Die Güter der Erde

Paul Scheerbart

Die Güter der Erde

Kraftspaß

aus:  Immer mutig

ngg_shortcode_0_placeholder »Lege Dich hier still hin!«
Das klang weich von ihren Lippen.
Und sie nahm ihren alten Zauberstaub und berührte mit ihm.
meine Stirn; die Spitze des Stabes war kalt und prickelnd.
Ein langes Summen ging durch die Luft, als kämen tausend Bienen an.
Und dann ward Alles hellblau vor meinen Augen.
Und aus dem Hellblauen schritt in goldener Rüstung ein schlanker Ritter heraus, kam auf mich zu, öffnete sein Visir und sprach:
»Die Güter der Erde ruhen zu Deinen Füßen. Erhebe Dich und streichle, was Du da siehst.«
Ich erhob mich und sah, daß ich auf einem hohen Felsen gelegen hatte. Unter mir in den Abgründen rings umher krochen wilde Drachen herum.
Und ich wollte meine Hand ausstrecken, um die Tiere zu streicheln; aber das ging nicht; sie waren zu tief unter mir. »Warum streichelst Du die guten Tiere nicht?« fragte der Ritter.
»Ich kann nicht!« gab ich zurück.
»So blick mich an!« rief der Ritter heftig aus.
Durch seine Rüstung quollen seine dunkelblauen Adern durch, seine Augen brannten wie Rubine. Und die dunkelblauen Adern wurden immer dicker, daß ich glaubte, sie müßten gleich platzen. Und die Muskeln des ganzen Körpers zerbogen die goldene Rüstung, daß sie klirrte.
Eine krampfhafte Erregung packte mich; ich hörte, wie meine Zähne knirschten.
»Jetzt blick runter!« rief mir der Ritter rauh zu.
Ich tat’s – und die Drachen waren mir ganz nahe.
Ich streichelte sie, und Alles erglühte in mir, daß ich einen Schrei der Wonne ausstieß.
Ich streichelte in den Drachen die Güter der Erde.
Die Drachen schlugen mit den langen Schwänzen um sich und waren ganz zahm.

 

Immer mutig:

ngg_shortcode_1_placeholderDie Geschichte wurde von Herrn Lapapi scharf kritisiert. »Man sehe,« sagte er zum Schluß, »die Wellen des Meeres an – sie sind jeden Tag anders – und immer wieder anders – wie die Schachpartieen, die auf der Erde gespielt werden, auch immer wieder anders sind. Und so sind auch die Güter der Erde immer wieder anders – und wir dürfen nicht denken, daß wir mal eines schönen Tages alles Gute und Schöne gemütlich zu unsern Füßen sehen werden. Das wäre ja das Ende vom Liede. Wenn wir auch öfters das Vergnügen haben, uns einzubilden, daß wir viel – sehr viel – erreicht haben – Alles werden wir nie haben – und es ist gut, daß es so ist. Daß wir immer wieder nach einem neuen Ziel jagen – das sollte uns doch beweisen, daß die Welt unendlich reich ist. Und trotzdem hat es Leute gegeben, die von dieser letzterwähnten Tatsache auf die Armut der Welt schließen wollten! O, es gibt so unendlich viele Komödien! Demnach – immer mutig, liebes Onkelchen!« Und dann sprachen wir vom Abschiednehmen, und dabei las der Lapapi dieses hier:


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