Zwischenspiele

Paul Scheerbart

Theatertexte


Zwischenspiele


Eine originelle Gründung wird von einer Berliner Theater­ gesellschaft vorbereitet. Da es bekannt geworden ist, daß man im kommenden Winter wieder einmal sehr viele Einakter und ganz kurze Theaterstücke zur Aufführung bringen will, so ist man zu der Überzeugung gekommen, daß das allzu häufige Auf- und Zuziehen des Vorhanges doch störend auf die Zu­ schauer wirken könnte. Und diesem Störenden will man durch Zwischenspiele entgegentreten. In den Theatern, Kabaretts und Varietes, in denen das allzu häufige Auf- und Zuziehen des Vorhangs nicht zu vermeiden ist, soll vor dem Vorhang ein Raum von ein bis zwei Metern Breite frei gelassen werden, und auf diesem soll durch ganz kurze Pantomimen die Pause so gefüllt werden, daß man die Tätigkeit des Vorhanges nicht mehr als so eintönig empfindet- wie bisher.

Wie allerdings diese Pantomimen aussehen sollen, das ist noch nicht zu erfahren, da es wahrscheinlich die Leiter des Unter­ nehmens selber noch nicht wissen. Jedenfalls wäre es wohl nicht genügend, wenn Pagen, Zwerge, Elfen oder Schornstein­ feger mit possierlichen Grimassen den Vorhang auf- und zuzie­ hen; etwas komplizierter müßte die Sache wohl arrangiert wer­ den.Mankannnuretwas»ahnen«,wennmanhört,daßdieGesell­ schaft Balletteusen und Kinder engagieren möchte… Andrerseits will man auch ganz kurze Schattenspiele und Lichtarrangements mit Kaleidoskopeffekten anbringen.
Es ist jedenfalls ein origineller Plan, dem man nur wünschen kann, daß er sich durchsetzt. Es ist ja ohne weiteres einzuse­ hen, daß es nicht gut möglich ist, acht bis zehn kleine Theater­ stücke hintereinander zu bringen, ohne daß der Vorhang peinlich wird. Es wäre nur zu bedenken, daß man auch die Zwischenspiele nicht allzu kompliziert gestalten darf. Ein Zuviel könnte hier auch sehr störend sein.

Und dann: an die Varietes und Kabaretts sollte man nicht in erster Linie denken; die machen etwas Neues erst dann, wenn es an anderer Stelle erprobt ist. Doch die kleinen Thea­ ter, die wirklich den Mut haben, eine größere Anzahl von kleinen Stücken an einem Abend aufzuführen, könnten den Zwischenspielen wohl entgegenkommen.

Die Zwischenspiele würden zweifellos einen Einakterabend frischer und reichhaltiger und beweglicher machen. Es ist gar nicht abzusehen, was aus der Idee werden könnte – wenn sie mit Geschmack und ,.Vorsicht« inszeniert wird… Merkwürdig ist es nur, daß heute immer wieder bei allen künstlerischen Unternehmungen zuerst an die Aufmachung gedacht wird. Man spricht davon, daß man viele kurze Stücke aufführen möchte – und gleich fragt man: wie bringen wir diese kleinen Stücke am wirksamsten zur Geltung? Aber an die kleinen tücke und ich weiß wirklich nicht, ob die Theatergesellschaft, die sich jetzt so viel Mühe mit den Zwischenspielen gibt, solche kleinen Theaterstücke, die es wert sind, aufgeführt zu werden, kennt.

Aber trotzdem: es wäre sehr erfreulich, wenn den Theatern in den Zwischenspielen neue Anziehungskräfte erwüchsen…


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Revision 31-12-2022

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