PCW* und Willem, Kaiser von Germanien

Paul Scheerbart

Meine Tinte ist meine Tinte


PCW* und Willem, Kaiser von Germanien

Ein Dialog im Teehaus von Sanssouci

aus: Meine Tinte ist meine Tinte! 

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kaiser … hat er mir alles vorgelesen, mein Vorleser (zeigt auf zwei hohe Bücherstapel) —, zuerst denk ich, der Kerl, der das geschrieben hat, ist verrückt, dann hat es mir immer besser gefallen. Bilder hat Er im Kopf, bunt wie ein Pfauenrad.

pcw Und Stil, Majestät!

kaiser Muß Er mir nicht erklären. Man meint, Er schreibt, wie die Leute so reden untereinander. So leicht sieht es aus, daß man glaubt, man könne es auch —ich habs versucht. Warum lacht Er?

pcw Majestät haben es versucht?

kaiser Ich überreiche dir … (heftet einen großen goldenen Stern an PCWs Brust) und ernenne dich hiermit zum überwirklichen, geheimen Dichter, Prost! —nenne mich Willem. Und ich verspreche dir: das Militär wird abgeschafft! Nur eine kleine Amüsier—guarde brauch ich für Potsdam.

pcw Ist genehmigt, Willem! Wird ihn freuen, meinen Freund, den alten Herrn auf Poggfred.

kaiser Und Preußen wird auch abgeschafft und die alte Backsteinkultur, und Potsdam benennen wir um in Tsching—Bum. (holt einen Blechsoldaten aus der Hosentasche, yeht ihn auf. Der Blechsoldat marschiert auf der Tischplatte und schlägt mit dem Säbel um sich. Der Kaiser und PCW lachen Tränen) Na Prost!

pcw Prost!

kaiser Schöner Tag heut — aber eins sage ich dir: hätte der eiserne Mann Gefallen an unserer Revolution, ich nähme Alles zurück. Er gönnte mir den Sonntag nicht. Jeden Tag möchte ich Sonntag — du verstehst das? ,

pcw Der eiserne Mann hat zuviel Sauerkraut gegessen.

kaiser Hat er. Guck dir seine Schuhe an, das sind keine Schuhe, das sind Kanonen! — Wie soll ich spazieren? Auf einen Stiefel drückt die Generalität, auf den ändern Kapitälski, und auf die Schultern drückt auch allerlei. Krumm wird man, krumm wie der krumme Fritz. Schon lange kommt mir Europa als ein Narrenhaus vor. Auch du bist gegen den europäischen Individualismus, und ich sage dir, Schuld an Allem hat der Capital, das sage ich hier in meinem Teehaus! (stößt den Blechsoldaten um, stellt eine Dame aus Blech auf die Tischplatte und y.eht die Dame auf. Die Blechdame beginnt ^u tanken, sie hebt während des Tanges den Rock)

pcw Wenn das — Przbyszewski sieht!

kaiser Der „Kampf der Geschlechter“! — Kannte da einen Ministerialdirigenten …

pcw Na Prost!

kaiser Prost!
Die Herren Artisten haben mir immer viel Verdruß bereitet.

pcw »Weil du Alles zu ernst nimmst — und zu leicht. .

kaiser Charakter ist nur^Eigensinn, es lebe die Zigeunerin! Die Militärmonarchie gehört abgeschafft, merken Sie sich das, Herr Oberpoet, und die ganze psychologische Richtung ist nichts als Tellerwäscherei … wer läuft da unerlaubt in meinem Gartenpark?

pcw Gehen Majestät nicht etwas zu weit? Majestät sind immer etwas zu weit gegangen. Das haben wir jetzt aber nicht mehr nötig, und wir müssen auch nicht mehr so viel trinken.

kaiser Doch! Jetzt muß ich trinken! ,., Siehst du die vielen farbigen Kreise und Räder im Himmel? Tipp mich mal an — und was denkst du, was du berührt hast, bin das ich? — sage es mir.
(singt)

Fliegt man stückweis‘ in die Luft,
wird man gleich zu Leichenduft;
man verpufft in einem Nu, macht nicht mal die Augen zu.

Das muß er vertonen, der Herr Hofkapellmeister, er hat was gutzumachen mit seiner Salome — ich denk mir: Bläserchoral. Aber aus der Luft, aus tausend Baiions hoch in der Luft … da steht wer hinterm Busch und beobachtet, unerlaubt.

pcw Komm rein, Richard — das ist Freund Dehmel mit ’ner Kiste Sprotten aus Hamburg — nimm Platz und setz dich zu uns.

kaiser Ich lehne jede Verantwortung ab!

pcw Das haben Majestät immer getan.

(Nächster Tag. Der Kaiser in einem Schloßzimmer)

kaiser Meingott, wo war ich gestern … besoffen, total besoffen! … Bax! General von Bax! … wo bleiben Sie? Sind Sie etwa auch besoffen? Lassen Sie alle Kanonen putzen, lassen Sie schießen, auf Alle, auf Alle — sofort, sofort!!! Und lassen Sie die Kerle suchen, die beiden Kerle von gestern!

H.H.

* paul carl wilhelm scheerbart


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