Die Entwicklung des Luftmilitarismus
Paul Scheerbart
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Die Entwicklung des Luftmilitarismus
und die Auflösung der europäischen
Land-Heere, Festungen und Seeflotten
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Vor einer Tragödie stehen wir. Der grossartige Militarismus des neunzehnten Jahrhunderts wird demnächst »aufgelöst« werden.
Wer das liest oder hört, lacht natürlich und glaubt nicht daran – nicht im Traum. Es ist auch kaum zu glauben. Diese grandiosen europäischen Volksheere, die kolossalen Festungen und die wundervollen Seeeflotten sind mit dem modernen Kulturleben so innig verwachsen, dass man eine Auflösung dieser Kultur-Herrlichkeit ohne Weiteres für eine Unmöglichkeit hält. Eher würde man an den Untergang der Erde glauben. Und doch – wenn wir nicht alle Logik umbringen wollen, so m ü s s e n wir an die Auflösung des bisherigen Militarismus glauben; der Luftmilitarismus ist eben stärker als die Landheere, Festungen und Seeflotten. Die Militärschriftsteller sind in bemitleidenswerter Verlegenheit. Sie können garnicht konsequent in ihren Betrachtungen sein. »Wo wird«, schreibt Oberst S. A. Cody, »die Schlagfertigkeit der mächtigen Heere und des undurchdringlichen Walls der Seeflotte bleiben, wenn die Luftflotten die Herrschaft führen? Dass Heer und Marine noch nötig sein werden, ist unbestreitbar. . .« Warum das unbestreitbar ist, erfahren wir nicht. Wo wird, kann man nur immer wieder fragen, die Logik bleiben, wenn die Militärschriftsteller immer wieder so unlogisch denken und schreiben. Ich habe in den letzten Wochen mindestens ein Dutzend logische Ungeheuerlichkeiten bei den Militärschriftstellern entdeckt. Man könnte wirklich ungeduldig werden, wenn man nicht einsehen müsste, dass die Militaristen fast gezwungen sind, unlogisch zu sein, da sie Rücksicht auf die bestehenden Zustände schlechterdings nehmen müssen. Für mich, der ich keinem Militärverbande angehöre, ist eine derartige Rücksicht nicht vorhanden, und somit kann ich meine Meinung kurz und deutlich folgendermassen formuliren: Ein lenkbarer Luftkreuzer kann 200 Centner tragen – d. h. 100 Dynamit-Torpedos, wenn jedes V-/z Centner schwer ist. Damit kann man eine Stadt so beschädigen, dass nicht viel Ganzes übrig bleibt. Nun kann aber ein Staat in Jahresfrist ein paar hundert derartiger Luftkreuzer herstellen. Wer will nun im Ernste behaupten, dass solche Luftflotten den Landheeren, Festungen und Seeflotten nicht überlegen sind? Alle Luftschiffe greifen selbstverständlich einzeln das feindliche Land an – nicht in Reih und Glied – wie sich das ein Kriegsutopist schon ausgemalt hat. Ausserdem greifen die Luftschiffe nachts an. Und da können sie doch in ein paar Stunden so viel zerstören, dass von den Landheeren, Festungen und Seeflotten nicht viel übrig bleiben dürfte. Es ist doch nicht möglich, das zu bezweifeln. Das Dynamit braucht ja nur runtergeworfen zu werden. Man könnte nun einwenden, dass dabei viele Torpedos nicht ihr Ziel treffen dürften. Indessen – die Torpedos lassen sich auch auf unbemannte Gleitflieger legen, und diese lassen sich durch drahtlose Telegraphie »lenken«. Diese Lufttorpedos werden also ihr Ziel nicht verfehlen. Die Torpedos lassen sich ja im Wasser durch drahtlose Telegraphie lenken -also gehts auch in der Luft. So sieht der Luftmilitarismus aus. Und dagegen soll der bisherige Land- und Seemilitarismus seine Stellung behaupten. Dass das nicht geht, möchte ich in den folgenden kleinen Artikeln umständlichst auseinandersetzen: 1. Die Unmöglichkeit einer Landschlacht unter Mitwirkung von Luftflotten.
Wenn wir voraussetzen, dass zwei grössere europäische Staaten im Besitze von Luftflotten sind und Krieg miteinander führen wollen, so werden beide Staaten zunächst ein Interesse daran haben, möglichst viele Lenkbare mit Gleitfliegem über die Grenzen zu senden – einzeln. Und jeder Lenkbare wird sein Dynamit auf die grösseren Städte werfen und dort beispiellose Verheerungen anrichten. Man wird die Kasernen, Parlamentsgebäude und Paläste in erster Linie angreifen. Lassen sich Truppen irgendwo sehen, so werden sie gleich von einem Torpedohagel begrüsst werden. Und da möchte ich wissen, wie es zu einer Landschlacht kommen soll. Die Landtruppen sind eben gänzlich überflüssig. Natürlich – derartige Bombardements von oben werden einen Massenwahnsinn hervorbringen. Ich möchte wissen, wer dabei ruhig bleiben könnte. Die Totengräber werden sich weigern, verstümmelte menschliche Gliedmassen zu sammeln. Und die Chirurgen werden auch von dem allgemeinen Wahnsinn gepackt werden und davonlaufen – so rasch sie können. Es ist überflüssig, das Entsetzliche solcher Stadtbombardements auszumalen – das kann Jeder selber besorgen. Das Scheussliche eines derartigen Krieges ist so einleuchtend, dass man gut täte, vorläufig nicht weiter darüber nachzudenken. Schon das Nachdenken über derartige Kriegskünste kann eine heftige Nervenerkrankung zur Folge haben. Eine Landschlacht aber ist ganz unmöglich – das Dynamit von oben arbeitet so schnell, dass das Landheer garnicht zur Entwicklung gelangt. Die Ballonabwehrkanonen werden den Ballons nicht vielen Schaden bereiten. Ausserdem können sie nicht überall sein. Und es kommt auch nicht darauf an, wenn einige Luftschiffe bei dieser Kampfesart zu Grunde gehen. Wie schwer es ist, einen Ballon zu treffen, hat man ja jetzt überall eingesehen. Dazu kommt, dass die Ballons in der Nacht schlechterdings oben unsichtbar bleiben. Die Grenzen durch Drahtwände zu schützen, geht ebenfalls nicht. Und so viele Scheinwerfer, um in der Nacht den ganzen Himmel zu erhellen, kann man auch nicht funktionieren lassen. Nun wird man natürlich auf die Beschlüsse der Haager Konferenz hinweisen. Die Konferenz will den Völkern verbieten, Sprengstoffe vom Luftballon aus in Kriegszeiten herunterzuwerfen. Die Völker werden sich um diese Beschlüsse nicht viel kümmern – dazu verwenden die Staaten nicht unzählige Millionen für die Luftschiffahrt, um schliesslich die neuen Kriegsinstrumente bescheiden in die Ecke zu stellen. Das Lächerliche dieser Handlungsweise wäre denn doch zu auffällig. Allerdings – um die Landheere, Festungen und Seeflotten zu retten, kommen die Militaristen auf ganz abenteuerliche Ideen. So sagte der schon oben erwähnte englische Oberst S. A. Cody, der sonst ganz Vortreffliches über den Luftmilitarismus vorbringt, auch das Folgende: »Es besteht die Möglichkeit eines Vertrages zwischen den grösseren Mächten, durch den sie sich verpflichten, von Maschinen zur Fortbewegung im Luftmeer in Kriegszeiten keinen Gebrauch zu machen. Es ist wohl denkbar, dass man zu diesem Schluss kommt, denn man kann sich nichts Fürchterlicheres vorstellen, als das Bild einer Kriegführung, bei der die Kampfeswerkzeuge der Luft ihre tätliche Rolle spielen. Wenn keine Stellung mehr verschleiert, keine Angriffslinie ein Geheimnis, keine Festung mehr vor den spähenden Augen des Feindes sicher ist, müssen die Folgen für beide Parteien unbeschreiblich sein.« Da haben wirs: erst sollen die Luftschiffe für den Luftmilitarismus hergestellt werden, und nachher soll man sich ihrer nur im Frieden bedienen – bei Paraden und Manövern. Die Völker, die den Luftmilitarismus auch bezahlen sollen, werden ein schönes Gesicht schneiden, wenn ihnen von diesem Parade- und Manöver-Militarismus berichtet wird. Ausserdem macht man die Rechnung ohne die rabiateren, aussereuropäischen Staaten – bei den Japanern z. B. wird man den Dynamitkrieg keineswegs für undurchführbar halten. Dem Japaner ist das Dynamit ans Herz gewachsen … Ich glaube, dass jeder Freund der Logik nach dem Gesagten mit mir der Meinung sein wird, dass eine Landschlacht, wenn erst Luftflotten da sind, einfach ein Unding ist.
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2. Die Unmöglichkeit eines Festungskrieges unter Mitwirkung von Luftflotten.
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Die Rolle, die die Festungen zu spielen haben, wenn Luftflotten mitwirken, ist eine ganz eigentümliche. Ich bin nämlich der Meinung, dass sich die Luftflotten garnicht um die Festungen bekümmern werden. Diese sind doch in erster Reihe dazu da, das Vordringen der feindlichen Armee zu hindern. Wenn man aber oben in der Luft ganz frei durch kann, so braucht man doch die Festungen nicht weiter zu berücksichtigen; der Feind wird doch am meisten geschädigt, wenn seine gros- sen Städte ruiniert werden. Das können aber die Festungen garnicht verhindern. Und deshalb sind sie überflüssig – sie können zu friedlichen Zwecken verwandt werden. Natürlich – viele Soldaten können sich in den Festungen verbergen. Aber wenn sie rauskommen, sind sie den Lufttorpedos ausgesetzt. Sie dürften also nicht herauskommen. Nun liegt es aber klar auf der Hand, dass Soldaten, die zu Kriegszeiten sich garnicht zeigen dürfen, eigentlich mehr als überflüssig sind. Und somit ist ein Festungskrieg beim besten Willen garnicht denkbar, wenn Luftflotten auf beiden Seiten da sind. Alle schweren Festungsgeschütze sind auch ganz überflüssig, da sie gar keine Gelegenheit haben dürften, in Funktion zu treten. Wer das bestreiten will, möge mir in klarer Form auseinander setzen, welche Aufgabe den Festungen im Luftdynamitkriege zufällt. Nach meiner Meinung – garkeine Aufgabe; man lässt sie einfach links liegen und kümmert sich nur dann um sie, wenn aus ihnen Soldaten herauskommen. D i e werden verfolgt, aber die Festungen können ruhig liegen bleiben, wo sie gerade liegen.
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3. Die Unmöglichkeit einer Seeschlacht unter Mitwirkung von Luftflotten. –
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Der Kriegsminister Haidane sprach im englischen Unterhause auch über die Luftschiffahrt und meinte, dass für die Zwecke der Marine beim gegenwärtigen Stande der Wissenschaft wohl nur das starre System von wirklichem Werte sei. Wie sich der Kriegsminister diese Verwertung dachte, erfuhr man nicht. Ich hatte das Gefühl, dass er etwas verschweigen wollte. Den Drachenballon, der als Beobachtungsmittel schon bekannt ist und das Herannahen von Unterseebooten signalisieren kann, Hess der Kriegsminister ganz unberücksichtigt. Was wollte er mit dem starren System? Wenn dieses in Frage kommt, kann es nur zum Auswerfen von Dynamitbomben in Betracht kommen, und das wagte er Anfang August 1909 noch nicht zu sagen. Das ist durchaus verständlich und spricht für die Humanität der höheren Offiziere; man will auch nicht mit Anarchisten und Nihilisten auf dieselbe Stufe gestellt werden. Aber die Entwicklung des Luftmilitarismus geht ihren konsequenten Weg, ohne auf Humanität und Standesgefühl Rücksicht zu nehmen. Diese Entwicklung zwingt zum Dynamitkrieg. Und darum konnte ich schon am 6. Sep- tember 1909 im Berliner Tageblatt bei Erörterung der Luftschiffahrt in der Marine lesen: »In Zukunft wird auch das Abwerfen von Sprengmunition auf feindliche Schiffe in Frage kommen, sodass auch hier der Kampf in andere Bahnen, ähnlich wie beim Landkrieg, gelenkt werden muss und zum mindesten den moralischen Eindruck stark erhöhen wird.« Der Verfasser nennt seinen Namen nicht, aber er wagt es doch, den Kern der Frage bloss-zulegen – das hat mich herzlich gefreut. Ueber den »moralischen« Eindruck war ich allerdings erstaunt – das Wort gebraucht man erst, wenn etwas »peinlich« ist. Sollten sich die Luftmilitärs moralisch gehoben fühlen, wenn sie mit ein paar Dynamitbomben ein paar Tausend Feinde ins Jenseits beförderten? Nun – ich werde mich nicht wundem, wenn man demnächst vom »heiligen« Dynamit spricht… Doch zur Sache! Wenns auch schwer fällt! Der Luftmilitarismus ist ohne Dynamit nicht denkbar. Haben wir erst Luftflotten, die auch längere Zeit über dem Meere bleiben können, so kann jede Seeflotte von einer Luftflotte in ein paar Stunden in den Grund gesprengt werden. Die Luftschiffe greifen eben einzeln – womöglich des Nachts – umgeben von sehr vielen Gleitfliegern die Seeflotte von allen Seiten an und sen- den ihre von drahtloser Telegraphie gelenkten unbemannten Gleitflieger mit Torpedos den Schiffen in die Flanken. Dagegen kann sich die Seeflotte kaum wehren – die Ballonabwehrkanonen werden immer nur wenig ausrichten. Es wäre ja wohl denkbar, dass sich die Schiffe auch oben durch Drahtnetze zu schützen versuchten – doch selbst dieser Drahtnetzschutz ist von Torpedos in jedem Falle sehr leicht zu zerstören. Die Seeschlacht ist somit, wenn Luftflotten mitwirken können, ein Unding. Und der Wert einer Seeflotte ist deshalb den Luftschiffen gegenüber gleich Null. Die Seeflotten rechnen im Zukunftsdynamitkriege nicht mehr mit, sind demnach als Kriegsinstrumente nicht mehr brauchbar und können baldigst aufgelöst werden. Es ist selbstverständlich, dass darüber ein Sturm der Entrüstung losbrechen wird. Aber das wird nicht viel helfen. Die Engländer sind ganz besonders zu bedauern. Aber – die Entwicklung des Luftmilitarismus zwingt eben zur Auflösung der Seeflotten, man mag dagegen sagen, was man will. Behält man sie, so werden nur sehr viele Menschenleben nutzlos geopfert, da es einfach unmöglich ist, die Seeschiffe gegen die tadellos treffenden Lufttorpedos zu schützen. Das muss schon jetzt gesagt werden – und zwar mit energischer Betonung – und es muss immer wieder wiederholt werden, damit die überflüssigen Ausgaben für die europäischen Meeresflotten baldigst eingeschränkt – und dann gänzlich eingestellt werden können.
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4. Die Infanterie im Luftkriege.
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Der neue Kriegsminister von Heeringen hat gesagt: »Wenn für das Luftschiffwesen besonders grosse Aufwendungen gemacht werden sollten, so würde dies dafür eine Einschränkung auf anderen Gebieten der Militärverwaltung zur notwendigen Folge haben, was natürlich nicht angeht.« Was natürlich nicht angeht! Ich möchte diesem Satze nichts hinzufügen. Aber – die Entwicklung des Luftmilitarismus ist leider nicht mehr zu hemmen; die Einschränkung auf anderen Gebieten der Militärverwaltung wird trotz der Äusserung des Kriegsministers in der allernächsten Zukunft vor sich gehen – besonders auch in der Infanterie, die im Luftkriege eine gänzlich überflüssige Rolle spielen würde. Zum Angriff ist die Infanterie ganz bestimmt nicht zu gebrauchen, denn die Schiffe der Luft- flotte sind hundert mal schneller und haben schon unsäglich viel zerstört, bevor die Infanterie zur Sammlung kommt. Auf dem Marsche und im Eisenbahnwagen ist die Infanterie ständig den Lufttorpedos preisgegeben- sie kann sich kaum wehren, denn die Kugeln der Gewehre tun ja den Ballons keinen Schaden, und Gleitflieger sind so zahlreich, dass ein paar runterfallende nichts bedeuten. Ausserdem wird man giftige Gasbomben zur Bekämpfung der Infanterie verwenden. Und dann müssen wir es auch als feststehend betrachten, dass die Gleitflieger bald sehr hoch fliegen werden. Zur Verteidigung ist die Infanterie auch nicht zu gebrauchen – was sollen sie denn verteidigen? Die festen Punkte – die Festungen -haben ja keinen Wert, da sie ja den »fliegenden« Feind nicht im Vorwärtsdringen hindern. Und die Städte können durch Infanterie gegen Luftschiffe schlechterdings nicht geschützt werden. Somit ist die übermäßig grosse Zahl von Fuss-truppen im Luftkriege nur eine überflüssige Last, der garkeine militärische Aufgaben zu Teil werden. Die Infanterie ist deswegen schon jetzt erheblich zu verringern, wodurch grosse Ersparnisse erzielt werden, die für die Luftflotte Verwendung finden können. Dass die einzelnen Luftschiffe gegen feindliche Angriffe mit Hilfe feindlicher Luftschiffe geschützt werden müssen, das versteht sich von selbst – dafür müssen aber Gleitfliegertruppen ausgebildet werden – Infanterie nützt g a r -nichts. Auch dieses muss immer wieder wiederholt werden; die Militärschriftsteller werden sich alle erdenkliche Mühe geben, die Notwendigkeit der Infanterie auch im Luftkriege zu beweisen. Der Beweis wird ihnen aber nicht gelingen, und mit kecken »Behauptungen« werden sie nur erreichen, dass man ihnen jede Autorität abspricht und ihr »fachmännisches« Urteil für minderwertig erklärt. Es ist sehr schwer, sich vor der Öffentlichkeit die Würde einer Autorität zu bewahren; nur sachliche Begründungen haben eine Wucht – der Witz vermag gewöhnlich auch nicht viel beim grossen Publikum…
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5. Die Artillerie im Luftkriege.
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Da die Schusswaffen als Kriegsinstrumente durch die lenkbaren Luftschiffe ihre Bedeutung vollkommen verloren haben, so wird man auch die Kanonen als beinahe wertlos bezeichnen müssen; sie kämen nur dann in Betracht, wenn man mit ihnen den Luftschiffen und Gleitfliegern gefährlich werden könnte. Die Ballonabwehrka- nonen haben aber gezeigt, das es sehr schwer ist, einen fliegenden Ballon zu treffen -der wird auch immer so schnell sein Dynamit runterwerfen, dass die Abwehrkanonen selten rechtzeitig eingreifen dürften. Es müssten sehr viele Abwehrkanonen hergestellt werden, um ein Land zu schützen, da ja die Kanonen nicht so schnell dorthin befördert werden können, wo sie grade nötig sind. Nachts können sie natürlich nichts ausrichten. Es fragt sich sehr, ob es sich lohnen wird, viele Abwehrkanonen herzustellen. Das ist doch eine sehr kostspielige Sache – Gleitflieger zur Bekämpfung der Ballons sind viel billiger – auch wenn Tausende davon nötig wären. Die Artillerie hätte immerhin eine allerdings beschränkte »Existenzberechtigung.« Ob sie praktisch von grossem Werte sein könnte, lässt sich nicht so leicht entscheiden. Es ist sehr möglich, dass die Entwicklung des Luftmilitarismus auch dahin führt, die Abwehrkanonen für unpraktisch zu erklären. Jedenfalls sind die bislang gebräuchlichen Kanonen im Luftkriege bedeutungslos – das muss ebenfalls immer wieder betont werden, damit nicht noch weitere unnütze Ausgaben für veraltete militärische Einrichtungen entstehen.
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6. Die Kavallerie im Luftkriege.
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Die Reiterei ist bereits heute ohne den geringsten Wert. Dieser Erkenntnis werden sich die denkenden Militaristen »bald« nicht mehr ver-schliessen. Allerdings – es geht langsam mit der Erkenntnis. Schon der Fesselballon war zu Aufklärungszwecken so vorzüglich, dass die Reiterei überflüssig erschien. Nach Einführung der Lenkbaren aber weiss man wirklich nicht mehr, wozu die Reiter da sein sollen. Es gab einmal eine Zeit, in der man viel davon sprach, wie viel eine Schlacht durch einen Reiterangriff gewinnt: gleich wird eine neue Situation geschaffen, die Attacke bringt Verwirrung hervor usw. usw. Heute brauchen wir von diesen schönen Auseinandersetzungen nicht mehr Notiz zu nehmen. Der Luftkrieg entwickelt sich ein wenig rascher als der alte Krieg mit Kanonen und Reiterei. Ob aber die Militaristen »bald« die Nutzlosigkeit der Pferde einsehen werden? Man muss das leider bezweifeln. Der militärische Mitarbeiter, der, ohne seinen Namen zu nennen, für das Berliner Tageblatt schreibt, sagt wörtlich: »Die Leistungen einer günstigen Ballonbeobachtung im Verhältnis zu den eingehenden Meldungen der Kavallerie sind derartig, dass eben der Erkunder im Ballon das Gesamtbild des Gefechtes sieht und dem Führer in kurzer Zeit einen entsprechenden zusammenhängenden Bericht erstatten kann, während die Kavallerie nur Gefechtsstreifen, unzusammenhängend, nacheinander und womöglich noch verspätet melden kann. Immerhin wird die Kavallerie stets noch unser wichtigstes Aufklärungsorgan bleiben müssen, auch wenn die Vorteile der Ballons noch so grosse sind.« Ich verstehe nicht, wie man es fertig bringen kann, derartig unlogische Sätze zu schreiben. Wenn der Ballon besser zur Aufklärung ist als die Reiterei, so kann diese doch nicht das wichtigste Aufklärungsorgan bleiben. Ich nehme zu Gunsten des Verfassers an, dass er sehr wohl weiss, dass die Reiterei heute schon total wertlos ist – dass er das aber nicht sagen will, um sich nicht in Ungelegenhei-ten zu bringen. In dem Tone darf es aber nicht so einfach weiter gehen. Das geht nicht. Die Militärschriftsteller verlieren ihr Renommee, wenn sie Dinge sagen, die jeder Laie als falsch bezeichnen muss. Wenn die Herren für Zeitungen schreiben, so schreiben sie eben auch für Laien. Und diese Laien bezahlen den Militärschriftstellerarismus dingeurch ihre Steuern. Die Laien haben somit eine Berechtigung, sich danach zu erkundigen, ob ihr Geld nutzlos zum Fenster hinausgeworfen wird. Das geschieht aber, wenn man die Reiterei nicht abschafft. Die Pferde kosten mehr als die Menschen. Und wenn man auch die Pferde für die schönsten Tiere der Erde halten muss – ich halte sie sogar für köstlicher als die Menschen – so darf man doch dieser köstlichen Pfefdekörperformen wegen nicht unzählige Millionen opfern – es genügt doch, wenn wir Rennpferde und Zirkuspferde haben. Wenn die europäischen Staaten die Kavallerie abschaffen, so braucht nicht mehr so viel Hafer angepflanzt zu werden – auch viele Wiesen sind dann nicht mehr nötig – können für den Ackerbau da sein – die sozialen Verhältnisse werden ganz erheblich gebessert, wenn die Kavallerieregimenter verschwinden. Bebel schrieb ein Buch »Die Frau und der Sozialismus« – er sollte demnächst auch ein Buch schreiben: »Das Pferd und der Sozialismus.« Mit Vergnügen würde ich in dem Buche lesen…
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7. Die gänzlich nutzlosen Unterseeboote.
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Die Unterseeboote sind von der Ballongondel aus heute schon sehr leicht zu entdecken – auch wenn sie unter dem Wasser fahren. Aber – auch wenn sie nicht zu entdecken wären, so wären sie doch nutzlos, da man ja, wenn Luftflotten da sind, keine Seeflotten mehr zu beschützen oder anzugreifen hat. Man kann somit fragen: was sollen die Unterseeboote während eines Luftkrieges? Sollen sie Kauffahrteischiffe und Personendampfer in Grund und Boden rennen? Wenn das geschehen soll, so besorgen das die Lenkbaren und Gleitflieger mit ihren Lufttorpedos viel schneller und sichrer. Man kann also den Bau von Unterseebooten gleichfalls unterlassen. Als Kriegsinstrumente gehören sie zum alten Eisen. Leider muss ich gestehen, dass man das nicht wird einsehen w o 11 e n . Es wäre nötig, in agitatorischer Form immer wieder die Nutzlosigkeit der Unterseeboote den Kriegsverwaltungen so lange vorzupredigen, bis die Sache zum allgemeinen Gesprächsstoff wird. Die Franzosen müssten ganz besonders darauf aufmerksam gemacht werden. Die Sache müsste im französischen Parlament zur Sprache kommen, damit auch der französische Steuerzahler erfährt, dass das Geld für die teuren Unterseeboote ganz nutzlos vergeudet wird…
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8. Die Verwertung der Festungen und Kriegsschiffe im Dienste der friedlichen Kulturentwicklung.
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Bei diesen ausserordentlich kriegerischen Betrachtungen muss ich mir aber eine kleine Erholung gönnen. Und der Leser wird wohl auch ein wenig aufatmen, wenn jetzt ein paar friedliche Zeilen kommen. Man kann nicht immerzu vom Kriege reden, sonst vergisst man schliesslich, dass der Mensch noch zu andern Dingen und nicht nur zu Kriegszwecken da ist. Da die Festungen nun veraltet sind, empfiehlt es sich, über ihre Verwertung nachzudenken. Ich bin nicht für Umreissen der Festungsanlagen – sie stellen eine vorzügliche Terrainarchitektur dar. Durch Terrassen und grosse Treppenanlagen lassen sich die Festungen leicht in imposante Baulichkeiten umwandeln, wenn man sie durch herrliche Staatsgebäude krönt. Es ist aber nicht nötig, auf allen Festungsanlagen Staatsgebäude zu errichten – man kann auch prächtige Restaurants und Hotels auf ihnen erbauen – und man kann sie auch in einen Stadtpark verwandeln und die glatten, schrägen Rasenflächen durch Blumenbeete ornamental beleben. Ich glaube, dass die Architekten diese Anregung freudig begrüssen werden. Ob die Kriegsschiffe sämtlich als Personendampfer zu verwerten sind? Fast möchte ichs glauben. Selbst die Torpedoboote würden doch wohl als Personendampfer viele Freunde finden. Jede noch so böse Sache hat eben auch ihre gute Seite – Festungen und Kriegsschiffe im Dienste der friedlichen Kultur sind doch immerhin erfreuliche Dinge, die wir nicht als solche begrüssen könnten, wenn die Militaristen der Vergangenheit nicht daran gearbeitet hätten.
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9. Kanonen, Pferde, Flinten, Säbel, Uniformen und die Kriegsmuseen der Zukunft.
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Wenn man müde wird, beschäftigt man sich mit Dingen, die bei nüchterner Betrachtung sehr gleichgültig erscheinen. Und so ist es gekommen, dass ich mir auch über die Zukunft der überflüssigen Kanonen den Kopf zerbrochen habe. Was soll man mit diesen höchst kostspieligen und höchst überflüssigen Gegenständen anfangen? Bei Volksfesten würden sie vielleicht zum Abschiessen von Freudenschüssen vom Janhagel mit grossem Hailoh empfangen werden. Aber was geht uns der Janhagel an? Ich möchte nicht sagen, was ich weiter über die Kanonen gedacht habe. Diese Flugschrift soll ja nicht ein Witzblatt sein. Anfänglich wollte ich die ganze Militaristentragödie in einem neu zu begründenden Witzblatt »bearbeiten.« Aber – mir ist bei eingehender Beschäftigung mit dem fatalen Gegenstande der Humor ausgegangen – ich sehe zumeist nur noch alles schwarz – und vermag helle, erfreuliche Stellen in diesem »Kulturgemälde« nicht oft zu entdecken. Die Dynamitspässe kommen mir einfach peinlich vor. Mit den schönen überflüssigen Pferden wird man leider nicht viele Umstände machen. Das tut mir herzlich leid, denn ich liebe die Pferde. Auch mein lieber Urgrossvater Jonathan Swift liebte die Pferde. Indessen – die Flinten sind für den Jäger -die Flinten sind nicht überflüssig. Die meisten Säbel und die meisten Uniformen werden wohl in den Kriegsmuseen der Zukunft aufbewahrt werden – zum Andenken an die gute alte Zeit, in der man sich noch so freundlich nur mit Pulver und Blei ins Jenseits beförderte. Die Dynamit-Zukunft ist leider leider nicht so harmlos wie die gute alte Pulverzeit…
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10. Der Militaristenkongress und die Umrüstung.
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Es müsste in allernächster Zeit ein europäischer oder internationaler Militaristenkongress arrangiert werden. Ob er in Berlin, Paris oder in der Schweiz zusammenkommt, ist gänzlich gleichgil-tig. Nur lasse man gefälligst Holland und die Haager Konferenz aus dem Spiel. Es handelt sich keineswegs um eine Friedensangelegenheit. Es handelt sich um die Verschärfung der Kriegsinstrumente und um Auflösung der veralteten Militärformationen. Nur nicht von Frieden reden! Das hat gar-keinen Zweck. Die U m rüstung ist zu erörtern, nicht die A b rüstung. Und die Parlamente der verschiedenen Regierungen haben dafür zu sorgen, dass der Kongress bald zu Stande kommt. Wenn sich überall der Luftmilitarismus mit unheimlicher Geschwindigkeit entwickelt, so können daneben doch nicht die veralteten Einrichtungen bestehen bleiben. Nur die Militaristen können erklären, in welcher Art die Auflösung der veralteten Organisationen zu erfolgen hat. Die Verhandlungen des Militaristen-Kongresses müssen ganz öffentlich sein, und der stenographische Bericht muss jedem Steuerzahler zugänglich sein, damit er sich klar darüber werden kann, ob die Militaristen im Ernst an die Umrüstung herangehen oder nicht.
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11. Das Ende des Antimilitarismus.
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Der Antimilitarismus hat mit allen seinen humanen Reden nichts ausgerichtet. Die Entwicklung ist eben stärker als das Gerede der Menschen. Und das sollten die Kriegsfeinde jetzt ganz besonders fest im Auge behalten, da ihnen die Entwicklung des Luftmilitarismus allmählich klar werden dürfte. Sie habens garnicht mehr nötig, gegen den Krieg zu eifern; die lenkbaren Luftvehikel haben mehr für die Friedensideen getan als alle Antimilitaristen zusammen. Der Antimilitarismus hat garkeine Existenz-Berechtigung mehr; sein Ende ist da, das sollten die Friedensfreunde recht bald einsehen. Ihre Bemühungen sind ganz nutzlos. Man kann alles ruhig der Entwicklung des Luftmilitarismus überlassen; der wird uns Dynamitkriege bescheeren, und die werden derart wirken, dass man auf allen Seiten vor den Kriegen Angst bekommen wird. Man sollte deswegen auch nicht mit billigen Witzen den »veralteten« Militarismus überschütten. Die Militaristen sind in einer so bedauernswerten Verlegenheit, dass man nicht spotten sollte. Es ist ja freilich sehr lächerlich, dass für die Landheere, Festungen und Seeflotten so viele viele Milliarden einfach nutzlos weggeworfen sind – aber warum darüber jetzt spotten, da alles sehr bald anders werden muss? Einen töt-lich getroffenen Feind bearbeitet man nicht zum Schlüsse noch mit Faustschlägen. Das ist unfein. Und darum sind alle Militärverhöhnungen jetzt, da die Umrüstung vor der Tür steht, auch nur unfein und nicht vereinbar mit einer noblen Gesinnung. Ich möchte wünschen, dass man diese meine Worte nicht vergisst.
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12. Die Luftflotten im Kampfe gegen einander.
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Man hört und liest öfters, dass man sich über die weitere Entwicklung des Luftmilitarismus heute noch keine klaren Vorstellungen machen kann. Jawohl – wenn man zu faul ist, darüber nachzudenken, so wird Einem alles sehr unklar bleiben. Man kann aber darüber nachdenken, und dann kommt man rasch zu Resultaten. Lächerlich wäre es, wenn mehrere Luftschiffe neben- oder hintereinander ins feindliche Land hineinfahren wollten. Nein – sie müssen einzeln von allen Seiten kommen – umgeben von vielen Gleitfliegern, die die Gleitflieger des Feindes anzugreifen haben oder deren Luftballons. Sodann besteht aber die ganze Zukunftskriegskunst nur im Dynamitauswerfen und im Absenden der lenkbaren Torpedos. Selbstverständlich ruiniert man zuerst die grossen Städte des Feindes. Bei derartiger Kriegführung kann natürlich der kleinste Staat auch dem allergrössten sehr gefährlich werden. Fällt es den Serben mal ein, die Oesterreicher anzugreifen, so brauchen sie nur drei Lenkbare mit 300 Zentner Dynamit nach Wien schicken – dort werden die 300 Zentner nachts ausgeworfen – und Wien ist ein Trümmerhaufen; der Stephansturm wird nicht stehen bleiben. Das Allerschlimmste bei diesen Dyamitkrie-gen ist aber das Folgende: die Ballons werden ganz bestimmt nicht die Nationalfarben zeigen, die Uniformierung wird man unterlassen – und so wird man niemals schnell feststellen können, ob ein feindliches oder ein dem eigenen Staate gehöriges Luftvehikel ankommt. Signale wird ja jeder Staat verabreden -aber nachts und bei schlechtem Wetter sind sie nicht leicht bemerkbar zu machen. Und – es ist doch sehr leicht möglich, dass der Feind die Signale kennen lernt. Hier geht vieles gegen das Völkerrecht. Aber – die Führer in einem Dynamitkriege, der doch das Brutalste in der ganzen Welt isf, sollten Rücksichten auf das Völkerrecht nehmen? Das wäre lächerlich. Die brutalen Na- turen pfeifen auf das Völkerrecht in allen Tonarten.
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13. Dynamitkrieg und Revolution.
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Der Oberst S. A. Cody schreibt: »Es liegt etwas unbeschreiblich Seltsames und zugleich Belustigendes in der Wahrnehmung, wie die auf der Erde Wandelnden völlig unvermögend sind, etwas gegen die schwebenden Riesenvögel zu unternehmen, die über ihren Häuptern ihre Kreise ziehen. Man muss einmal die Erregung durchgemacht haben, eine mit Mannschaften besetzte Flugmaschine über seinem Haupt hinziehen zu sehen, um innerlich zu fühlen, wie gross die Macht des die Luft beherrschenden Fliegers ist. Er hält Leben und Tod in seiner Hand, und die unter ihm sind ganz und gar in seine Gewalt gegeben. Diese Vorstellung legt auch den Gedanken nahe, was der Flugapparat einmal den Anarchisten, Nihilisten und anderen Menschen dieser Art bedeuten kann. Die Luchsaugen der Polizei mögen unaufhörlich auf das Treiben dieser Gruppen gerichtet sein, wer aber will sie überwachen, wenn sie ihre tötlichen Geschosse aus den Höhen schleudern, die bald mit Flugmaschinen erreichbar sein werden?« Diese Zeilen beleuchten das Verhältnis des Dynamitkrieges zur Revolution in vollkommener Weise. Ich finde nur nichts Belustigendes darin -ganz im Gegenteil! Diese vollständige Wertlosigkeit frechen Kulturvernichtern gegenüber erscheint mir das Entsetzlichste in der ganzen Menschheitsgeschichte zu sein. Ich erkläre feierlich, dass mir durch die Erkenntnis dieser ungeheuerlichen Möglichkeiten tatsächlich der Humor vergangen ist. Ich verstehe es einfach nicht, wie man dabei noch etwas Belustigendes finden kann – diese Ohnmacht des Menschen Verbrechern gegenüber ist beschämend und entsetzlich zugleich. Alles – was der Mensch geschaffen hat, kann von Menschenhänden kurz und klein geschlagen werden – in ein paar Sekunden. Diese Erkenntnis kann uns schwermütig machen. Das ist die böse Kehrseite der glänzenden Erfindung, die man »Eroberung der Luft« genannt hat.
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14. Luftschiffahrt und Jubelfeste.
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Jubelfeste! Nach dem soeben Gesagten brauche ich wohl kaum hinzufügen, dass wir eigentlich wenig Veranlassung haben, den Lenkbaren in der Luft mit Begeisterung zuzujubeln. Freilich – die Auflösung des veralteten Pulver- und Blei-Militarismus wird den Menschen den grössten Teil ein anderes Leiden: Dynamitkrieg und Revolution von oben! Man sollte vorsichtiger mit dem Festefeiern sein. Dem oberflächlichen Blick kommt alles so nett vor – und nachher bemerkt man, dass im Kern der Sache ein fürchterliches Gift steckt. Das ist nicht belustigend.
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15. Frankreich, Deutschland und die vereinigten Staaten von Europa.
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An den grossen Völkerfrieden glaube ich nicht. Wohl aber glaube ich daran, dass man in Europa Frieden herstellen kann. Und man wird es tun, denn ein Dynamitkrieg zwischen europäischen Kulturnationen sieht wie ein Völkerverbrechen aus. Es ist einfach haarsträubend, wenn man sich die Wirkungen eines solchen Krieges ausmalt. Und es ist ekelerregend. Das werden auch ganz sicherlich die meisten europäischen Offiziere empfinden und ganz einfach erklären, dass sie bei derartigem Kriegsspiel nicht dabei sein wollen. Man wird plötzlich das ganze Kriegshandwerk verabscheuen – davon bin ich fest überzeugt. Aber leider wird auch durch diesen Abscheu die Möglichkeit eines Krieges noch nicht aus der Welt geschafft – leider! Die aussereuropäischen Staaten sind zumeist nicht so zart besaitet, um alles Kriegerische so ohne Weiteres an den Nagel zu hängen. Und darum hat sich Europa seiner Haut zu wehren. Wenn sich Frankreich und Deutschland in militärischer Beziehung vereinen, so werden die anderen Staaten bald diesem Waffenbunde beitreten. Die kleineren Staaten kann man sogar dazu zwingen. Die vereinigten Staaten von Europa bildeten Jahrhunderte hindurch eine vielbelächelte Utopie. Dem Dynamitkriege gegenüber bekommt diese Utopie einen durchaus realisierbaren Boden – dem die lächerliche Seite bald fehlen wird.
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16. Die Entlastung der Militärverwaltungen durch die Luftfahrzeuge der Privatleute.
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Es ist übrigens ein grosser Irrtum, wenn man sich die Luftflotten so denkt wie die Seeflotten. Auf dem Meere konnte man tatsächlich nicht aus jedem Personendampfer gleich einen Kriegsdampfer machen. Anders aber ist es in der Luft. Da ist jedes Privatluftschiff ohne weiteres in ein Kriegsluftschiff zu verwandeln; man braucht ja nur Dynamit raufzupacken. Die Luftfahrzeuge der Privatleute sind somit im Luftkriege ohne Schwierigkeiten zu verwenden. Dadurch werden die Militärverwaltungen ganz erheblich entlastet. Und die Steuerzahler können sich vergnügt die Hände reiben; man wird ihnen sehr bald die Lebensmittel billiger machen.
Index: Bücher – DIE ENTWICKLUNG DES LUFTMILITARISMUS
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