Die Wurzeln der Wohlhabenheit
Die Wurzeln der Wohlhabenheit
Ein schildbürgerliches Schauspiel in fünf Akten
Personen:
Philander VII. Kaiser von Utopia
Moritz Wiedewitt, Oberbürgermeister von Schiida
Käseberg, Geheimer Regierungssekretär des Oberbürgermeisters
von Moellerkuchen, Geheimer Regierungssekretär des Oberbürgermeisters
Ratsherren von Schilda
Hofbeamte
Magistratsbeamte
Volk im Hintergrunde
Die Handlung spielt im dreieckigen Rathause zu Schilda im Kaiserreich Utopia
Zeit: unbekannt
ERSTER ART
Der Bühnenboden bildet ein rechtwinkliges Dreieck, dessen rechter Winkel hinten ist. Die Wände rechts und links, die hinten zusammenstossen, sind weiss. Hohe spitzwinklig-dreieckige Türöffnungen in der Mitte jeder Wand. In der Mitte der Bühne niedriger dreieckiger Tisch, dessen Kanten parallel den Dreiecksseiten des Fussbodens. Die beiden Tischseiten, die den Wandseiten parallel laufen, sind mit fünf bis zehn dreieckigen Stühlen besetzt; die Stühle haben keine Lehne. Hinten vor der rechtwinkligen Ecke sitzt der Oberbürgermeister Wiedewitt, zu seiner Linken Käseberg – zu seiner Rechten von Moellerkuchen.
Wiedewitt: | (immer mit einer gelb und rot gestreiften halbkugelförmigen Kappe auf dem Kopfe; die Streifen gehen von der Mitte aus.) Kinder, ich war in der Residenz. |
Käseberg: | Ih! |
von Moellerkuchen: | Gings da den Leuten auch so schlecht wie uns? |
Wiedewitt: | Dick waren sie alle. |
Käseberg: | Und auch satt? |
Wiedewitt: | Auch satt. |
von Moellerkuchen: | Wie kam das? |
Wiedewitt: | Sie hatten eben sämtlich Uniformen an. |
Käseberg: | Ih! |
von Moellerkuchen: | Und der Uniformen wegen gings ihnen gut? |
Wiedewitt: | Ja! |
Käseberg: | Dann wollen wir in Schilda ebenfalls alle Leute in Uniformen stecken. |
Wiedewitt: | So gründe fix einen allgemeinen Uniform-Verein für Schilda und Umgegend. |
Käseberg: | Sofort! (ergreift Feder, Tinte, Papier und schreibt emsig.) |
von Moellerkuchen: | Lags aber blos allein an den Uniformen? |
Wiedewitt: | Sie hatten auch lauter hohe Titel – wie Rechnungsrat, Kriegsminister, Feldmarschall, Tambour-Major, Professor, Kanzleivorsteher u. s.w. |
von Moellerkuchen: | Das sollten wir ebenfalls in Schilda einführen. |
Wiedewitt: | So gründe Du einen allgemeinen Titular-Verein für Schilda und Umgegend. |
von Moellerkuchen: | Sofort! (ergreift Feder, Dinte, Papier und schreibt ebenfalls emsig.) |
Wiedewitt: | (klingelt, und es erscheint sofort ein Magistratsbeamter) Rufe die Ratsherren herbei und lass sie sich im grossen Versammlungssaal versammeln. (Magistratsbeamter ab mit Verbeugung.) |
Wiedewitt: | (klingelt nach ein paar Augenblicken, während die Sekretäre sehr heftig und erregt weiterschreiben, nochmals, und es erscheint ein zweiter Magistratsbeamter) Lass das Volk von Schilda in den Vorhof kommen. |
Zweiter Magistratsbeamter: | Es ist schon da. |
Wiedewitt: |
Gut! Geh! (zweiter Magistratsbeamter ab. Die beiden Sekretäre überreichen ihre Gründungsmanuskripte dem Oberbürgermeister, der sie im Handumdrehen liest und dabei das Folgende redet:) |
Magistratsbeamter: | Sie tuns bereits. |
Wiedewitt: | Gut! Geh! (Magistratsbeamter ab.) |
Draussen entsteht rechts und links ein grosses Hailoh der Ratsherren, mit dem sich Hurrah-Geschrei des Volkes mischt. Wiedewitt schmunzelt. Der Vorhang fällt.
