Der vornehme Räuberhauptmann

Paul Scheerbart

Revolutionäre Theater-Bibliothek


Der vornehme Räuberhauptmann

Ein Bühnenspass in drei Aufzügen

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Personen.

Graf Knoblauch, Räuberhauptmann.
Knussel, Räuber.
von Meiersprung, Räuber.
Merribûr, Räuber.
Klatsch, Räuber.
ein Lord.
ein Polizei-Inspektor
ein Gensdarm.
verschiedene deutsche Dichter, Kellner und Strassenkehrer.

Die Handlung spielt teils in den Abbruzzen – teils in einem Polizeilokal Italiens – teils in Berlin auf der Strasse.

Erster Aufzug Zwei Zeltwände, die hinten im rechten Winkel zusammenstossen. Die Wände sind lose hängendes faltiges Tuch. Im rechten Winkel kann das Tuch auseinandergeschlagen werden. Möglichst prächtiges Tuch.Rechts Knoblauch mit langen roten Bartkotelettes in einem Triumphstuhl – rauchend und Zeitung lesend. Er ist sehr elegant nach der neuesten Mode gekleidet. Links hängt an einem Kleiderständer sein Zylinder, Ueberzieher, Regenschirm und Perspektiv.Knussel und von Meiersprung bringen einen gefesselten Lord herein. Knoblauch springt erfreut auf und verbeugt sich sehr höflich.  
     
     

KNOBLAUCH.

Serr erfreut, Sie kennen zu lernen. Bitte Pardon for mein ausländisches Akzent. Ich bin ein deutscher Graff und serr vorrnehm, spräkke wie ein Weltmann mit internationales Akzent. Jedder ächte Deutschmann muss speak Weltsprak – weil old Germany Weltreich. Disse Art, sick zu drücken aus, itzo serr moddern und vorrnehm. Knussel, nimm doch dem Herrn Lord die Fesseln ab, dass er kann rauk min Ziehgarr.

Bietet ihm eine Zigarre und ein brennendes Streichholz an.

Mon Nom is Knoblock. Vive la vie!

Der Lord steckt sich die Zigarre an und wird durch von Meiersprung mit der Flinte von hinten erschossen.

LORD ärgerlich.

Die Ziehgarr fällt.

Fällt selbst und stirbt.

KNOBLAUCH.

Gesicht und Extremmitäten janz unkenntlich maken und die Kleidderchens vergrabben.

Der Lord wird von den beiden Räubern hinausgetragen.

KNUSSEL kommt gleich zurück.

Das Geld haben wir ihm schon abgenommen; hier ist es.

Gibt dem Knoblauch eine Brieftasche.

KNOBLAUCH.

Disse Monneten werden morjen Abbend unter Euch Viere verteilt – ick will nix davon prendre – ick will nurr habben eine neue Ziehgarr.

KNUSSEL.

Serr vornehm!

Ab.

KNOBLAUCH sehr laut.

Merribûr! Klatsch!

Merribûr und Klatsch treten ein.

MERRIBÛR.

Guten Morgen, Räuberhauptmann.

KLATSCH.

Guten Morgen, Herr Graf.

KNOBLAUCH.

Gutten Morjen, Kinders! Ick will vertellen Euck something entre nous! Hier find ick zwei Zettel von Knussel und Meiersprung – die wollen Euck totschlaggen mit Hammer und Grannitt.

Gibt ihnen die Zettel.

Gehet raus und schiesset die Verräter vorrherr dot. Abber vorrnehm – von hinten!

Merribûr und Klatsch mit wütenden Gebärden ab – Knoblauch ladet schnell eine Doppelflinte und horcht. Zwei Schüsse ertönen kurz hinter einander – er macht darauf eine Spalte im linken Wandtuch, steckt die Flinte durch und schiesst auch zwei Schüsse ab.

KNOBLAUCH stellt die Flinte weg und zieht sich den Ueberzieher an.

So – so – ita! Italiano! Italiano! Itzo sein die vier Räubber dot – mausedot. Und derr Lord wird, da err verstümmelt ist, för den Räubberhauptmann gehalten werden. Ick kann go. Mirr tutt nurr die Ziehgarr leid.

Hängt sich das Perspektiv um. Nurr nich die Monnetten verjessen! Steckt die Brieftasche ein und setzt sich den Zylinder auf und geht hinten ab. Aber zwischen den Tüchern hält er noch einmal inne, dreht sich um und zieht den Zylinder mit dem Blick auf den Triumphstuhl. Räuberlebben, lebbe woll! Du warrst mirr nich vorrnehm genuck! Zylinder schwenkend mit zum Himmel gerichteten Augen. Thallatta! Thallatta! Sei mirr jeküsst uff Bauck!

Vorhang!


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Zweiter Aufzug Kahles Polizeilokal – Polizei-Inspektor am Aktentisch – viel Gerümpel – Knoblauch kommt gravitätisch herein.  
     
     

KNOBLAUCH.

Gutten Morjen, Monsieur!

POLIZEI-INSPEKTOR steht auf.

Was steht zu Diensten?

KNOBLAUCH.

Ah! Sehr gutt, dass Sie kennen deitsch in Idalia! Háhaha! Ick bin deitscher Jraff, spräck abber mit internationales Akzent, weil das is serr vornehm und moddern – und pahdriodisch, Empfelle Euck internationalles Akzent – dammit is zu maken guttes Jeschäft bei old Germany.

POLIZEI-INSPEKTOR.

Ich habe leider keine Zeit zu verlieren. Was steht zu Diensten?

KNOBLAUCH setzt sich auf einen Stuhl und betrachtet den Inspektor mit Stiellorgnette.

Serr gutt!

POLIZEI-INSPEKTOR.

Was wollen Sie denn eigentlich, mein Herr?

KNOBLAUCH.

Die Belohnung will ick habben.

POLIZEI-INSPEKTOR.

Welche Belohnung?

KNOBLAUCH.

Drei mal hundert Dausend Francs.

POLIZEI-INSPEKTOR.

Sie sind wohl verrückt.

KNOBLAUCH.

För de Beleidijung eines deitschen Jraffen habben Se zu zallen – blos fönf hondert Francs.

POLIZEI-INSPEKTOR.

Ich habe Sie nicht beleidigt.

KNOBLAUCH erregt aufspringend.

Wat? Se meenen woll, ick bin ut Dummsdorf – wat?

POLIZEI-INSPEKTOR.

Wenn Sie jetzt nicht vernünftig reden, so werde ich Sie anders behandeln.

KNOBLAUCH. Why?

Ick habbe fönf Räubers dotgeschossen – mausedot – mit Mausergewerr. I go always into the black.

POLIZEI-INSPEKTOR.

Was? Die fünf Räuber aus den Abbruzzen?

KNOBLAUCH.

En effet! Jawoll! Now werrden Se heflich – nit?

POLIZEI-INSPEKTOR.

Allerdings, mein Herr, wenn das ist –

KNOBLAUCH.

Gensdarm draussen vorm Dohr! Der vertellt die Historia!

POLIZEI-INSPEKTOR.

Wo?

KNOBLAUCH.

Buten! Draussen!

Der Polizei-Inspektor stürzt hinaus und kommt gleich mit dem Gensdarm hinein – sie sprechen hastig italienisch mit einander.

POLIZEI-INSPEKTOR.

Mein Herr, Sie haben tatsächlich die 300000 Francs zu bekommen – sofort! Gehen Sie bitte zum deutschen Gesandten mit diesem Schein.

Er schreibt schnell was auf und gibt es dem Knoblauch.

KNOBLAUCH.

Werrden Sie sich angewönnen Internationales Akzent? Pêle-Mêle! Janz leicht zu lörnen!

POLIZEI-INSPEKTOR.

Ja, mein Herr, wenn Sie mich nicht wegen Beleidigung verklagen.

KNOBLAUCH.

No, Sir! Ick make Se zum Direkter miner Konstonterstötzungsanstalt. Wollen Se? Will you?

POLIZEI-INSPEKTOR.

Mit Vergnügen.

KNOBLAUCH.

Ick zalle fönfzig Dusend Francs för de deitschen Könstler, de in Idalia nich Jeld genuck habben för Wein, Abbendbrott und gutte Ziehgarrs. Sie, Mynheer Direkter, habben de verdammte Pflicht und Schuldigkeit – den deitschenKinstlern jenne drei Erheiterungsjeggenstände alle Abbend bei bonten Lampions grattis to verabfolken. You understand!

POLIZEI-INSPEKTOR.

Meinen herzlichsten Dank!

KNOBLAUCH.

Sir! Weltsprak!

POLIZEI-INSPEKTOR.

Thank you! Thank you very much!

KNOBLAUCH.

International please! For ever! Altid! För alle Ewigkeit! Wietsche watsche – watsche wietsche! Gutten Morjen!

Der Gensdarm verbeugt sich und erhält Banknoten, der Polizei-Inspektor verbeugt sich ebenfalls immerzu. Der Gensdarm öffnet hinten die Türe – und der Graf Knoblauch geht gravitätisch hinaus, während die Beiden sich immerzu verbeugen.

Vorhang!


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Dritter Aufzug Auf der Strasse vor dem Portalzelt eines Berliner Hotels. Knoblauch kommt mit einer kleinen Zahl »bekannter« deutscher Dichter, die sämmtlich Zylinder tragen und sehr fidel sind, nach Hause und will sich von seinen Begleitern verabschieden. Morgengrauen.  
     
     

KNOBLAUCH.

Serr erfreut, mine gutten Hörrschaften, dass Se mich nach Hause gebbracht habben. Gestatten Se mirr, dass ick Ihnen gebbe Diamantdossen zum Angedenk an dissen Abbend. Se sind wöltbekannte deitsche Dichter – und ick bin Ihr Mäcen – your Mäcenas! Wenn ick nich wärre jekommen

Er verteilt eifrig blitzende Zigarettenetuis.

so wärre die deitsche Litteratur längst futschikato. Ick – seien Se öhrlich! – ick musste kommen. Ick habbe Ihnen widder uff die Beene geholfen. Na – schadet nix. Ick kam zor ricktigen Zeit – Time is money. Die deitschen Dichter sollen hoch lebben! Hoch!

Alle schreien drei Mal »Hoch!« Strassenkehrer kommen herbei.

EIN STRASSENKEHRER.

Du, Aujust, biste nich ooch en deitscher Dichter? Goh doch henn und vertell dat dem Herrn mit den roden Kotelettes.

ZWEITER STRASSENKEHRER nimmt die Mütze ab und sagt.

Gnädiger Herr, ick bin ooch een deitscher Dichter. Schenken Se mir doch ooch wat.

KNOBLAUCH.

Infamer Bengel! Was verstehst Du vom internationalen Akzent?

Gibt ihm eine schallende Ohrfeige, dass er gleich hinfällt – Die Strassenkehrer schreien und ziehen das Messer – Knoblauch zieht seinen Revolver – und die Strassenkehrer – auch der Geohrfeigte – laufen schreiend davon. Die Dichter stehen ganz starr da.

EIN DICHTER.

Graf Knoblauch – Hurrah!

Alle schreien Hurrah.

KNOBLAUCH.

Schlaffen Se woll, mine gutten Hörrschaften!

Alle Zylinder werden in der Luft herumgeschwenkt.

Und vörgessen Se nich den vorrnehmen internationalen Akzent! Thallatta! Thallatta! Wietsche watsche! Vörgessen Se ooch nich mine Monnetten! Juten Morjen! Schlaffen Se woll!

Gravitätisch durchs Kellnerspalier ins Hotel.

Vorhang!


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