Sawiga, die liebende Fee

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Paul Scheerbart

Verlassenes


Sawiga, die liebende Fee

Ein Versöhnungslied.

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·Nun male mir sein Bild!«

So sprach leise die Fee Sawiga zu ihrem altenFreunde, dem Eremiten Rallo.

Rallo nickte mit seinem alten ehrwürdigen Haupte, versprach, zu malen, und Sawiga ging wieder fort in den Wald .

Sie ging träumend weiter und summte so vor sich hin -es war ein altes Lied, das sie da summte. Sie dachte an den, den sie liebte.

Ihr Geliebter war ein Priester, der die Menschen lücklich machen wollte . . . . . der die Menschen lehren wollte, wie man böse Worte vergibt. Der Fee Sawiga ward so still zumut.

Über den Waldsee drüben glitt ein Kahn. Wer saß dort im Kahn?

Er!

Sawiga schaute träumend in den Waldsee, in em der Mond sich spiegelte und der Kahn sich schaukelte.

Da kam plötzlich ein Wirbelwind, und der Kahn kippte um – und der Priester sank ins kühle Wasser

-und ging unter. Das sah die Fee. Und sie weinte.

Doch Rallo malte des Priesters Bild auf eine ganz kleine, runde Holztafel. Sawiga nahm das Bild, wie’s fertig war – barg’s an ihrem Herzen – dankte – und ging wieder davon -in den Wald.

Sie sagte ihrem alten Freunde nicht, daß ihr Geliebter gestorben . . . . . denn Rallo liebte die Toten nicht.

 

Die Fee geht mit dem Bilde ihres Priesters durch die ganze Welt.

Und wen ein böses Wort gekränkt hat- der sieht nachts im Traume – das Bild des Priesters, den Sawiga liebte.

Wer des Priesters Bild gesehen – wird ganz still­ und zürnt nicht mehr.

Sawiga wandelt durch die Welt – durch Flur und Wald, durch Stadt und Dorf, über Berg und Tal und über die Wasser …..

Die Fee denkt immer nur an ihren Priester- und sie wünscht nur immer, alle Menschen möchten ih­ ren Priester so lieben- wie sie ihn liebt.

Er starb im See- nicht durch eigne Schuld- doch er mocht‘ auch nicht mehr leben, weil er den Zorn der Menschen nicht mehr ansehen konnte.

Sawiga wandelt durch die Welt-­

»Du sollst nicht zürnen!« sagt die Fee.

Menschen mit feinen Ohren hören zuweilen die Stimme der holden Fee–

Das Bild, das Rallo malte, leuchtet durch manche dunkle Nacht- es leuchtet–

Im Waldsee spiegelt sich der Mond. Elfen singen lustig:

 

Ein Wort kann dich kränken? Ich kann’s mir kaum denken. Nur spät in den Schänken Wird immer mit Ränken

Das Leben vergiftet. Wenn du aber draußen bist,

Denk‘ nicht mehr an Trug und List!

DesMenschen Wort ist viel zu fein, Es kann nie Zornesursach‘ sein.

»Du sollst nicht zürnen!« sagt die Fee.

 

 

•Es ist gut«, sagt hierauf der Rechtsanwalt, »Sie haben eben . sehr paradoxe Anschauungen. Wir wollen Eydtkuhnen vergessen!«

» Paradoxe Anschauungen?« versetz‘ ich gereizt,

das find ich gar nicht. Ich halte die ewigen Kabbe­ leien wahrhaftig nicht für ein Vergnügen. Molche u nd andre böse Würmer beißen sich wohl zum Zeitvertreibe gelegentlich gegenseitig die Beine ab. Daß diese Tiere aber dadurch glücklicher werden, möcht‘ ich wohl bezweifeln. Außerdem – der

\1ensch ist doch kein Molch- nicht wahr?« Letzteres gibt Müller zu, sagt dann aber eifrig:

» Hören Sie, Scheerbart, das geht doch nicht. Können Sie denn verlangen, daß man alle Beleidigungen auf sich sitzen läßt? Ich verstehe Sie nicht, ie müssen doch Ehrbegriffe anerkennen!«

Ich werde müde, wie ich das höre.

Ich kam wieder auf die Liebe zum Weltgeist zurück und bemerkte so recht wehmütig:

»Ich weiß ja, ich werde Ihnen Ihre Ehrbegriffe niemals nehmen, und Sie werden mich ewig für unbegreiflich erklären. Die Sawiga wird Ihnen mit dem Bilde ihres Geliebten vergeblich erscheinen. Doch bedenken Sie nur: wenn wir Menschen den Weltgeist bedingungslos verehren wollen, so müssen wir doch Alles, was existiert, alle Menschen, alle Tiere – Alles und Alle – für Offenbarungen dieses Weltgeistes halten. Und diese Offenbarungen müssen wir denn doch auch mit freundlichen Augen ansehen, sonst würden wir uns ja gegen den Weltgeist, von dem wir doch ein kleiner Teil sind, auflehnen. Wir dürfen also nicht hassen. Ihre Ehrbegriffe sind religionsfeindlich. Wir müssen doch frei vom Hasse sein! Die Freiheit, in der’s kein Zürnen mehr gibt, ist die einzige Freiheit, die einen Wert hat. Wie gefällt Ihnen diese Fensterstudie? Hören Sie nur:

 

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