Rakkóx der Billionär

DAS NEUE MILITÄR

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»Es war vorauszusehen, daß einem vorgeschrittenen Militarismus das Menschenmaterial bei Fruktifizierung kriegerischer Ideen nicht auf die Dauer genügen könnte. Und so ist die Herstellung eines neuen Militärs allgemach zum tief gefühlten Bedürfnis geworden. Der Mensch ist als Soldat zu schwächlich und zu rücksichtsvoll. Der Automat ist als Soldat zu kostspielig und nicht imstande, sich rechtzeitig zurückzuziehen. Somit bleibt bei Herstellung eines neuen Militärs nur die Tierwelt zu berücksichtigen übrig. In der Tierwelt finden wir unzählige Lebewesen, die weder schwächlich noch rücksichtsvoll sind, auch nicht zu kostspielig genannt werden dürfen, da ihnen grade der Hunger erfahrungsgemäß die allergrößte Rücksichtslosigkeit verleiht; außerdem haben sämtliche Tiere die genügende Intelligenz, sich rechtzeitig zurückzuziehen.
Unsere Aufgabe ist daher, Tierregimenter zu schaffen. Nur durch gut organisierte Tierregimenter kann dem alt gewordenen Militarismus unsrer Zeit neue Lebenskraft eingeflößt werden.
Die Unterzeichneten empfehlen nun in erster Reihe Heranziehung der größeren Tiersorten. Die Dressur der vierfüßigen Dickhäuter bereitet bekanntlich keine nennenswerten Schwierigkeiten. Und auch die Dressur der Walrosse und Seelöwen wird den großen Tierbändigern unsrer Zeit ein Leichtes sein. Die Walrosse und Seelöwen sind mit umfangreichen kugelsichern Kork-Panzer-Hemden auszurüsten, und künstliche Riesenflossen aus Aluminium und Stahl müssen die natürliche Flossenkraft ganz gewaltig heben; mit solchen Kunstflossen läßt sich jedes Meer mit Leichtigkeit orkanartig aufregen.
Die meisten Tiere können die Waffen – auch die Schießwaffen und Geschütze auf dem Kopfe wie einen Hörnerschmuck tragen. Dem Offizierskorps der Tierregimenter dürfen natürlich nur erprobte Tierbändiger angehören. Die Ausarbeitung der Ideen über die beste Art der Verwertung tierischer Gliedmaßen ist selbstverständlich Spezialaufgabe des Generalstabes. Die Rüssel der Elephanten können z.B. zu Schleudermaschinen ausgebildet werden; die Löwen wären am wirksamsten zusammengekoppelt zu gebrauchen.
Sehr interessant wird sich die Uniformfrage gestalten; sie läßt sich hier nur nicht so kurz abtun. Jedenfalls wird über die beste Uniformierung der Auerochsen, Giraffen und Kamele innerhalb drei Tagen eine besondere Broschüre erscheinen; allen Anforderungen der militaristischen Tradition soll nach besten Kräften Rechnung getragen werden.
Man kann fernerhin nicht bestreiten, daß sich viele Vögel sehr wohl zu Heereszwecken eignen. Die Krähenvölker ließen sich leicht mit Cyankalispritzen bewaffnen, und die Adler, Eulen und Störche könnten abgerichtet werden, kleine Dynamitbomben im richtigen Momente fallen zu lassen.
Über fein gegliederte Schlauchbomben, die nur mit Pestbazillen gefüllt werden sollen, schreibt das Obergenie Schmoller-Käsebauch ein zweibändiges wissenschaftliches Werk.
Was über die methodische Züchtung von Ungeziefer zu Kriegszwecken zu sagen ist, findet…« Hier sank dem Billionär der Plan aus der Hand und fiel ihm tatsächlich zu Füßen. »Merkwürdig!« murmelte der dicke Herr und erhob sich.
»Mein Personal glaubt wohl«, fuhr er stehend fort, »es sei nichts leichter, als sich über mich lustig zu machen. Merkwürdig! Weil ich mich über Alles lustig mache, will man mir das heimzahlen. Personal!«
Und er bückt sich und hebt das Manuskript noch einmal auf, blättert in den hinteren Pergamentseiten und findet dort ein Kapitel, das sich »über die Verwendung der Heringe beim submaritimen Kriege« eingehend ausspricht.
Oho! Er liest das Kapitel nicht, aber interessieren tuts ihn mächtig; submaritime Angelegenheiten sind ihm allzeit lieb und teuer gewesen.
Nach längerem Nachdenken telegraphiert der allmächtige Billionär an den Direktor seiner Erfindungsabteilung: »Schnell kurzen Artikel über die Endziele der submaritimen Kriegstechnik abfassen. Aber ernst! Das Große soll nicht bloß für die Narren sein. Rakkóx.«
Der Nabob begibt sich in seinen Höllensaal, allwo er gewöhnlich zu frühstücken pflegt. Der Höllensaal ist mit feuerrotem Tropfstein erbaut, die Wande sind zu symmetrisch verteilten Grottennischen ausgebildet. Der ganze Saal ist, obgleich die Formen des Tropfsteins so blieben, wie sie waren, mit fanatischer Symmetrie gearbeitet. Vor jeder Nische steht eine goldene Urne, in der schwarze Tulpen blühen. Selbst die Anzahl und die Formen der Tulpen sind symmetrisch angeordnet. In der Mitte steht der Frühstückstisch, über dem eine riesige tausendkantige Smaragdampel brennt. In den feuerroten Tropfsteingrotten brennen viele elektrische Flammen – wirksam versteckt. Auf dem weißen Tischtuch schieben sich die grünen und roten Lichtkegel über- und untereinander. In den goldenen Urnen gleißt es gleichfalls grün und rot.
Rakkóx ist kaum beim elften Gericht angelangt, da stört ihn ein dumpfer Glockenton – und herein stürmt ein weiß gekleideter Diener, legt sanft ein neues Pergament-Manuskript auf den Frühstückstisch und eilt lautlos über den kaminroten Teppichpelz, der den Fußboden des ganzen Saales bedeckt, wieder hinaus. Vor dem Billionär liegt der Artikel »über die Endziele der submaritimen Kriegstechnik«, geschrieben von Schultze dem Siebenten, einem berühmten Obergenie. Der erste Teil der Geschichte beginnt also:


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