Der Kommandant der Festung MakatAbo

Paul Scheerbart

Revolutionäre Theater-Bibliothek


Der Kommandant der Festung MakatAbo

Volksschauspiel mit dem Teufel und seinen Helfershelfern


Personen:
Karabömke, Kommandant der Festung MakatAbo
Mormelino, sein Ober-Marschall
Fräulein Lola Schmiedel, seine Hafendirektrice
Fibaritz, Gemeindevorsteher
Der Teufel
Generale und Admirale

Die Handlung spielt auf der Festung MakatAbo im Stillen Ozean am Ende des zweiten Jahrtausends christlicher Zeitrechnung
Paradesaal auf der Kommandantur. Hinten ein Fenster und rechts in der Seitenkulisse auch ein Fenster. In der linken Seitenkulisse kleines Loch, durch das nur ein Kopf durchgesteckt werden kann..
Der Teufel (Kopf in der linken Seitenkulisse, während Lola vorne rechts ist):  Lola Schmiedel, benimm Dich recht artig und nett, damit der Kommandant nicht gleich merkt, daß Du meine Großmutter bist.
Lola: Naseweiser Bengel, Du wirst wohl Deiner Großmutter die Geschäftspraxis beibringen müssen. Benimm Du Dich nur recht artig und nett, sonst versohle ich Dich nachher, daß Dir die Hühneraugen übergehen
Der Teufel: Aber Großmama, verzeih mir! Der Herr Karabömke naht. Lebe wohl, Großmama. (Verschwindet)
Mormelino: Ich lasse sofort sämtliche Kanonen laden und wünsche einen guten Morgen. (Ab)
Karabömke: Diese Nachlässigkeit und Unaufmerksamkeit!
Lola:  Herr Kommandant, ich weiß immer noch nicht, warum Sie es so herrlich finden, mich hier im Paradesaal zu sehen.
Karabömke:  Na ja – meine Zärtlichkeit für die Verbrecher führt mich sehr weit. Sie wissen, daß die meisten Staaten des Erdballs es ablehnen, mir ihre Verbrecher zuzusenden – und was die Staaten nicht gutwillig taten, wollte ich mit Gewalt erzwingen: kurzum, ich sandte an alle Staaten Kriegserklärungen. Heute erhielt ich einige Antworten.
Lola: Und die lauteten, Herr Kommandant?
Karabömke: Frankreich telegraphierte mir: »Alter Pinsel, halte Dein ungewaschenes Maul!« Ich wunderte mich nur, daß die Franzosen so richtiges Deutsch schreiben.
Lola: Und was sagte Rußland?
Karabömke: Rußland schrieb auf einer Weltpostkarte mit Bärenansicht: »Karabömke, sei friedlich! Du hast vom Regieren keine Ahnung.«
Lola: Und das wollten Sie mir mitteilen?
Karabömke: Sie als Hafendirektrice müssen doch wissen, was in dieser Angelegenheit zu tun ist.
Lola: Bestrafen Sie die Staaten mit Verachtung. Kümmern Sie sich um die beleidigenden Zuschriften gar nicht mehr. Sie stehen viel zu hoch. Sie können gar nicht beleidigt werden.
(Man hört Pistolenschüsse, Karabömke eilt ans hintere Fenster, Mormelino erscheint wieder hinten rechts)
Mormelino: Drei Generale und drei Admirale haben sich soeben gegenseitig totgeschossen.
Lola:  Warum taten Sie das?
Mormelino: Zank beim Knobeln.
Karabömke:  (traurig nach vorn): Also sind wieder sechs.
Mormelino: Die Zahl sechs stimmt.
Lola: Da müßten wir doch Ersatz haben.
Karabömke: Ja – wo hernehmen?
Lola:  Werden Sie selber ein Erzverbrecher, der soviel verbricht – wie zehntausend gewöhnliche Verbrecher zusammen.
Karabömke: So dumm bin ich doch nicht. Ich bin gut und bleibe gut und komme in den Himmel. Mormelino, ich höre ja nicht den Frühstückskanonendonner.
Mormelino: Unser Pulver ist tatsächlich in den Hafen gerutscht.
Lola: In den Hafen? – In meinen Hafen?
Karabömke: Aber Fräulein Lola, da hätten Sie doch besser aufpassen sollen. Wozu sind Sie denn Hafendirektrice? Nun müssen meine armen Offiziere ihr Frühstück ohne Kanonendonner runterwürgen. Die armen Leute! Nicht mal das bischen Knallerei sollen sie haben – und sind doch dicht vor den Toren der Hölle.
Mormelino: Ich wünsche guten Morgen. (Ab)
Lola: (während rechts im Fenster der Seitenkulisse der Gemeindevorsteher Fibaritz erscheint): Glauben Sie an den Teufel?
Karabömke: Natürlich! Das ist ja eine altbabylonische Mißgeburt – wird auf allen Universitäten beschrieben und in Abbildungen vorgeführt.
Lola: Sie sollten ein Oberteufel werden
Karabömke: Und nachher in der Hölle braten? Braten Sie nur, ich danke dafür.
Lola: Sind Sie denn gar nicht zu einer kleinen Teufelei zu verführen?
Karabömke: Nee – ich bin gut und bleibe gut und komme in den Himmel – da gibts Geigenmusik – die ist besser als Kanonendonner.
Lola:  Aber auch langweiliger als Kanonendonner. Sie sind selber sehr langweilig, Herr Karabömke.
Karabömke: Was soll ich denn machen? Um ehrlich zu sein, muß ich Ihnen sagen: ich weiß gar nicht, wie man das macht, wenn man Verbrecher werden will. Ich bin allen Menschen gut und will keinem was Böses tun – wie soll ich da ein Verbrechen begehen?
Lola: Schlagen Sie dem Gemeindevorsteher Fibaritz, der hier immerzu wie ein Geheimpolizist herumspioniert, einfach den Kopf ab.
Karabömke: Das tut dem armen Mann ja weh.
 Fibaritz: Das tut mir sehr weh. (Verschwindet)
Lola: Wir sind belauscht.
Karabömke: Das war seine Stimme! Ich muß mal sehen, wo er steckt. Hoffentlich lebt er noch. (Hinten rechts ab. Der Teufel in der linken Seitenkulisse)
Der Teufel:  Siehst Du, Du alte, dumme Schachtel! Da hast Du Dir was Schönes eingebrockt. Du hast Dich belauschen lassen! Großmama, Du bist in meinen Augen ein altes Ekel! (Verschwindet)
Lola: Halt ’s Maul, verdammter Satan!
Mormelino: Wo ist der Kommandant? Eine Frühstücksrevolte ist ausgebrochen.
Lola: Warum?
Mormelino: Alle wollten sich nur an Kaviar satt essen – und soviel Kaviar war nicht da.
(Man hört Stimmengemurmel im Hintergrunde und Revolverschüsse dazwischen – und Karabömke erscheint wieder)
Karabömke: Was ist denn draußen los?
Mormelino: Eine Revolte ist ausgebrochen, und man hat mir den Auftrag gegeben, Sie sofort niederzuschießen. (Zieht den Revolver)
Karabömke: Schieß zu, dann komm ich endlich mal in den Himmel. Ich bin gut und bleibe gut. Der Teufel (links hinten in voller Figur): Du Flaps, wirst Du mal (in der rechten Seitenkulisse erscheint wieder der Gemeindevorsteher Fibaritz) gleich machen, daß Du wegkommst. Der Kommandant soll ja in die Hölle und nicht in den Himmel geschossen werden. (Mormelino händeringend ab)
Lola: Ha! Satan! Ruchloser Enkel! Jetzt hast Du ja unser ganzes Spiel verraten. Dir werd ichs besorgen. (Verhaut ihn, so daß er furchtbar brüllt)
Karabömke:  (nachdem der Gemeindevorsteher Fibaritz rechts aus dem Fenster herausgeklettert ist und im Hintergrunde viel geschossen wurde, wobei das Fenster schließlich ganz rot aufleuchtet, wird alles still. Lola wirft den Satan durchs Fenster raus):
Was soll das bedeuten?
Fibaritz: Alle Ihre Generale und Admirale waren des Teufels Helfeshelfer und selber Teufel. Lola ist des Teufels Großmutter. Hinten hat sich der Höllenrachen aufgetan und verschlingt Ihr ganzes Heer. Sie aber haben mir das Leben gerettet und bekommen dafür den ostasiatischen Tugendorden. (Hängt ihm eine Kette um und umarmt ihn)
Lola: Dann bleiben Sie, wo Sie wollen, Sie tugendhafter Rommandant! Ich spring in die Hölle! Adieu Sie! (Springt zum Fenster hinaus in den roten Feuerschein hinein. Geprassel und Zischen)
  (Vorhang).
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