechen wir in See*) – aber vor Ostern erhalten Sie u. A. noch ein Stück »Friedenspfeife«. Ei ja. – Bombenerfolg garantirt. –

*) natürlich mit »Volldampf(«) voraus

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An Richard Dehmel

Sonnabend 29. März 1902

Lieber Richard! Ich schreibe drei Kinderdramen und will Breege erst dann verlassen, wenn ich sie fertig habe. Ob mir das gelingen wird, weiß ich noch nicht, da ich c 22. April abfahren muß! Ich dichte jedenfalls mit der denk­bar größten Lebhaftigkeit.

  1. Die Friedenspfeife Ein Europäisches Kinder-Drama
  2. Herr Kammerdiener Kneetschkeso ungefähr! Eine Kammerdiener-Tragödie
  3. Onkel Satanas Eine teuflische Komödie.

Heil! Hipp! Hopp! Totalement le tien – P.C.W.


An Richard Dehmel

Sonnabend 19. April 1902 Breege auf Rügen

Ich weiß nicht, was ich Dir sagen soll -Mein Herz ist über und über voll!
Lieber Richard! nächsten Dienstag des Morgens um 3/4 6 verlasse ich Breege.
Verzeih, daß ich nicht mehr schreibe – aber – aber –

Ewig

Dein

alter

Paulus

Die schwedische Adresse sende ich – sobald ich sie habe. Uebrigens: heute kamen hier die ersten Schwalben und die ersten Kraniche (Kronen) an.
Kleine Zeichnung in der rechten unteren Ecke

An Richard Dehmel
Abs. Scheerbart Kiel

Poststempel: 28.4.02

Lieber Richard!
Also: auf Wiedersehen morgen Dienstag 29. April d.J. Vormittags!

Totalement

ton

P.C.W.


An Richard Dehmel

Poststempel: 1.5.02

Lieber Richard Richard! Ich danke Dir für die Karte! Ich schrieb sofort ans Postamt. Mein Leben wird auch zur Groteske! Ich wohne hier Stiftsstrasse 44 b II und sende Bärengrüße an das Haus Dehmel! Heil

Tot – alement Ton P.C.W


An Richard Dehmel
Herrn Dr Richard Dehmel Deutscher Dichter Blankenese b. Hamburg Parkstrasse 40.
Federzeichnung in der oberen Postkartenhälfte

Juni 1902. C.

Minden in Westfalen

Poststempel: 26.6.02

Lieber Richard! Schönsten Dank für den Brief! Ich sende Dir bestimmt ein Gespensterstück: Der alte Petrus oder im Himmel spukt es auch!!! Im Juli kommt es!!! Entschuldige, dass ich so wortkarg bin – aber es fällt mir Alles so schwer. Lege uns Deiner Gemahlin zu Füssen – wir sind totalement for ever altid les votres

A.C.L. undPCW


An Richard Dehmel

Donnerstag 17. Juli 1902

Lieber Richard! Anbei der alte Petrus!

Ich bin

Dein

alter Paulus

Weite grosse Bärengrüsse dem Hause Dehmel!!!!
Wie intensiv ich mich mit dieser Geschichte beschäftigt habe, ersiehst Du
aus dem beiliegenden Fenster. Es lebe die Sonne!
Briefkuvert mit Aufschrift: Brief mit Fenster
Beilage: Buntstiftzeichnung von Fenster mit Ausblick auf Landschaft

An Richard Dehmel

Lieber Richard! Die Umänderung ist leider unmöglich, da ich von andrer Seite ganz und gar in Anspruch genommen bin. Im Spätherbst das Nähere und Weitere!

Bärengrüße!

Dein

alter

20. Juli 1902.Paulus


An Richard Dehmel
(An) den Herrn Rrrichard Dehmel Knurrrrrrhaahhn Blankenese bei Hamburg Parkstrasse N° 40 (vierzig) Deutschland
Geliebtes R.D!

Du bist wirklich gut – denn Du bist grob. Ich kann leider nicht grob sein,
weil ich bös bin. Böse Menschen dürfen doch nicht grob sein, nicht – wahr?
Es lebe Blankenese!Ich bin

Dein altes
22. Juli 1902
Quilliwauke

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An Richard Dehmel
Herrn Dichter Richard Dehmel Blankenese b. Hamburg Parkstrasse 40.
Abs. Maler P.C. Wilhelm z.Z. Minden in Westf. Stiftsstrasse 44c.
Große kolorierte Federzeichnung
Dicker Lyriker! Das Schreiben überlasse ich meinem Bären – ich male nur noch. Na prost! Aegyptische Bärengrüsse.

Altid

din

11.8.02P.C.W


An Richard Dehmel
(An) den großen Ohrenschmaus, den Erd-Herrn und -Meister Lord Richard Dehmel Blankenese bei Hamburg Parkstrasse 40.
Abs. Scheerbart-Heering-Eggers-Steinhard z.Z. Minden in Westfalen Stiftsstr 44 c
Kolorierte Federzeichnung in der linken oberen Kartenecke

Minden in Westfalen 18.8.1902

Sir! Mondohr? cf. Mondroman pag. 188 lin 4-12!! Der Mond ist kein Lärm­stern und hat daher auch keine Ohren. Die Mehrzahl der astralen Lebewe­sen verständigt sich unter einander ohne Ohren!! Du aber bist ein Lärm­mann, der gehört werden will. Oh! Oh! Und du denkst, die Mondleute seien genügsam, da sie Dich nicht mit Ohren hören möchten! Mußt Du stolz sein – auf den Lärm, den Du machen willst! Und Du hofftest, der Mond würde sich bald umdrehen, damit die Mondleute Dir mit dem gro­ßen Rohr in die Karten kucken könnten? Warum? Weil Du die Wünsche der Weltgeister zu kennen glaubtest? Welch ein komischer Stern ist doch die Erde, auf dem Lebewesen herumkrabbeln, die sich einbilden, dem Welt­geiste näher zu kommen! Auf dem Monde passirt so was nicht! Na – »Im­mer muthig!« Das brüllt sinnigst der

RC.W.J.J.P.D.


An Richard Dehmel

Charlottenburg 10.10.02

Lieber Richard! Gestatte, daß ich Dir meine neue Adresse mittheile: ich wohne anitzo: Charlottenburg bei Berlin Kaiser Friedrich Strasse 43. Gartenhaus II Treppen rechts. Die Aussicht ist hier entzückend. Wann kommst Du nach Charlottenburg?

100000 Bärengrüße von Palais zu Palais – for ever

Din P.C.W.

Randbeschriftung:
Deine Karte war einfach – be-rau-schend!

An Richard Dehmel
Bleistiftzeichnung, einen Kranz aus 7 Köpfen darstellend, innen beschriftet: Wir gratulirenü A.C.L. u P.C.W.
Lieber Richard! Entschuldige die Kürze – u. daß der »Potentatenkranz« nicht ausgeführt ist – aber ich habe Eile!
Randbeschriftung:
Demnächst auf dem Süllberg das Weitere u wahrhaft Bedeutende
Hurrah!
Hoho! Aussicht hier gut!
Empfiehl uns Deiner Frau Gemahlin
17. Nov 1902

An Richard Dehmel

9. Januar 1903

Lieber lieber Richard!
Oh – Deine Ungeheuer!
Den Grimm, den ich hatte [selbstverständlich nicht auf Dich, wie mein Bär
so richtig bemerkte] – kannst Du nicht ermessen.
Und die Freude, die Du mir gemacht hast – auch nicht.
Selbstverständlich bekommst Du Auswahl – jeden Tag.
Sei froh, daß Du nicht in Berlin bist. – Es ist hier beinah noch schlimmer
als in Westfalen.
Oh!
Oh!
Jawohl!

Ich bin der Deine

ganz und gar

Dein

Paul

Paulaccio

Paulissimo.

Hacke uns in Gedanken kurz u. klein und lege uns so dort hin, wo Du’s für
richtig halten thust.
Verzeih mir die Strandhandschrift.
Kleine Federzeichnung am unteren Kartenrand

An Richard Dehmel

Charlottenburg 17. Januar 1903

Lieber Richard! Zunächst meinen allerschönsten Dank für Deinen lieben Brief. Ich bin mit Allem einverstanden und habe dem entsprechend umgear­beitet. Bios das Eine ging nicht: Krabsikrobsi konnte sich über die Explo­sion nicht freuen – »er hatte ja keine Stiefel an«.

Dein »fürstliches« Honorar hat mein Herz mit großer Wonne erfüllt – ich würde Dir sehr dankbar sein, wenn Du’s mir senden könntest so bald – wie Du kannst.

Ich verpflichte mich gern, bis zum 1. October 1905 die beiden Sachen nir­gendwo anders zu veröffentlichen. Alle Deine Bemerkungen haben mir große Freude bereitet – ich verstehe nur nicht, warum auf S. 7 »war’s« – so – mit einem Apostroph geschrieben werden soll. Für die Explosionsidee sage ich Dir noch meinen ganz besonderen Dank. Hoffentlich gefällt Dir so die ganze Geschichte – sonst bin ich gern bereit, nochmals zu verändern. Jetzt werde ich auch ganz bestimmt nicht mehr traurig sein. Wenn aber die­
ser Zickel im November 6 Theaterstücke von meinen 21 Theaterstücken
zur Aufführung annimmt – und nachher erklärt, daß er noch nicht peku­
niär sanirt ist, so soll mal na, Schall u. Rauch*) werden jetzt wohl »kor­
rekter« sein. Ueberhaupt: die Traurigkeit ist sehr überflüssig – besonders,
wenn man, wie ich, ein Lustspiel »Rübezahl« schreibt – das ganz im alten
Theaterstiebel dahinwandelt!
Oh ja! Es lebe der alte Gummischuh!**)

Es ist so erquickend, wenn alle Leute so anspruchslos sind – wie diese Thea­terleute; sie behaupten, daß meine Stücke das Publikum nervös machen

könnten na, und so will ich sanftere Saiten aufziehen.

Du hast Recht: wir dürfen uns nicht mehr einsam fühlen. Aber wenn man son Pechvogel ist – wie ich – dann auch nich? Na – gut! Es sei wie Du sagst! Aber über die verschiedenen Arten des Sicheinsamfühlens könnte man Bände schreiben. Götterglanz über ganz Blankenese!

Dein alter Paulus

*) mit denen ich vor Kurzem angebunden habe.
**) Wir leben offenbar nach jeder Hinsicht in einer herrlichen Reactionszeit
Randbeschriftung:
Entschuldige bitte das komische Briefpapier mit dem Wasserzeichen
Und entschuldige auch die vielen Gedankenstriche und -Schnörkel.

An Richard Dehmel

Poststempel: 30.1.03

L. R! »Ih was!« ist doch kein Widerspruch – sondern so viel wie »ganz egal«.
Allerdings setzt es einen Widerspruch voraus – der sollte aber auch vor­
ausgesetzt sein – sonst hätte »doch hineinspringen…« keinen Sinn. Hexen
sind nicht so ohne Weiteres mit einem Gummischuh zufrieden – andrer­
seits scheint es mir aber auch nicht nöthig jedem Gedankensprunge einen
Ausdruck zu geben – damit immer noch Dinge zwischen den Sätzen blei­
ben – was doch allein die wahre Fülle vorzaubern thut. 2 a. lin. 1 »Allen« u.
»Weiteres« sind nach meinem Gefühl schwere Substantiva u. folglich
»groß« zu schreiben; ich gebe der preußischen O. nicht »überall« nach – sie
ist ein Attentat auf die »freien« Autoren – und müßte von diesen eigentlich
öfters gerempelt werden. Aber man hat ja »Gottseidank« mehr zu thun. Ich
bin deshalb auch zuweilen »sehr« kapriciös (cf. der kleinste der Zwerge) –
damit man blos nicht glaubt, ich hätte die O. »wirklich« mal ernst genom­
men. »Du« in der Anrede klein zu schreiben – das ist allerdings ein Vorbote
der demokratisirenden Geheimrathsrevolution. So viel Spaß mir auch diese
selbst von potentatlicher Seite geförderte R. machen wird – die gesellschaft­
liche Form ist mir doch zu heilig

Altid Din P.C.W, im Ernste.


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An Richard Dehmel

Ch. 1.2.3.

Lieber Richard!

Da sichs also um eine verkable Verschwörung handelt (wie ichs gleich ge­ahndet habe) so bin ich natürlich mit jeder Orthographie einverstanden -da mir doch die Verschwörungen größeren Spaß bereiten als die Orthogra-phieen.

»Der Vorschlag gefiel Allen sehr!« gefällt mir ebenfalls sehr. Und daß ich die Mixmex »illustriren« darf, freut mich außerordentlich. Ich danke Dir sehr und harre der Osterzeit mit Spannung entgegen. Würde Dir als Unter­titel »Ein Märchen aus lustiger*) Sommernacht« behagen?

1001 Grüße! Altid Din P.C.W.

*) oder ein anderes dreisilbiges Adjektiv

An Richard Dehmel
(An) jenen Richard Dehmel Blankenese bei Hamburg Parkstrasse 40
Abs. Scheerbart-Heering Charlottenburg Kaiser Friedrich Str 43.
Kolorierte Federzeichnung am oberen Kartenrand

4.2.3. Ch.

Mordsspaß! Na – das wird ja die schönste Erziehung zur Antierotik! Ich schreie rasch: Ja! Ja! Jawohl! Mir hat es immer Spaß gemacht (pardon -Mordsspass!) wenns in der Welt recht bunt wurde – buntscheckig! Also: Du wirst der kommenden Generation schon den Kopf zurechtsetzen – das glaube ich – und somit kann ich wieder hoffend warten – auf das Kom­mende! Hailoh! Altid Din P.C.W


An Richard Dehmel

7. April 1903.

Lieber Richard! Ich wohne jetzt: Charlottenburg, Kaiser Friedrich-Strasse
29.
Zu Sylvester 1903 werden 5 von meinen Theaterstücken im Kleinen oder im
Neuen Theater aufgeführt. Billets sende ich demnächst. Schreib bald! Ganz
helle lachende Bärengrüße dem Hause Dehmel.

Altid

Din

P.C.WJ.J.P.D.

Demnächst Langes!!

An Richard Dehmel

23.4.1903

Lieber Richard! Meinen allerschönsten Dank! Alles kommt Anfang näch­ster Woche. Wir lesen eifrigst »Zwei Menschen«. Und ich zeichne außerdem so viel, daß ich das Schreiben beinahe verlerne. Entschuldige drum meine Kürze. Bärenstarke Frühlingsgrüße dem Hause Dehmel in Blankenese.

Dein Paulus

 


An Richard Dehmel

Charlottenburg, Kaiser

Friedrich-Str. 29. am

Donnerstag den 7. Mai

1903

Lieber Richard! Entschuldige, daß erst heute – aber ich habe ohn‘ Unterlaß gezeichnet. Hoffentlich ist so Alles gut. Ich füge noch ein Dutzend Extra­zeichnungen hinzu – wenn Du von denen was lieber für die Titelvignetten willst – so zeichne ich gerne die Konturen. Sonst aber ist mir eine der drei Fertiggestellten recht. Ich überlasse Dir die Wahl durchaus.

Mit Bärengrüßen von

Tempel zu Tempel bin

ich

Dein

Paulus

p. s. darf ich Dich sehr bitten, mir so bald wie möglich zu schreiben, ob ich das Honorar noch in diesem Monat erhalten kann????
Kuvertbeschriftung, Vorderseite:
An Richard Dehmel den Besitzer der drei Jawas
Rückseite:
Es lebe der dicke Frühling!

An Richard Dehmel
Herrn Herrn Herrn Richard Richard Dehmel Blankenese bei Hamburg Parkstrasse 40 (Dehmelshöh)

Abs. Scheerbart-Heering, Charlottenburg Kaiser Friedrich Str 29 Garten linker Eingang I. Stock links

Liebster Richard! Hurrah! Herrlich! Grandiositätsidee! Wir freuen uns ein­fach martialisch. Aber diesmal nicht allein kommen! Hörst Du? Domus Dehmeli in pleno. Entschuldige das absolut lächerliche Latinum – aber ich freue mich so sehr, daß sich mein ganzes coeur einfach umkrempelt!

Totalement

die Eurigen

A.C.L.u. P.C.W.

Also: zwischen 7 und 8 oder früher am Freitag! Alles – Alles wird besor­get werden.

Randbeschriftung: Dienstag 26. Mai 1903

An Richard Dehmel
Herrn Dr Richard Dehmel Bad Elster (Sachsen)

Donnerstag, 11. Juni 1903.

Liebster Richard! Zu meinem schmerzlichsten Entsetzen muß ich erken­nen, daß das glatte Papier einfach unbrauchbar ist – weder die blaue noch die gelbe Farbe sitzt. Leider hatte ich bei Deinem Hiersein nur mit der ro-then probirt. Kannst Du mir da Abzüge auf Büttenpapier*) von der Druckerei senden lassen? Entschuldige, daß ich erst jetzt schreibe – aber ich hoffte immer noch, daß es gehen würde.

Tausend Grüße von Templum zu Templum Dein alter Paulus.

*) möglichst »gekörntes« »Zeichenpapier«.

An Richard Dehmel

(M)archese Riccardo Dehmel Ambassadeur dans la Parkstrasse 40
Blankenese b. Hamburg Germany!
Abs. Cherbart Charlottenburg Kaiser Friedrich Str 29

Fotopostkarte mit Aufdruck: Paris. – Les Halles Centrales. Von Scheerbart ge­ zeichneter Pfeil zu einem Schornstein und Anmerkung: Schornstein! gleich kommt der dicke Rauch!

Mittwoch 22. Juli 1903.

Randbeschriftung:

Lieber Richard! Sei man ganz still – das Triptychon wird im nächsten Mo­nat in Angriff genommen – auf rothem Thon-Ton-Papier in schwarzer u. weißer Kreide. Herbst Ausstellung in Wien. Tr. soll auch zu sehen sein. Servaes läßt Dich grüßen.

In das Bild geschrieben:
Entschuldige, dass wir Euch nicht auch grüssen – aber ich habe partout
keine Zeit – verzeih! – ja? Es ist Thatsache! Ich zeichne unheimlich!

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An Richard Dehmel

Poststempel: 23.9.03

Riccardissime! Demnächst wirst Du was Neues hören. Entschuldige mein Schweigen! Heute ist ein herrlicher Tag – der ganze Himmel – blau – ich aber nicht.

Bärengrüsse dem Hause Dehmel

Ich bin

Dein

oller

Paulus


An Richard Dehmel
(An) den Begründer des Erbsen-Mysteriums Herrn Dr Richard Dehmel Blankenese b. Hamburg Parkstrasse 40.

Poststempel: 11.10.03

Heil Dir, edelster aller Kannibalen!! Meine dicke Seele jauchzet Dir ganz
energisch entgegen – obgleich mir garnicht energisch zu Mute ist

7777777 Bärengrüsse für Dein Haus

Dein

altes

Stück Speck.

Randbeschriftung:
ich zeichne Dir ein mystisches Bild – für den 10 October 1903.

An Richard Dehmel
Herrn Dr Richard Dehmel King of the World Blankenese b. Hamburg Parkstrasse 40.

Poststempel: 17.10.03

Richard! Weltmann! Unendlicher! – Ich bin glücklich – Theater Bibliothek Bd 1-5 – und Machtspässe, arab(.) Novellen – Alles erscheint(.) Bär betrun­ken – ich nüchtern(.) Haus Dehmel! Hurrah! Die Eurigenüü!!!

Zusatz von Anna Scheerbart: Er lügt Anna u Paul
Randbeschriftung von Scheerbart:
Er lügt nur in Betreff der Betrunkenheit.
Ich zerbeisse Dich! Essen – Erotik! Ho! Ho!

An Richard Dehmel
(An) jenen Worldking Herrn Richard Dehmel Blankenese b. Hamburg Parkstrasse 40.

Poststempel: 19.10.03

Ganz sanfte bebende Weltgrüße! Es lebe der 26. October 1903! Wir erwar­ten Euch um 3 Uhr! Bis dahin braten wir Neger und Indianer, damit Alles gut aussieht. Meine edle Frau Gemahlin grüßt die Deine und Dich ebenfalls mit gewaltigen Stimmitteln, und ich rufe ganz leise flüsternd: Es lebe der 26. October 1903!

Weltgrüsse – furchtbar schwere – dem Hause Dehmel!

Dein P.C.W.

Randbeschriftung:
Ich wiege übrigens 76 2/3 Kilo und bin 1,78 m groß.

An Ida Dehmel

Charlottenburg 4. November 1903

Sehr verehrter Frau Isi!

Einen peinlich großen Schmerz haben Sie mir bereitet, da Sie mich zwin­gen, Ihrer lieben Einladung mit aller Energie einen Absagebrief entgegenzu­setzen. Wie schwer mir das fällt, kann ich garnicht sagen. Aber es geht nicht anders. Vor Weihnachten soll noch der erste Band meiner Theaterbibliothek und zwar der Rübezahl erscheinen, und vorgestern war ich erst mit den Zeichnungen für die arabischen Novellen fertig. Wenn ich jetzt mit aller Kraft die Zeichnungen für Rübezahl beschleunige – 14 Tage nehmen sie doch in Anspruch – und in 14 Tagen ist der 18. November. Und überstür­zen darf ich die Sache in keinem Falle – und aufschieben darf ich sie ganz und gar nicht – nicht einen Tag! Und so muß ich Ihnen, so schmerzlich mir das auch ist, abschreiben. Werden Sie mir zürnen? Bitte thun Sie’s nicht – es hängt zu viel für mich vom Erscheinen des Rübezahl vor Weihnachten ab  großen Theater müssen sämmtlich vor Weihnachten das Buch haben  da ich eine Aufführung in diesem Winter nicht für unwahrscheinlich halte. Mein Bär wollte durchaus, daß ich fahre – aber ich kann nicht -schon das Denken daran würde mir die Hand verstauchen. Glauben Sie mir bitte das Letztere – es ist so.

7 Trillionen »schmerzlichster« Grüße von Ihrem ergebensten

Paul Scheerbart u. seinem Bären


An Richard Dehmel

Telegramm
Blitzendes Glanzglück wünschet Dir Dein Paulus

An Richard Dehmel

Charlottenburg 21. Febr. 1904

Lieber Richard! Meinen besten Dank für Deine Karte. Mit mir stehts nun so: Erst am 9. Jan. d.J. war ich mit den Rübezahlzeichnungen fertig (50 Stück) – ich hatte 14 Tage der Augen wegen pausiren müssen. Am 14. Jan. d.J. fing ich mit meinem Volksroman »Der Kaiser von Utopia« an. Heute bin ich auf Seite 206 – in 8 Tagen soll Alles fertig sein (c 300 Seiten). Hieraus kannst Du folgern, in welchem Zustande ich mich c 3. März d.J. befinden muß. Verzeih mir daher, daß ich nicht komme; ich muß mich wirklich schonen.Wir ziehen c 26. März d.J. nach Mariendorf b. Berlin, Grossbeerenstr. 7. III [elektrische Bahn Behrenstrasse – Mariendorf (südlich von Tempelhof)]. Hoffentlich wird da Alles wieder gut. Von der Hamburger Ausstellung habe ich keine Ahnung – 26 Zeichnungen wurden von Seraves für 400 Kronen an Miethke, Kunstsalon Wien verkauft. Was der nun damit macht, bleibt mir leider verhüllt; sollte mich M. be­rühmt machen wollen – blos um seine 400 Kronen zurückzuerobern? Grüße Ansorge und schimpf nicht, daß ich Dir die Machtspässe nicht gleich geschickt habe – sie sahen doch zu unvollkommen aus. Theaterbibliothek Band I-VI wird ganz bestimmt besser.

Bärengrüße Deinem Hause!

Dein

alter

Paulus

Randbeschriftung:
p. s. Der Bär macht das denkbar grossartigste Vorsatz- u. Deckelpapier – und
Dein Tritpychon kommt im Sommer von uns Beiden

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An Richard Dehmel

Mariendorf b. Berlin

Grossbeerenstr 5. B. III.

Poststempel: 12.4.04

Riccardo! Riccardo!
Du sollst doch nicht immer so furchtbar auf mich schimpfen!
Du sollst doch nicht! Sei gut! Sei gut! Lege mich Deiner Frau Gemahlin zu Füßen!
Und zwar – mit Bärengrüßen

Ich bin

ton

oller Paulus


An Richard Dehmel

2. Nov. 1904

Hoho! Haha! Ehrwürdiger Riccardo!

Wir habens entdeckt! Deine »geheime« Correspondenz mit meiner Ehefrau in meinen Händen! Die lustigste Ehescheidung folgt! Haha! Hoho! Die Presse ist schon benachrichtigt! Das wird fein! Das Vorsatz-Papier be­kommst Du noch in diesem Monat! Ich aber bin so klug wie ich war und total Dein ehrwürdiger

Paulaccio


An Richard Dehmel
Abs. Scheerbart, der Heering, in Mariendorf bei Berlin.

Poststempel: 17.11.04

18 Trillionen Weltgrüsse dem 18 ten November des Jahres ein Tausend neun
hundert und vier von
A. und P.
mit ächten Drucksachen, die auch als Originale verwertet werden können –
und zwar:
Jenseits von Einigkeit und Zwietracht.

An Richard Dehmel
Horridoh! Höh! Höh!
Ich begrüße den Buntscheck mit wildem Gebrülle

und

bin

Dein

alter

25.11.04.Paulus


An Richard Dehmel
Gedruckter Briefkopf: Heim der Jugend Gross-Lichterfelde 1

Mittwoch 25. Januar 1905

Lieber Richard!

Das »Heim der Jugend« möchte nicht blos sehr gerne von Dir einen Bei­
trag haben – sondern auch von Lilienkron eben so gerne etwas »Nochnicht-
gedrucktes«. Könntest Du nicht so lieb sein, das Erstere zu thun und das
Zweite zu veranlassen? Du thätest mir einen sehr großen Gefallen und ich
würde Dir sehr dankbar sein. Vielleicht ist Dir schon bekannt, daß ich – –
– momentan einer anderen Frau zu huldigen geruhe – demnach na, ich glaube, daß das in dieser Revolutionszeit nicht auffallen dürfte. Ich hoffe, daß es mir gelingen wird, meine erste Ehe möglichst schmerzlos zu lösen

(eine »kühne« Hoffnung).

Bedaure mich aber anitzo, daß ich mich momentan mehr für meine zweite Frau interessire als für meine sonst so bekannte Revolutionsbegeisterung. Meine zweite Frau ist übrigens meine erste Frau (im eigentlichen Sinne) – da ich diese zweite seit 22 Jahren kenne. Ach ja! Indessen – ich stöhne nicht – ich bin total aus dem Häuschen

Lege mich Deiner Frau Gemahlin zu Füßen und sei mit seltsamem Lachen gegrüßt

von

Deinem

sehr jugendlichen

Paulus


An Richard Dehmel

Montag 30. Jan. 1905.

Bester Riccardo! Meinen schönsten Dank für Deinen lieben Brief u. für die Manuskripte, die ich soeben an Cronbach gesandt habe. Die wollen aber eigentlich »Originale«. Gerne käme ich mit meiner Signora auch in Ansorge-Conzert. Da ich aber in c 4 Wochen 1000 M zusammenschreiben muß und – das Leben in meiner Häuslichkeit die Ueberhölle ist – so kann ich nicht. Bitte die Götter, daß sie mir bald weiterhelfen – u auch forthelfen. Ach ja!

Ich bin

Dein

Paulus – trotz alledem.

Daß ich ein »abtrünniger« Antierotiker bin, kann ich nicht unterschreiben
– da ich darüber erst im nächsten Sommer nachdenken muß. Dann mehr!
Wir wollen jetzt Alles umarbeiten – Alles!
Entschuldige, daß ich momentan so gedankenlos bin. Ich sollte mich auch
verhaften lassen. Ach ja!
Dann war ich erlöst.

An Richard Dehmel

Gedrucker Briefkopf: Heim der Jugend etc.

21. Juni 1905.

Lieber Richard! Herrn A. Cronbach liegt schrecklich viel daran, einen Original-Beitrag von Dir zu bringen – und mir liegt auch sehr viel daran . Könntest Du nicht so lieb sein und ihm so bald wie möglich etwas Ungedrucktes einsenden? Ich würde Dir sehr sehr dankbar sein. Bitte bitte – so bald wie möglich! Hier soll noch mehr entstehen – ich informire Dich, wenns »wichtig« wird, rechtzeitig.

Der Antierotik bin ich natürlich »garnicht« untreu geworden – ich scheine verdammt zu sein, nur immer Komisches erleben zu müssen. Und trotzdem schreib ich so viele Tragödien – das ist auch komisch – nicht wahr? Indessen —
Na – immerhin
Freilich! Freilich!

Aber ich bleibe bei dem, was ich gesagt habe zu aller Zeit: wir müssen so schreiben, daß mehr Explosionsstoffe in der Luft herumfliegen! Wirk­lich!

Das ist so nötig! Wir brauchen Granatenglück! Daher mein Sensationsroman in der Europa.

Die Jenny ist übrigens ganz das, was meine Jugendfreundin nicht ist. Das ist doch auch komisch – nicht?

17 dröhnende Weltgrüsse von Dom zu Dom!!!!

Dein Paulus


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An Richard Dehmel

Wilmersdorf b. Berlin, Pfalzburger Str 52 Sonnabend 1. Juli 1905

Lieber Richard! Zwei sehr unangenehme Dinge sind mir passirt: Erstens ist der Herr Michalski, der meinen sogenannten Sensationsroman »Die wilde Jenny« in seiner Wochenschrift »Europa« druckte, wegen Wechselfälschun­gen allergrößten Stils – unten durch.*) Meine Jenny ist da nur zur Hälfte er­schienen u. das Honorar ist in Wechseln gezahlt, die niemals eingelöst wer­den werden. Ich bekam über 200 M u. sollte noch mehr bekommen. Baar sind noch nicht mal 30 M gezahlt. Zweitens hat mir dieser A. Cronbach vor 14 Tagen mehrere Geschichten »in Auftrag« gegeben – verzeih diese Wen­dung; ich weiß nicht, ob sie richtiges Deutsch ist – und gestern brachte ich ihm das Manuskript f. 150 M – und er lehnte es einfach ab, mir 75 M Vor­schuß darauf zu geben. Darauf ging der Bär zur Frau Paula und bekam 40 M – kannst Du dem noch etwas hinzufügen? Ich habe Heymel einen Ber­liner Roman versprochen »Münchhausen u. Clarissa« – den möchte ich in c 20 Tagen fertig stellen – es wird ein Hauptbuch. Und nun dreht es sich darum, den Monat durchzuhalten. Frau Paula gab dem Bären schon vor 2 1/2 Wochen 60 M. Ich würde Dir sehr dankbar sein, wenn Du mir etwas leihen könntest. Ich habe in dem letzten Vierteljahr mit 15 Verlags­geschäften vergeblich angebandelt. Heymel aber erwartet schon den Münchhausen. Es ist das Leben – sehr schwer zu ertragen.

Heiligste eiligste Bärengrüße von Haus zu Haus!

Dein Paulus

Randbeschriftung:
*) er wollte sich heute totschießen – zu hoffen ist nichts mehr.
Im Tageblatt stand letzten Montag oder Dienstag Notiz über Michalski.
Ich soll 23. Febr. 1906 in Cöln (Joh. Fastenrath Neumarkt 3) vorlesen, was
ich will – für 200 M. in Düsseldorf soll ich vielleicht auch – weißt Du
mehr Orte in jener Gegend, die mich hören möchten??
Hast Du von Cronbach die 20 M bekommen? Ich konnte danach nicht
mehr fragen, da ich wüthend weglief. –

An Richard Dehmel

Wilmersdorf b. Berlin Montag 3. Juli 1905

Lieber lieber Richard! Meinen wildesten Dank! Du glaubst nicht – wie das thut! Jetzt bekomme ich wieder Muth. Und es wird hoffentlich bald alles -alles – wieder gut. Wir freuen uns mächtig, Euch im September wiederzuse­hen. Momentan sieht ja hier alles einfach trostlos aus – aber bis dahin wird ja wohl Manches besser sein. Es lebe Münchhausen und die Zukunft!

70000000 Trillionen Welt- und Bärengrüße

Deinem Hause und Dir

von

Deinem

alten

Paulus


An Richard Dehmel

Wilmersdorf b. Berlin Pfalzburger Str 52. Donnerstag 12. Oct. 1905.

Lieber Richard! Es ist so gut wie sicher, daß ich Anfang November von der Schiller-Stiftung 300 M bekomme. Könntest Du mir bis dahin etwas noch leihen? Du bekommst dieses von der Weimar-Sendung sofort wieder. Münchhausen-Roman bei Fischer schon 3 Wochen, Jenny eine Woche bei Gose u. Tetzlaff – und zwei Bände »Blutspässe« über 3 Monate im Wiener Verlag. An einer Stelle werde ich doch wohl Erfolg haben -~und darum

glaube ich, daß Mir ist wirklich schauderhaft schlecht zu Mute

Viele Herbstgrüße

und Bärengrüße

von Haus zu Haus

Dein

alter

Paulus


An Richard Dehmel

Wilmersdorf 8. Januar 1906

Lieber Richard! Das war sehr lieb von Dir! Ich danke Dir – sehr! Mit dem Omen hat das zweifellos seine Richtigkeit, denn Du hast wohl schon ge­hört, daß sich in den Händen von Philipp Spandow ein Scheerbart-Fonds*) angesammelt hat, aus dem mir wöchentlich 20 M und außerdem monatlich 35 M für Miete zufließen. Natürlich bin ich auf der einen Seite ganz geknickt und auf der anderen Seite übermütig für siebzehn.Das sieht beinah so aus, als wenn ich nicht mehr japsen könnte – das ist aber nur zum Theile wahr. Gestehen muß ich, daß wir seit c 8 Wochen an einer

nervenzerstörenden Influenza litten

Na – ich weiß jetzt nur, daß mein nicht zähmender Widerspruchsgeist in einfach grotesker Weise aufflammt und daß ich mich jetzt grade nicht zur

Ruhe setzen werde
Das kannst Du Dir natürlich denken.

Ich hoffe, daß ich jetzt endlich das werde zu Stande bringen, was ich immer wollte.

Das »Blaubuch« (Dr Ilgenstein Berlin W Eisenacher Str 108II) setzt übri­gens die »Europa« fort. Mein Theater soll im nächsten Winter fortgesetzt werden; Kneetschke war am 1. Dec. v.J. recht wirkungsvoll trotz skandalö­ser Regie.

Der Bär ist voll beneidenswerter Heiterkeit und grüßt Deine Frau Gemah­
lin und Dich viel tausend Mal, und ich tue das Gleiche und bin in Regen
und SonnenscheinGanz

Dein alter Paulus. Randbeschriftung:
*) ob das Wort Fonds richtig geschrieben ist, weiß ich nicht. Spandow will mir heute die ersten 20 senden.

An Richard Dehmel

Wilmersdorf b. Berlin, Pfalzburger 52. 10. Oct. 1906.

Donnerwetter noch mal! Großartig! Fein! Das hat mich mächtig gefreut! Heiligsten Dank für das Exemplar; es wird in Leder mit Bärenvorsatz ge­bunden werden. Lieber Richard, ich gratulire Dir zu dieser Geschenkaus­gabe. Oh – so was erquickt! Jawohl – freilich – das Abschliessende… Ich freue mich auch schon auf die Zeit, in der ich mal so abschließend mich freuen kann. Oder – es ist wol mehr Abrundung — 17 Trillionen alte abgerundete Welt- und Bärengrüße*) von Deinem

alten Paulus

Randbeschriftung:
*) [von Haus zu Haus]
Pardon der Kürze – aber ich zeichne immerzu. Die Jenseits-Galerie (ganz
neue Sachen) soll noch vor Weihnachten erscheinen.

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An Richard Dehmel
St. Richard Dehmel Blankenese bei Hamburg Parkstrasse vierzig

Poststempel: 13.10.06

Ei! Ei! Askete auf dem stillen Berge! So furchtbar lustig schon am frühen Morgen? Befürchtest Du nicht, dass Dir die wüsten Phantasieen die Verdau­ung stören könnten? Du sprichst so ganz sans gene von »ungeborenen« Ko­meten? Wie kann man nur so was sagen? Soll der Europaner itzo das Sprich­wort gebären: »Morgenstunde hat das Ungeborene im Munde«? Oh – wie schauderhaft! Nein, Askete auf dem stillen Berge – Kometen sind Gliedmassen*) von Riesen, die hinter der Neptunsbahn auch unsre Sonne umkreisen

Ich aber bin Dein oller Sphärenportier P.C.W.

Randbeschriftung: *) ablösliche

An Richard Dehmel

Wilmersdorf, Pfalzburger 52. 24. Jan. 07.

Lieber Richard!
Meinen schönsten Dank für den zweiten Band.!!
Es lebe Europa! – –
Meine Jenseits-Galerie bekommst Du demnächst..

Eisbärengrüsse von Tempel zu Tempel

Dein PGW.


An Richard Dehmel

Poststempel: 29.11.09

Lieber Richard! Gumppenberg giebt im März Zeitschrift heraus. Er möchte Dich sehen. Wenn Du da bist, schreib ihm doch an »Berliner Hof Ham­burg«. Wir grüßen Dich mächtig vom »Leipziger Hof« aus – sind aber in Berlin Es lebe das Dynamit!
Zusatz von Gumppenberg:
Herzliche Grüsse von Ihrem H. v. G., der Sie bald zu sprechen hofft!
Zusatz von Anna Scheerbart:
Bär grüßt auch!!

An Richard Dehmel

Im Eldorado der Perpetuirlichen am 10. September anno 1910 C.

Lieber Richard! Nu wohn ich wieder hier. 223 Meter von meinem Balkon entfernt rauscht ein veritabler Wasserfall. Berlin u. Wohnstätten kaum sicht­bar. Dafür Blick in den ganzen europäischen Osten. Ural deutlich zu sehen. Viele Wölfe, Kosacken u. 17 Japaner die uns alle beobachten. Ich kann nich nach Bl. kommen, schreibe aber eine große Geschichte, die da spielt. Natür­lich kein Spiel. Horriborribümbawo! Hoho! Hier ist es herrlich. Ihr müßt mal herkommen.

Uralische Doppelgrüße etc.

Dein oller Paulus.


An Richard Dehmel
Herrn Weltbackmeister Richard Dehmel Blankenese b. Hamburg Parkstrasse
Adressenstempel! Paul Scheerbart etc.

Oh! Oberweltenbäckermeister! Ich fall aber nicht drauf rein. Du willst blos ulken. Du solltest auch unlogisch sein? Glaub ich einfach nich. Fluss Per-peh, Rad Perpeh – Menschenblut ditto – Mensch ebenso ditto (-) Erde, Sterne, Meteore ebenso ditto.

Oh – ich weiß das allens. Und die »befriedigende« Lösung lebt schon. Es lebe das Bäckerleben!

Und ich bin

Dein

oller

Ober-Bäcker!

Rand- und Zwischenraumbeschriftung:
Wo Du hinsiehst – ein Perpeh! Nee! Nee! Nee – so was!
300 Glückwunschtelegramme kamen schon.
Es lebe der Maulwurf; werde gleich seinen Symbolgehalt ergründen
Ich ergründe Aliens – Na prost!
Mein Buch erhielt ich erst soeben
19. Sept. 1910.

An Richard Dehmel

Lieber Richard! Hierdurch die erfreuliche Mitteilung, daß das Perpeh end­lich erfunden ist. Kann leider nichts Näheres mitteilen, da ich in der Sache nicht mehr allein stehe. Aber so viel ist sicher: zehn Milliarden hab ich demnächst. Ich bin darum ein andrer Mensch geworden, trinke nichts mehr und beschränke meine Mahlzeiten ganz energisch. Folge mir hierin nach, damit in der Heiligen-Tafel meiner nächsten Religion auch ein Platz für Dich reservirt bleibe. Heil dem achtzehnten November!

Michaelische Grüsse von Haus zu Haus! Deine fromme Maus. Jetzt ist der Brief aus.

Gr. Lichterfelde W. Marschner 151 17. November 1911.


An Richard Dehmel
An Signore Riccardo Dehmel Blankenese b. Hamburg Parkstrasse 22

Montag 27. Nov. 1911
^ nach 30 Seemuscheln.
Heil! Hipp! Hopp! Ich habs. Du fragst: Na was denn? Komische Frage! Ich habe die gesammte Komposition meines 4 bändigen Luftschifferromans*) »Ueberirdische Reisen«. Vor dem Glasglanz werden allen Europäern die Augen übergehen. Dein Michalski aber ist sehr lustig. Schönen Dank! / Famos, daß Du endlich mal lustig wirst. Ich wars auch so lange nicht**).

Din PCW.

Michel redet so viel von den Gläsern und garnicht vom Glas Das ärgert mich eigentlich. Wie viel Glaspaläste willst Du haben? Schreibe bald!

Randbeschriftung:
*) spielt anno 2222 p. Chrü!
Ende Januar fertig – 333 Geschichten dabei – die sind schon da! Ha! Ha! Ha!
**) aber heute bin ichs wieder
Und grosse Bärengrüsse Deinem Hause

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An Richard Dehmel

Fotopostkarte vom S-Bahnhof Botanischer Garten. Von Scheerbart gezeichneter Pfeil zum Nebenhaus und Anmerkung: unser Stammlokal

Poststempel: 30.4.12

Bo-Grüsse! Lieber R! Situatio bischen besser! Beine beiderseits ditto. »Astrale Novelletten« kommen in drei Wochen. Durst gut! Na prost!

Din oller Paulus

Zusatz von Anna Scheerbart:
Ihnen Beiden – von uns Beiden – Maigrüße – dicke! Rolle verschleudert – für
300 Mrk. Bald mehr! Ihr Bär.

An Richard Dehmel
An den alten Geisterkönig Herrn Richard Dehmel Blankenese b. Hamburg Westerstrasse 5

Gr. Lichterfelde W. 4 Marschner 151 Poststempel: 23.6.12

Lieber Markese-Richard!

Da sind wir aber neugierig. Das mit dem Aufsdachsteigen müssen wir ganz bestimmt demnächst ausprobiren. Es geht im August oder September dieses Jahres(.) Dann erst bin ich mit meinem unbändigen Roman fertig. C 1500 Fußnoten kommen hinein und über 300 merkwürdige Geschienten. Das Generalregister aller dieser Dollheiten füllt einen halben Band. Ich schreibe Dir, wenns soweit ist. Und – dann Wiedersehen und Onkel Glubsch umhal­sen. Grüsse ihn inzwischen. Grüsse auch Deine Gattin von der meinen (Markese-Bär) Und von uns Beiden Dir die allerschönsten Irokesen-Grüsse.

Ick bin

Din

oller

Paulus

Randbeschriftung:
Grüsse von Home to Home!

An Richard Dehmel

Fotopostkarte mit Ansicht des Hauses Marschnerstraße 15. Anna und Paul Scheerbart auf einem Balkon in der 1. Etage. Von Scheerbart gezeichneter Pfeil zu dem daneben liegenden Fenster, über dem sich ein Relief mit einer gebückten Figur befindet, und Anmerkung: Schreibtischfenster; darüber: Safur mit dem Kopf die Wand einrennend

Poststempel: 26.6.12

Oh Riccardo! Deine Karte war sehr lieb. Ka-Sio steht schon als abschrecken­des Beispiel auf m. Schreibtisch. Eben an Köster Gohlis geschrieben. Dem­nach: Immer mutig! Der Poetaster hat mir riesigen Spaß gemacht! 3 Bde Luftschifferroman fertig (12 werdens mindestens) Na – Na prost! Bären­grüße von Home to Home Din old

Paulus

Randbeschriftung:
Ich danke Dir. Ich danke Dir.

An Richard Dehmel

Gr Lichterfelde W. Marschner 15 1. August 1912

Lieber Richard! Kann nicht umhin, Dir mitzuteilen, daß mein L.R. (11 Bde) gestern fertig wurde. Nun schreibe mir doch gelegentlich, wann Ihr in diesem oder dem nächsten Monat da seid. Hoffentlich saniren sich meine pek. Verhältnisse in Bälde. Und dann – das Weitere! Ich sitze allein bei Papa Hoff mann u. trinke gleich das 6 te u. 7 te Glas Kindl auf Euer Wohl

Altid Din olles Paulemann Auf der Rückseite der Postkarte: Schweres Brett! Ich bin verteufelt selig! Na prost!
An Richard Dehmel

Poststempel: 21.8.12

Oh Riccardo! Gratulire Dir zur glücklichen Heimkehr. Vergiß doch ja nicht: Die Mont blancs, die wackeln alle; Wasser hat keine Balken. Wir kommen Sonnabend Abend (24. Aug. 1912) um dieselbe Zeit wie damals im April 1909(.) Inzwischen grüßen wir das Haus Dehmel mit Hailoh etc.

Din oller Paulus

Federzeichnung auf der Adressenseite der Postkarte


An Richard Dehmel

Gr. Lichterfelde W Marschner Str 151 22. Aug. 1912

Lieber Richard! Soeben haben wir wieder einen so furchtbaren Aerger in Verlagssachen gehabt, daß wir nun doch nicht Sonnabend kommen kön­nen. Mir steht eine lange Correspondenz außerdem bevor, die ich leider nicht von Blankenese aus führen kann. Du darfst uns nicht böse sein. Aber ich habe das nicht vorausgesehen. Der Bär war schon mit dem Packen fertig und freute sich so. Wir senden Euch die besten Grüße.

Und ich bin Dein

alter

Paulus

Zusatz von Anna Scheerbart auf der nächsten Seite:

Lieber Herr Dehmel! Ja! so ist es. Kaum ist eine Aufregung vorüber, so ist die Andre schon wieder da. Ich habe mich wirklich wie ein kleines Kind auf die Reise nach Blankenese gefreut. Aber durch den Brief den wir heute früh erhielten, ist meine Stimmung umgewandelt. Wie es scheint – sollen wir keine Freuden mehr im Leben haben. Ueberall Betrug. Und ich kann kaum schreiben.

Mit besten Grüßen an Sie Beide

Ihre Anna Scheerbart


An Richard Dehmel

Gr. Lichterfelde W. Marschner Str 15 27. Aug. 1912

Lieber Richard! Schönen Dank für Deine liebe Karte. Aber momentan hat sich die Sache noch nicht geklärt. Dr. Lilien Verlag hat die »Astralen« an G. Müller verkauft u. 3000 M (mit 2 andern Sachen) dafür bekommen. Nun dachte ich, daß sie mir das Honorar senden würden; ich habe aber noch kei­nen Pfennig. Dies das Tatsächliche, das ich aber nach dem Ankauf durch Müller nicht erwarten konnte. Laß aber blos Onkel Glubsch aus dem Spiele. Hoffentlich klärt sich noch alles. Wenns irgendwie zu machen ist, kommen wir schon im September. Aber – jetzt kommen noch andre Kom­plikationen hinzu. Und das Geschäftliche ist mir gräßlich und verdirbt mir die Stimmung. Hoffentlich bald Erfreuliches.

Mit Bärengrüßen Euch Beiden bin ich

Dein

alter

Paulus


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An Richard Dehmel

Poststempel: 13.10.12

Oh Riccardo! Jetzt hat sich der Himmel ein bischen aufgeklärt. Erst jetzt. Du bekommst in ein paar Tagen »Das grosse Licht« direkt vom Verlag. Lei­der ist jetzt Fahrt nach Blankenese nicht mehr möglich. Aber – Du kommst ja nach Berlin. Wir würden uns sehr freuen, wenn Ihr da mal zu uns kämet. Nur ist Zusammenkunft in der Backsteinstadt nicht möglich. Das »Back­steinelend der Backsteinhäusler« geht mir an die Nieren. Ich bin an die Glas­paläste des Bo gewöhnt. Vom Wannseebahnhof Steglitz führt kl. Straßen­bahn nach Lichterfelde O. – da bis Richard Wagner Str. In der Marschner. Wir senden Euch unsre ergebensten Bärengrüsse und trinken bei Papa Hoff­mann am Bahnhof »Botanischer Garten« auf Euer Wohl!

Randbeschriftung:
Und ich bin Dein alter Paulus.

An Richard Dehmel
Herrn K.K. Brandmeister Richard Dehmel Blankenese b. Hamburg Westerstrasse 5.

Berlin-Lichterfelde 4 Marschner 15 6. November 1912

Lieber Richard! Schönen Dank für Deine antiplanetarische Karte, die ich gestern dem Kaiser von China zeigte. Exmajestät wackelten mit dem Haupte, daß der Zopf in pendularische Bewegung geriet – und sagten schmunzelnd: »Ich mach ihn gleich zu meinem Brandmeister. Aber – wenn er die Ozeane und die Gebirge nicht bald in Brand steckt, werde ich unge­mütlich. Dieser Planetenfeind macht mir Spaß.« Das sagten S. M. wörtlich. S.M. sehr scharfsinnig. Deswegen rate ich Dir, die Formulirung der An­twort reichlich zu überlegen. Sonst – ich kanns nicht hindern – könntest Du Deinen neuen Titel verlieren. Mit Gebrülle

Dein

altes

Paulemann


An Richard Dehmel

10 Jan 1913.

Oh Riccardo!
Das war eine große Freude.
Heiligsten Dank!
Die Kiste kam mitten im dicksten Trubel; die Telegraphenboten kamen*)
Scharenweise u.s.w.
Da war der Französische eine Erquickung. Ich trank ihn mit dem Bär allein
– da Gäste nicht da waren.
Jawohl!
Der Fidibus freute uns sehr.
Und der Weihrauchstengel war eine Delikatesse – oh!
Jawohl!
Sei bedankt!
Besonders für den Fidibus!.
Der Stärkste wurde gestern geöffnet. Der Korn macht das Leben lebens­wert.
Wir tranken auf Euer Wohl! Heute wieder! Na prost! Immer mutig!
Wenn ich mich blos nicht so viel über die Verleger zu ärgern hätte! Jetzt ist es wieder Müller-München.

Grosse Bärengrüsse

von

Haus zu Haus!!

Und ich bin

Dein

alter

Paulus

*) kleines s


An Richard Dehmel

Fotopostkarte mit Scheerbart-Porträt von Filip Kester

Poststempel: 14.6.13

Dein Buch herrlich und fast zum Auswendiglernen herrlich von oben bis
unten. Ja – wenn die Ufer fliehen dann kommt das Infinitesimale. Sei be­
dankt. Und wir grüssen Euch. Und ich bin Dein oller Paulus u. Kaptain


An Richard Dehmel

Riccardo Dehmel Blankenese b. Hamburg Westerstrasse 5.
Kolorierte Fotopostkarte vom großen Palmenhaus im Botanischen Garten, Berlin-Dahlem

15. Juli 1913

Oh Riccardo! Umstehenden Palazzo hab ich nicht erfunden – wol aber ein »Einarmiges Signalalphabet für farbige Scheinwerfer u. Zeigerflügel auf Farbenreif«. Hoho! Die Sache wird jetzt eklig. Auch eine »Gesellschaft f. Glasarchitektur« wird gleich gegründet werden. Willst Du Ehrenmitglied sein? Bärengrüsse von Home to Home Din

old Kaptain Paulus

Randbeschriftung: Na prost! Blume!


An Richard Dehmel

Berlin-Lichterfelde 4. Marschner 151 9. Januar 1914

Lieber Richard! Das war eine große Erquickung! Meinen heiligsten Dank! Der Bär hat tatsächlich hinter meinem Rücken gehandelt. Und ich bin ihm nicht böse deswegen – und Dir wahrhaftig auch nicht. Seit den anderthalb Jahren bei Verlag Georg Müller hab ich unsäglich viel Aerger erlebt – und ich kam aus den Aufregungen garnicht raus.

Das Schlimmste ist, daß ich auch heute noch nicht weiß, ob der Verlag eigentlich »tatsächlich« Geld hat. Jede Geldoperation kam bislang einer ge­fährlichen »chirurgischen« gleich. Heute schreibt er wieder, daß ich mich noch ein paar Tage gedulden möchte. »Es besteht aber sehr viel Hoffnung«, schreibt Müller, »daß ich mich zur Uebernahme dieses Buches (»der alte Orient«) entschließe.« Also – hoffen wir!

Ein Buch »Glasarchitektur«, von dem ich annahm, daß ers bestimmt brin­gen würde, lehnte er nach 8 Wochen Lagerung ab, indem er behauptete, da fände der Leser nicht Literatur, sonder(n) »praktische Bauvorschläge«! Oh ja! Daher meine schwierige Lage momentan.

Alles Nähere mündlich. Wir freuen uns sehr, Euch wiederzusehen. Wenn Ihr uns in unsrer Wohnung aufsuchen würdet, wärs uns sehr erfreulich. Ihr fahrt bis Steglitz mit Wannseebahn. Dann Elektrische (bis Lichterfelde Ost) bis Richard Wagner Str(.) In der Marschner. Oder elektrisch bis Händel­platz – und dann Chaussee Str rauf bis Haydn Str – in der auch Marschner. In der Stadt sind wir seit Oct. 1910 (bei Huth mit Dir) nicht gewesen. Wir finden uns deshalb in der Stadt nicht mehr ordentlich zurecht. Indessen – Es lebe die »Glasarchitektur« Darüber mündlich mehr! Mit vielen Bärengrüßen von Haus zu Haus. Und ich bin

Dein oller dankbarer Paulus


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An Richard Dehmel

Berlin-Lichterfelde 4. Marschner Str 15.1.

19. Febr. 1914.

Lieber Ricardo! Schönen Dank für Deine freundlichen Zeilen. »Einverstan­den« bin ich natürlich nicht mit dem Rundschreiben; ich bin eben gar-nicht gefragt worden. Die Beiden, die unterzeichnet haben, kennen mich ganz genau. Ich kann jetzt aber nichts dagegen machen, weil ich A gesagt habe; ich erlaubte eben meiner Frau, zu tun, was sie wollte. Und sie setzte sich mit stud. phil Franz Graetzer Jena in Verbindung, der kam mit Dr Adolf Grabowsky zusammen, dieser zog Ewers hinzu. Und so muß ich B sagen, alias »zu der Behauptung, daß ich mich nicht durchsetzen kann«, einfach schweigen. Das »Durchsetzen« ist ja nicht näher definirt, man kann sehr verschiedenartige Dinge darunter verstehen – also kann ich ja wol auch schweigen.

Nun hat meine Frau extra gebeten, daß man Dich unbehelligt lassen solle -und daß Du uns 100 Mark bereits gegeben hast. Man hat Dir doch ge­schrieben. Wir glauben, daß man nur Deinen Namen will; vielleicht schreibst Du, daß Du schon persönlich mit uns zusammenwarst u. Alles persönlich abgemacht hättest – evtl. auch, daß sie Deinen Namen mitauf- führen könnten. Mir allerdings liegt auch daran nichts. Handle ganz, wie Du willst. »Vertrauenswürdig« ist m. E. die Rundfrage durchaus. Grabowsky ist ein sehr reicher Mann u. auch mein Dutzfreund. Wir waren noch neu­lich im Sommer 1910 in Friedenau zusammen.

Nun aber persönlichst und unter Discretion! Hol der Deiwel die Kleingläu­bigkeit! Ich habe nie (oder selten) an meinen Missionen gezweifelt. Trotz all meiner veritablen Demut nicht! In den letzten Monaten sind über 30 Kritiken erschienen – alle bis auf 1-2 voll Bewunderung. Da dürfte man doch nicht sagen, daß nicht der leiseste Schimmer der Hoffnung besteht. Na – mir ist die Sache »herzlich« unsympathisch. Das Scriptum ist offenbar Dienstag Nachm. verfaßt. Um 1/2 6 war mir herrlich zu Mute; ich hatte eben eine famose Geschichte geschrieben und wollte bei Papa Hoffmann Dämmerschoppen trinken – da wird mir urplötzlich übel – und nach einem Topp Bier scheußliches Erbrechen. Ich dachte an Vergiftung, Krabben u. Hecht gegessen. Dem Bären haben sie nicht geschadet. Also: des Rätsels Lö­sung ist jetzt da: mir ging telepathisch das Schreiben zu und wirkte – die ganze Nacht noch durch. Psychisch ward ich nicht davon berührt. Gestern Mittwoch schon wieder so, daß ich eine lange Geschichte über Bruno Tauts Glaspalast in Köln für die Techn. Monatshefte Stuttart schreiben konnte, diese werden wol auch meine »Glasarchitektur« bringen (111 Capitel) Taut hat mir seinen Palast »gewidmet« und ich hab ihn mit Sprüchen umrandet: darunter:

Glück ohne Glas – wie dumm ist das. Grösser als der Diamant ist die doppelte Glashauswand Ohne einen Glaspalast ist das Leben eine Last, etc etc. Gesetzt ist bis auf den letzten Bogen(ist): »Das graue Tuch und zehn Prozent Weiss. Ein Damenroman« Es folgen 5 (fünf) Bände »Meteorgeister« (3300 Seiten in m. Schrift. Lesa. hat nur 500 Seiten)

sodann »Der alte Orient«(.»}« Kulturnovelletten aus Assyrien, Palmyra und Babylon« (Müller zahlte für dieses schon 450 M für 1000 Exempl.) für die 5 Bde sind 1500 M abgemacht – 300 M in jedem halben Jahre [l te Rate gezahlt]

Dazu kommt die »Glasarchitektur«. Komisch doch, daß Hilfe immer kommt, wenn ich ganz hoffnungsvoll dastehe. Aber das Spende-Scriptum mußte wol so gefaßt sein, sonst wäre ja kein Erfolg »wahrscheinlich«.

Randbeschriftung:
Entschuldige die Länge. Aber ich wollte Dir nichts verschweigen. Darum!
Wie stets Dein oller

Paulus

Es ist 1/2 4 Nachm. Wir trinken um 5 bei Papa Hoff mann auf Euer Wohl!

Hipp! Hipp!
Ich glaube, man könnte mir bereits gratuliren.
Jedenfalls momentan alles gutt – serr gutt
Na prost! Na prost! Pardon dem großen Ernst!

Anna Scheerbart an Ida Dehmel

Berlin-Lichterfelde W

d. 15.10.15.

Marschnerstr. 15.

Liebe Frau Isi!

Mein Mann ist heute um 1 Uhr nach kurzem Unwohlsein plötzlich ver­schieden. Es würde mir nun eine sehr große Freude sein, wenn der älteste Freund meines Mannes ihm das letzte Geleit geben würde – zumal jetzt viele im Felde unabkömmlich sind. Falls Sie die weite Reise nicht scheuen – dürfte ich Sie möglicherweise Beide erwarten? Die Beerdigung findet am Dienstag den 19 Okt 4 Uhr auf dem Parkfriedhof in Lichterfelde West statt. Viele schöne Grüße Ihre

Anna Scheerbart


Anna Scheerbart an Richard Dehmel
Ltnt R. Dehmel 61 Landwehr Brigade XV Reserve Regiment Nr. 8 Vogesen

d. 27.10.15. Marschnerstr. 15.1

Lieber Herr Dehmel!

Erst heute komme ich dazu, – Ihnen für Ihre liebe Karte zu danken. Sie hat meinem Herzen wohlgetan. Gerne glaube ich, daß Sie gekommen wären zu der Beerdigung. Aber – der Krieg… Franz Servaes hat gesprochen und eine Sängerin sang in der Halle. Er ist gewesen. Es war sehr feierlich und es waren auch ganz Teil anwesend. Und viele Blumen und Kränze schmückten seinen Sarg. Ein großer Busch Orchideen v. Architekt Taut wurde ihm in die Gruft gegeben. Krank lag er kaum einen Tag. Donnerstag Nachmittag 4 Uhr plötzlich unwohl. Gleich Besinnungslos. Am Freitag Mittag 12 1/4 Uhr war er tot. Schmerzen hat er nicht gefühlt. Er reichte mir die Hand zum Ab­schied und schlug die Augen nieder. Das war das Ende meines lieben Man­nes. Ich freu mich sehr, wenn Sie zurück und sein stilles Grab besuchen möchten.

Ihre Anna Scheerbart


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Briefe an Ernst Rowohlt
Briefe an Richard Dehmel
Liebes- und Schmollbriefe

 

 

 


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Revision 30-12-2022