Tarub Bagdads berühmte Köchin

Das achte Kapitel.

Und als es abermals Morgen ward, schien die Sonne so, als wenn Garnichts los wäre.

Jedoch —  die lauteren Brüder, die allmählich erwachten, hatten gleich das Gefühl, daß in ihren Köpfen was los war —  oder was losgehen wollte…

Durch die persischen Eichen, die auf der Tigristerrasse mächtig aufwuchsen, wehte ein sanfter Wind, der leider garnicht kühl werden wollte.

Safur erwachte unter einem blühenden Oleanderbaum.

Der Dichter Buchtury erwachte neben großen weißen Lilien, die das eirunde, rot und weiß gemusterte Fliesengetäfel in der Mitte der Terrasse umzäunten.

Buchtury sah die Lilien, den Safur und eine hohe Leiter. Er hob diese Leiter auf, stellte sie senkrecht auf das rot und weiß gemusterte Fliesengetäfel und bat ein paar Freunde, die gerade nicht wußten, was sie anfangen sollten, die Leiter festzuhalten.

Und dann kletterte der Dichter auf die Leiter rauf, sodaß sein Kopf die grünen Blätter einer sehr hochgewachsenen persischen Eiche berührte.

Und in dieser Höhe begann der berühmte Tofaily, der nichtswürdige Prasser —  zu krähen.

Mit krächzenden Lauten schrie er drauf in den Morgenwind seine Leib—  und Magenverse hinein.

Von seiner Leiter starrte Buchtury auf die Terrasse runter wie ein müdes Pferd.

Des Dichters Augen waren verglast.

Den Safur sah er ganz blöde an und schrie:

»Ihr, die Ihr so viel dichtet, Ihr habt die Kunst vernichtet!
Die schönste Kunst des Lebens — Die lerntet ihr vergebens
Ihr habt ja ganz vergessen, Euch gründlich satt zu essen.
Den Magen vollzuschlagen, Ist doch das Hauptbehagen.
Das ist die schönste Kunst, Das Andre ist nur Dunst!
Beim Hahnenkampf und Hochzeitsschmaus,
Bei alten Bettlern seid zu Haus!
Wo Kinder geboren, Leichen begraben,
Ist allzeit auch was zum Essen zu haben.
In Keller und Küch‘, beim Würfelspiel,
Oh, Kinder, da gibt’s zu essen viel.
Gut essen, Freunde, ist immer fein —
Ihr müßt nur eifrig dahinter sein!
Ihr schaut viel zu viel nach den Sternen,
Ihr müßt erst das Essen erlernen.
Salbet den Magen an jedem Morgen —
Laßt Euch die Salbe vom Krämer borgen!
Laßt Euch kneten den vollen Leib —
Lustig ist dieser Zeitvertreib!
Vergeßt nicht täglich öfters zu baden,
Oh —  baden —  baden nie kann das schaden!
Tut überall nur, als wärt Ihr zu Haus!
Seid auch nicht ärgerlich, lacht man Euch aus!
Schlägt man die Tür Euch zu vor der Nas‘ —
Tut so, als wär’s ein lustiger Spaß!
Klettert durch den Schornstein herein!
Mutig muß der Hungrige sein!
Ich hab oft schon Prügel empfangen —
Oft mit dicken eisernen Stangen.
Das war mir Alles ein lustiger Spaß —
Wenn nur erst da war ein leckerer Fraß.
Dann gab’s nicht mehr Geschwätz und Getu —
Sofort war fort die freundliche Ruh.
Mit den Fäusten packt‘ ich die Keulen an —
Mit zween Fingern hab‘ ich das nie getan.
Wie kleine Mädchen ‚zierlich‘ zu speisen —
Das überließ ich schwächlichen Greisen.
Den Nachbarn hab‘ ich nie angeschaut.
Beim Essen sprach ich nicht einen Laut.
Wie gerne mocht‘ ich riechen Gebratne Federviehchen!
Einst konnt‘ ich wie ein Löwe fressen —
Doch die Zeit hab ich längst vergessen.
Täglich aß ich ein Rind und zehn Tauben —
Heute will mir das Keiner mehr glauben.
Ich könnt‘ so Manches noch sagen
Von meinem Magenbehagen.
Bei Allah! Wie wetzt ich die stahlharten Zähne!
So wie in der Wüste die böse Hyäne —
Ich leckte, kaute, kratzte, fraß —
Ganz unbezahlbar war der Spaß!
Nun leider wollen die Glieder nicht mehr —
Sie sind zu trocken, sie sind auch zu schwer.
Doch was fletscht Ihr mit Eurem Nilpferdgebiß?
Die Geduld mir bei Eurem Anstande riß!
Was? Faul, alt und gebrechlich tut Ihr?
Was? Mit knurrendem Magen ruht Ihr?
Auf! In die Welt! Den Würsten entgegen!
Kinder! Hier habt Ihr gleich meinen Segen!«

Und Buchtury steht hoch oben auf der Leiter unter der persischen Eiche mit hocherhobenen Armen wie ein Schornsteinfeger da.

Indessen —  der junge Safur wird jetzt sehr ärgerlich. Er ist ja der größte Feind der Vielesserei.

Buchtury wollte den Safur nur höhnen.

Dieser ruft daher sämtliche Tofailys zusammen und setzt ihnen auseinander, daß das Sattsein durchaus nicht anständig sei.

Diese Rede wurde mit sehr drolligem Beifall aufgenommen, da’s ja die Tofailys gewöhnlich garnicht zum Sattessen hatten.

Daran hatte der kluge Safur garnicht gedacht.

Die Tofailys aber verlangten nun von Safur einige Leckereien, sie hielten es nach der Rede über die Unanständigkeit des satten Magens für notwendig, sich in der Enthaltsamkeit zu üben.

Und dem armen Safur half Nichts —  er mußte ein Frühstück besorgen.

Da er kein Geld besaß, mußte er mit schwerem Herzen seinen langen Dolch versetzen.

Suleiman und Kodama hatten sich fortgestohlen.

Abu Hischam besaß nie was.

Die Tofailys ließen sich demnach auf Safurs Kosten ein herrliches Frühstück geben —  frische Fische aus dem Tigris.

Safur sprach mit sehr saurer Miene über die Vorzüge dieser frischen Fische und bestellte noch, da er ja den Dolch doch nicht mehr retten konnte, einen dicken Schlauch mit Wein.

Demzufolge war die Gesellschaft sehr bald wieder betrunken —  —  —

Der Tigris plätscherte unten am Ufer spöttisch lächelnd vorbei, umspülte die Rosengebüsche, die Granatbäume, ein paar stille Palmen und die persischen Eichen —  floß dann nach Bassora und dann ins große Meer.

Safur, Abu Hischam und die Tofailys tranken unheimlich.

Und ein toller ausgelassener Geist kam in die Gesellschaft.

 

Der jüdische Weinwirt schüttelte bedenklich das lockige Haupt.

Buchtury fiel über die Lilien den Abhang hinunter —  in den Tigris.

Der jüdische Weinwirt rettete den Betrunkenen, was nicht ganz gefahrlos erschien.

Nach diesem Unfall brachen die Zecher auf und wohnten in der Nähe der Terrasse in der Sattelgasse einem Hahnenkampfe bei.

Safurn kam, als er die wütenden Hähne mit ihren scharfen Sporen aufeinander loshacken sah —  eine gräßliche Erinnerung.

Er dachte plötzlich an seine Tarub —  —  beim Barte des Propheten! —  die Erinnerung war peinlich!

Tarub pflegte, wenn Safur betrunken ohne Dolch nach Hause kam, ebenfalls wie ein Hahn auf den betrunkenen Dichter loszuhacken.

Safur ward daher ingrimmig und rannte davon.

Aber er ging noch nicht zur Tarub zurück.

Er trank sich erst in einigen Weinkellern —  Mut. Und dann ging er in die Moschee und zankte sich mit einigen Koranstudenten.

Und dann ging er zu den Sängerinnen der alten Dschellabany und klagte den Mädchen sein Leid.

Er ließ sich ruhig auslachen, lachte sich selber aus —  wurde jedoch immer betrunkner und immer gereizter.

Er fluchte auf die Tarub, als wenn sie an seinem Rausch die Schuld trüge.

Wie’s Nacht geworden und die Sterne funkelten, stand der Dichter vor Saids Gartenmauer und wußte nicht, wie er da hingekommen. Er knirschte fürchterlich mit den Zähnen.

Der sonst so kluge Dichter konnte sich nicht gerade halten —  schwankte wie ein Rohr im Winde.

Schlotternd hing dem Wüstlinge das braun und blau gestreifte Beduinengewand um die Glieder rum.

Und die Welt war so schrecklich heiß.

Und Safurs Kopf war so schwer wie Blei.

Und des Dichters Herz klopfte wie ein Schmiedehammer.

Und des Dichters Hände zitterten wie die Blätter der Pappeln, wenn der Wind hindurchfährt.

Ach —  schließlich kletterte Safur über die Gartenmauer, fiel in eine Dornenhecke, zertrampelte ein Tulpenbeet, stieß sich den Kopf an einem Birnenbaum und stieg darauf etwas blutend und voll Schmutz durch das Küchenfenster in Tarub’s Küche.

Tarub sieht ihn, erschrickt, wird aber gleich furchtbar wütend und wirft ihrem Geliebten einen braunen Milchtopf mit Milch an den Kopf, daß dem armen Dichter die weiße Milch übers braune Gesicht rinnt.

Dann schreit die Tarub wie eine Verrückte und haut ihrem Geliebten mit einem Schrubber auf den Kopf.

Safurn wird die Sache zu toll. Er packt seine berühmte Köchin an die Gurgel.

Aber ach! —  in dieser wüsten Nacht ist er schwächer als seine berühmte Köchin.

Sie verprügelt ihren Geliebten und wirft ihn durchs Fenster in den Garten.

Töpfe, Flaschen, Kruken, Holzstücke, Gläser, Eimer voll Wasser —  und alte Fleischstücke —  greulich! —  alles Dieses fliegt dem fein gebildeten Feinschmecker, dem großen Dichter —  an den Schädel.

Und der betrunkene Dichter flieht.

Und die Tarub, Bagdads berühmte Köchin, wütet in ihrer Küche wie eine toll gewordne Dschinne auf dem Demawand.

Niemand wagt es mehr, in Tarub’s Küche zu steigen —  in dieser Nacht ist es ganz unheimlich in Saids Hause.

Die Tarub wütet und schlägt manchen schönen Topf kurz und klein.

Der Dichter flieht —  aus dem Garten raus —  weit fort —  er flucht jetzt auf die Tarub —  wie ein Kameltreiber.

Häßliche Schimpfworte schreit er in die Nacht hinaus und knirscht dazu mit den Zähnen.

In der Ferne blitzt es —  greulich grell.

Unheimlich ist diese Nacht!


Das neunte Kapitel.

Wie nun wiederum der Morgen graute, stand der Dichter Safur am Tigris und starrte nach Osten.

Berauscht sah der Dichter Safur nicht aus —  aber —  ein wenig verwüstet und ein wenig verkommen; das dünne Gewand war seltsamer Weise nicht zerrissen —  ganz war’s geblieben —  indessen —  schrecklich schmutzig war’s geworden —  Blut, Wein, Milch, Staub, Blumensaft und Straßenpfützen hatten die braun und blau gestreifte Baumwolle höchst unregelmäßig gemustert.

Und Safur starrt —  halb blöde, halb verträumt —  nach Osten. Da wird’s über den breiten spiegelhellen Wassern des Tigris immer bunter.

Die Sonne geht auf.

Langsam hebt sich die brennendrote Scheibe aus den Fluten des Tigris raus.

Und der Tigris glänzt jetzt auch brennendrot.

Safur starrt in die heiße Farbenpracht und sieht plötzlich über der roten Sonne in den glühenden Wolken ein schwarzes Gesicht —  das schwarze Dschinnengesicht, das er bei der Sareppa sah, als ihm dort die Beduinen von den Schrecken der Wüste berichteten…

Purpurne und goldene Wolken umrahmen wunderlich das schwarze Gesicht, das nun die großen blauen Augen weit aufreißt.

Der Blick der Dschinne ist furchtbar.

Safur taumelt zurück.

Dabei bemerkt er aber, daß rechts von der Sonne noch zwei Dschinnengesichter vorkommen und links von der Sonne gleichfalls.

Die neuen Gesichter sind etwas zur Seite gelehnt, daß alle fünf Gesichter wie ein Kranz die Sonne einschließen.

Und die Gesichter sehen ganz gleich aus.

Ihre blaßbläulichen schmalen Lippen öffnen sich ein wenig und zeigen weiße fest zusammengepreßte kleine Zähne.

Safur traut kaum seinen Augen, blickt in den höher gelegenen Himmel hinauf —

Doch da beginnt er zu zittern, dort höher oben zeigt sich ein zweiter Gesichterkranz; die Gesichter sind nur viel größer und viel schrecklicher.

Und über dem zweiten zeigt sich ein dritter Gesichterkranz —  der ist noch größer —  fast noch einmal so groß.

Der ganze Himmel füllt sich mit schwarzen Dschinnengesichtern, die langsam aus dem dunklen Himmelsblau herauskommen und auf den Safur zuzustreben scheinen.

Ganz oben am Himmel sind die Gesichter riesengroß —  die schwarzen Haare flattern wild um die schwarzen Ohren und um die schwarzen Stirnen —  —  doch so wie die Haare an dem einen Gesichte flattern —  genau so flattern sie auch an dem andern.

Und den Dichter packt die Angst. Ihm schlottern die Knie. Er sieht plötzlich Nichts mehr. Ihm wird schwindlig, und er bricht bewußtlos zusammen.

Nach einer Weile hört er dann ein gellendes Pfeifen, als wenn ein schneller Wind vorübersause. Gleichzeitig wird vor seinen Augen Alles rot…

Der Dichter will die Augen öffnen, kann’s aber nicht —  er glaubt, er sei blind geworden.

Er ringt die Hände und schreit.

Dadurch kommt er wieder zu sich, seine Augen öffnen sich, und —  Bagdad mit dem Tigris liegt vor ihm. Drüben am Ufer erhebt sich der Garten des reichen Battany.

Safur befindet sich auf einer Anhöhe und kann weit herumblicken.

Der Himmel ist tiefblau.

Die schwarzen Gesichter sind fort.

Safur aber hat die Gesichter nicht vergessen, er springt auf, blickt sich scheu um und rennt wie ein Rasender nach Battanys Landhaus.

Er klopft dort heftig an die kleine Gartentür —  und die wird auch gleich geöffnet —  der Hausmeister öffnet selbst —  kriegt jedoch beim Anblick des Dichters ein so erschrockenes Gesicht, daß das seine dem der großen Dschinne nicht unähnlich sieht.


Der Hausmeister hört garnicht mehr, was der Dichter sagt, läßt ihn hinein und geht mit großen Schritten davon —  zu seinem Herrn.

Battany steht in seinem —  Harem —  und —  grübelt.

Seine Frauen liegen in prächtigen bunten Seidengewändern auf den Teppichen und langweilen sich.

Eine Perserin spielt eintönig auf einem langen Saiteninstrument, das mit blitzenden Diamanten verziert ist.

Eine kleine Ägypterin schlägt dazu ein paar glockenförmige Zymbeln von Zeit zu Zeit leise an einander.

Grün schillernde Fliegen summen durch das große Gemach.

Die Frauen wehren mit ihren Fächern die Fliegen von sich ab.

In großen kupfernen Eiskübeln taut laut tropfend das Eis.

Oben an den bunt bemalten Holzwänden bewegen sich leise kleine Sonnenlichter, die durch die großen zierlich geschnitzten Windlöcher sich hineinstehlen in den großen stillen Harem des reichen Al Battany, dessen Frauen sich immer langweilen.

Der Harem ist ganz mit großen Granatbäumen umgeben, damit’s nicht zu heiß wird in den üppigen Gemächern.

Und der Hausmeister kommt an.

Er stürzt seinem Herrn zu Füßen.

Die Frauen richten sich auf.

Der Hausmeister sagt ängstlich:

»O Herr, der Dichter Safur ist da. Aber ich glaube, er ist wahnsinnig geworden.«

Die Frauen schreien.

Battany läßt sich in seiner Sänfte in den Garten tragen.

Zwei schwarze Sklaven halten von hinten hoch über Battanys indischer Goldmütze einen großen roten Sonnenschirm.

Sehr langsam wird Battany getragen.

In seinem Landhause geht Alles langsam zu; laufen darf dort Niemand —  auch die Sklaven dürfen nicht laufen.

In seinem kleinen, leicht gebauten Bücherkioske will der Astronom den Dichter empfangen.

Safur kommt rasch durch die Olivenallee näher.

Der Bücherkiosk liegt da so ruhig wie eine Krone auf einer kostbaren Stickerei.

Die kostbare Stickerei besteht hier aus ganz kurz geschornen grünen Rasen, die von bunten Schnörkeln zierlich durchzogen sind.

Die Schnörkel —  teilweise indische Buchstaben —  werden von kleinen Tulpen gebildet.

Es wurden aber nur drei verschieden gefärbte Tulpenarten verwandt.

Die einen sind rotlila, die andern weißgelb und die dritten graublau.

Diese drei Farben heben sich wunderbar vom dunklen Rasengrün ab.

Und da, wo auf dem Grünen keine Tulpen wachsen —  da sitzen rote, blau und grün, gelb und schwarz, weiß und graugefleckte Papageien fürchterlich steif auf glattgeschnittenen dünnen Holzästen, die alle mit weißem Silber beschlagen sind.

Die bunten Papageien machen einen —  so gelehrten Eindruck —  scheinen alle sehr belesen —  sehr belesen —  denn sie sind ja vor dem Bücherkioske angekettet.

Sehr saubre orangefarbige nicht gemusterte Fliesenwege durchziehen in weichen Linien die kurzgeschorenen Rasen, auf denen die Tulpen blühen und die Papageien angekettet sind.

Riesige Bananen umschließen im genau abgezirkelten Kreise das glatte peinlich saubre Gartenkunststück.

Und hierhin stürmt mit raschen Schritten der wilde Dichter Safur.

Oh! Oh! Wie Battany zusammenschrickt!

Der riecht gleich, was los ist.

Säuferwahnsinn hat den Dichter gepackt —  Säuferwahnsinn!

Die Sklaven müssen sich entfernen.

 

Battany und Safur wandeln zusammen über die orangefarbigen, nicht gemusterten Fliesenwege —  doch nur dort, wo das weit ausladende Dach des Bücherkioskes noch Schatten spendet.

Safur erzählt wütend von der Tarub und von der Dschinne —  wild durcheinander.

Battany hört nur, daß Safur Tag und Nacht und wieder Tag und Nacht und wieder Tag und Nacht getrunken und sich schließlich mit seiner Tarub erzürnte.

Der reiche Astronom ist daher auch sehr erzürnt, wirft dem leichtsinnigen Dichter seinen höchst lüderlichen Lebenswandel vor und sagt ihm am Ende:

»Mein lieber Safur! Mit Dir ist wirklich Nichts mehr anzufangen. Du kannst das Trinken nicht mehr lassen. Du wirst noch ganz und gar verkommen. Ich verstehe Dich nicht. Du kannst nie aufhören. Du bist eben ein Gewohnheitssäufer geworden. Kannst Du Dich denn nicht daran gewöhnen, mit den Andern nach Hause zu gehen? Mußt Du immer so lange trinken, bis Du im Rinnstein liegst? Du hast das doch gar nicht nötig!«

Dem Safur brummt der Kopf, ihm zittern die Glieder, Battanys laute Stimme ist ihm schrecklich…

Kleinlaut versetzt der Dichter:

»Sieh mal, Battany, Du hast nicht das durchzumachen, was ich durchzumachen habe. Glaubst Du, es sei so leicht, mit einem Weibe auszukommen, von dem man abhängt. Du weißt —  wenn ich die Tarub nicht hätte —  könnt‘ ich nicht mehr leben. Zum Betteln bin ich zu stolz. Aber wenn ich’s recht bedenke, müßt ich auch zu stolz sein, bei dieser Tarub zu leben. Ich kann mit der Tarub nur dann weiter leben, wenn ich ihr Herr bin und sie meine Sklavin ist. Kannst Du nicht, Battany, diesem Said die Tarub abkaufen —  —  —  und —  und mir schenken? Tu’s doch! Sei mein Freund!«

Battany lächelt verächtlich.

Er setzt dem Safur dann, ohne auf seinen Vorschlag einzugehen, auseinander, daß er des Abends eine große Tigrisfahrt unternehmen möchte. Der Said, die Abla und die Sailóndula und auch die Tarub sollen mitkommen.

Battany will zwischen Safur und Tarub vermitteln.

Dem Safur schmerzt der Kopf.

Ihm ist Alles recht.

Innerlich ist ihm ganz klar, warum er trank.

Daß er von der Tarub so ganz und gar abhängt —  das hat ihn nach seiner Meinung zum Säufer gemacht.

Also denkt der Dichter gewöhnlich, wenn er seinen Dolch versetzt und viel zu viel getrunken hat.

Er pflegt dann auch seinen Freunden vorzuwerfen, daß sie sein Verhältnis zur Tarub nur deshalb für ganz gut hielten, damit er nicht seinen lieben Freunden zur Last zu fallen brauche.

Diese Vorwürfe spricht der Dichter, der immer sehr vorsichtig ist, natürlich nicht laut aus.


Und Safur soll baden.

Er tut’s —  in Battanys wunderbarem Teiche, der in einem kleinen Talkessel liegt.

In dem Teiche blühen blaue Lotosblumen.

Die großen Lotosblätter schwimmen auf dem Teiche wie riesige Topfdeckel.

Die Sklaven reinigen des Dichters Kleid.

Und nach dem Bade wird der Dichter von den Sklaven mit wohlriechenden Ölen gesalbt.

Die Baumwolle reinigen die Sklaven mit wohlriechender Seife.

Safurn wird ein bißchen besser.

Er bekommt auch was zu essen.

Und dann steigt er in eine Sänfte und wird sanft mit Battany aus dem Garten raus —  zum Said und zu seiner Tarub getragen.

Unter den beiden roten Sonnenschirmen, die groß, rund und steif sind, wird die Haut der beiden Männer auf den Sänften auch ganz rot.

In Battanys Harem wird’s wieder lebhafter: der Hausmeister muß erzählen —  von Safur und von der alten Dschellabany.

Die Frauen sind schrecklich neugierig.

Und dann baden die Frauen in demselben Teiche, in dem Safur badete —  wo die blauen Lotosblumen blühen und die großen Lotosblätter herumschwimmen.

Die Frauen baden unter hellgelben und hellblauen seidenen Sonnenschirmen —  die Schirme sind riesig groß.

Und die nasse Haut der gelben Inderinnen spiegelt das Grün der Lotosblätter und auch die blauen und gelben Töne der Sonnenschirme, daß die Haut so bunt schillert —  wie entzückende Perlmutterschalen.

Wunderbarer noch spielen die verschiedenen Lichtfarben auf den Leibern der weißen Armenierinnen.

Und die Leiber der schwarzen Frauen werden ebenfalls ganz bunt.

Doch —  Battanys üppige Haremsfrauen langweilen sich auch im Bade —  sie sehen die Farbenpracht der Lichtspiele nicht auf ihrer schön gepflegten Haut.

Und wie die nassen Glieder der Frauen müde unter den blauen und gelben Sonnenschirmen am Ufer liegen —  im Grase —  da spielen die Lichtfarben noch viel großartiger auf den prächtigen üppigen Leibern, die sich räkeln mit Arm und Bein —  —  —  dadurch werden die Glieder noch immer reizvoller —  unbeschreiblich!


 

Das zehnte Kapitel.

Der Wind bläst in die Segel, und die Barken schießen stromauf.

Die Wellen schaukeln.

Es ist angenehm kühl auf dem Tigris.

Es ist Nacht.

Der Mond steht fast voll hoch am Himmel.

Suleiman hat ein Märchen erzählt.

Nun soll Safur eine wahre Geschichte erzählen.

Sie sitzen in Saids großer Barke —  hinten —  hinter dem großen Segel.

Battany und seine sieben Freunde sind’s, die in Saids großer Barke sitzen.

Said mit seinen drei Köchinnen ist auch in der Barke.

Die Tarub zerschneidet vorne eine große Nußtorte und kümmert sich nicht um die Gesellschaft.

 

Und Safur, der sehr ernst dreinschaut, erzählt:

»Ein junger Beduine saß bei der alten Dschellabany und trank mit ihren hübschen Sängerinnen —  Wein. Das Trinken war sehr gemütlich, denn die Sonne stand noch sehr hoch. —  —  —  Die Mädchen sind ein bißchen faul, und der Beduine spaßt nicht mehr mit ihnen, sondern erzählt ihnen was von seiner Geliebten, die ihm alle Tage zu essen und zu trinken gibt. Die Mädchen lachen und schauen sich den Beduinen sehr genau an. Der aber erzählt weiter, daß er seinen schönen Dolch versetzt und nun große Furcht vor seiner Geliebten habe. Da müssen die Mädchen noch mehr lachen —  und sie trinken, als wenn’s Garnichts kostet. Mit leeren Taschen geht daher später im Sternenschein der junge Beduine von dannen —  nicht grade —  das kann er nicht —  aber schwankend und mit schlotternden Gliedern. Er klettert über einen Zaun in einen Garten. Die Blumen duften da paradiesisch —  und goldene Äpfel fallen dem Beduinen auf die Nase. Der Himmel wird ganz dunkelblau. Ein paar Sterne fallen aus dem dunkelblauen Himmel —  auch herunter in den Garten, in dem die Blumen leuchten und duften wie im Paradies. Der Beduine schwankt weiter und will sich in ein Fenster schwingen, hinter dem seine Geliebte wohnt. Ein Duft von gebratenen —  Hasen weht ihm aus dem Fenster entgegen. Doch plötzlich fühlt er was Nasses auf seinem Kopf und sieht Nichts mehr. Ein großer Eimer ist ihm übern Kopf gestülpt, und frische Kuhmilch rieselt ihm über seinen ganzen Leib —  frische Kuhmilch!«

Safur lacht, und die Andern lachen auch.

Dann fährt er fort:

»Kaum hat der Beduine den Eimer vom Kopf gerissen, so klatscht ihm eine dicke Rindskeule an die rechte Wange. Der Beduine wird wütend, springt ins Fenster hinein und packt —  packt seine Geliebte. Die reißt sich aber los und schlägt ihm mit einem Stück Holz übern Kopf. Der Beduine wird immer wütender. Doch seine Geliebte schlägt ihm mit einem Wasserkrug um die Ohren, daß der Krug in tausend Stücke zerbricht. Dann wirft sie nach ihm mit Eisstücken und gläsernen Flaschen, mit Schutt und Müll, mit Fischköpfen und faulem Obst, mit Bratpfannen und schmutzigen Lappen —  daß der arme Beduine zurücktaumelt zum Fenster. Wie er aber am Fenster ist, hat sie ihn rasch an den Beinen gepackt und ihn kopfüber in den Garten geworfen — «

Jetzt kommt Safur nicht weiter, denn Alles lacht, daß die Barke bedenklich ins Schaukeln gerät.

Safur lacht jetzt aber nicht.

Die Tarub bringt die Nußtorte und wird mit einem Höllenlärm empfangen.

Der Scherbettbecher geht wieder von Hand zu Hand.

Es wird fast wüst.

Die Mädchen werden gekniffen und geküßt.

Safur kümmert sich aber nicht um den Lärm.

Er blickt hinaus in den Urwald am Ufer und beachtet nicht, daß man seine gute Laune preist und ihn einen echten Dichter nennt, der das Leben von der lustigen Seite zu fassen vermag.

Safur blickt in die Waldespracht, die sich am Ufer hinzieht im vollen Mondenschein.

Die blauen großen Lotosblumen leuchten am Ufer —  wie Dschinnenaugen.

Und der Dichter muß wieder an seine Dschinne denken und an die Wüstengeister.

Und er leidet —  leidet, wie ein Beduine leidet, der in der Wüste verdursten muß.

Aus dem Waldesdickicht am Ufer tönt zuweilen das Geheul wilder Tiere heraus. Die fliehen aber, denn neben und hinter der großen Barke segeln drei kleinere, die dem Battany gehören.

In diesen kleineren Barken sitzen Battanys Bogenschützen, die die wilden Tiere mit giftigen Pfeilen verscheuchen.

Safur sieht wieder vor sich das Dschinnengesicht —  das er bei der Sareppa sah.

Diesmal sieht er das Gesicht im Wasser neben weißen Wasserrosen —  das Gesicht scheint im Wasser unterzugehen, sieht so qualvoll aus.

Und Safur liebt dieses Gesicht.

Und er seufzt, daß es kein lebendes Wesen ist, daß es kein Weib ist.

Der Leidende sehnt sich nach der Leidenden.

Und er liebt seine Dschinne und vergißt Alles —  was um ihn vorgeht.

Da stößt ihm die Tarub derb in die Seite.

Und er schrickt zusammen.

Die blauen Blumen am Ufer leuchten unter den großen Bananen —  unter den dicken Stämmen der hohen Sagopalmen —  wie die blauen Dschinnenaugen der Wüste.


Battany flüstert mit Abu Hischam.

Und wie der Mond in voller Pracht erglänzt, landet man am Ufer.

Man will das Grab des Abu Nuwâs besuchen —  jenes großen Dichters, der noch zu Haruns Zeiten lebte und blutarm starb wie ein Lump —  und der dann sehr berühmt wurde, sodaß seine Verse bald in Jedermanns Munde waren.

Das Grab des Abu Nuwâs ist ganz mit gelben Rosen bedeckt —  ganz mit gelben Rosen.

Gelb ist die Farbe des Königs —  in Persien und in andern Ländern, die von Bagdad nicht weitab liegen.

»Abu Nuwâs!« murmeln jetzt die Männer, die des großen Dichters Grab besuchen.

»Abu Nuwâs!« murmeln auch die drei Frauen.

Die Pechfackeln der schwarzen Sklaven knistern und flammen hoch auf.

Die Gesellschaft ist plötzlich ganz ernst und ganz still geworden.

Suleiman liest mit leiser Stimme die Grabschrift, die auf einem kleinen Alabasterblock mitten unter den gelben Rosen in zierlichen Schriftzügen zu lesen ist.

Abu Nuwâs hat sich die Grabschrift, die Suleiman leise liest, selbst gedichtet.

Sie lautet:

»Leb doch, wie’s Dir grade paßt! Machst Dich nur dadurch verhaßt! Hast Du Alles mal verpraßt, Kannst Du wirklich Nichts mehr erben — Darfst Du doch noch friedlich sterben: Stirb nur! Selbst die Dichter sterben!«

Kodama räuspert sich und will was sagen, Battany kommt ihm aber zuvor.

Battany sagt zum Safur, der wieder sehr ernst dreinschaut:

»Lieber Freund, kannst Du uns nicht auch ein paar Verse zu hören geben? Du bist heute so ernst —  laß Dich nicht lange bitten.«

Safur nickt und spricht nach einer Weile, in der nur die Fackeln knisterten:

»Du ruhst nun unter Rosen aus — Oh, der Tod hat Dich befreit! Und milder wird mein Schmerz um Dich, Da ich weiß, Du fühlst kein Leid.«

Und Safur empfindet eine so gequälte Stimmung.

Ihm ist, als täten ihm die Fingerspitzen weh.

Sein ganzer Körper empfindet so fein, daß er jeden Luftzug zu spüren glaubt.

Er hört den Tigris leise rauschen.

Und er hört in der Ferne wilde Tiere heulen.

Und er sehnt sich nach einem Wesen, dem er mitteilen kann, wie er eigentlich immer leidet —  etwas Unerklärliches leidet, das die andern Menschen nicht kennen.

Ihm ist oft so, als sehne er sich nach einem Weibe, das er lieben kann.

Aber er weiß, daß es solches Weib nicht gibt.

Bei diesen Gedanken sieht er drüben neben Said seine Tarub stehen —  drollig ernst…

Und Safur muß lächeln.

Doch Battany spricht jetzt —  auch sehr ernst:

»Freunde! Ihr wißt, der große Philosoph Abu Hischam, der unter uns weilt, wollte einen Gelehrtenbund gründen. Ich glaube, dieser Augenblick am Grabe des größten arabischen Dichters ist so schön und feierlich, daß wir dem Abu Hischam, der ein kluger, tatkräftiger Mann ist, wohl eine Freude bereiten, wenn wir uns hier am Grabe die Hand reichen und die Gesellschaft, die wir bilden, die Gesellschaft der lauteren Brüder nennen. Ich hoffe, unser Kreis wird bald größer werden.«

Und Alle reichten sich die Hände, sodaß sie einen Ring um das Grab bildeten.

Sehr drollig sah’s zwar aus, daß auch die drei Frauen und der dumme Said im Ringe waren.

Doch die Gesellschaft machte trotzdem einen sehr feierlichen Eindruck.

Den Mond umkränzten rötliche Wolken —

In der Ferne am andern Ufer zuckte ein bläuliches Licht auf —  es blitzte —

Die Fackeln knisterten und flackerten hell.

Als sich die Hände der lauteren Brüder von einander lösten, warf Abu Hischam seine armenische Pelzmütze hoch in die Luft, worüber Alle lachten.

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