Julius Cäsar von Afrika

Paul Scheerbart

Regierungsfreundliche Schauspiele


Julius Cäsar von Afrika

Schauspiel in 2 Aufzügen

 

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Personen:

Julius Cäsar von Afrika
Petermann, sein General-Schatzsekretär
Leonore, seine Obergemahlin
Afrikanische Generale und Soldaten

 

Der erste Akt spielt in Timbuktu, der zweite in Berlin.

Zeit: Ende des zweiten Jahrtausends der christlichen Zeitrechnung


 

ERSTER AUFZUG

 

Zelt des Julius Cäsar mit Teppichen, Wasserpfeifen, Waffen und maurischen Tischen. Hinten rechts und links Eingänge.

Julius (auf einem Divan mit schwarzem Zylinder, schwarzer Hautfarbe und weißen talergroßen Schönheitspflastern und blutrotem Mantel, zu dem stehenden Petermann, der auch Zylinder, aber gelben Mantel trägt und im Gesicht dem Julius ähnlich sieht): Die ganze Sahara ist unser Paradefeld.

Petermann: Wer der Sahara naht. hat die Paradesteuer zu bezahlen.

Julius: Ich höre, wie die Fußsohlen meiner Infanterie auf dem heißen Saharasand aufklatschen.

Petermann: Dashöre ich auch. Dadurch drücken sie ihre Verehrung für ihren Julius Cäsar vernehmlich aus.

Julius: Ich, der Julius Cäsar, verdiene das auch, denn ich regiere ganz Afrika in mustergültiger Art.

Petermann: Ja, Julius, du regierest tüchtig.

Julius: Das tu ich.

Petermann: Ja, das tust du.

Julius: Wieviel gibst du aus fürs Militär?

Petermann: Quartaliter 13 Milliarden Reichsmark.

Julius: Knickriger Knacker, gib 15:

Petermann: Hab‘ nicht mehr.

Julius: Frecher Sekretär!

Petermann: Hab‘ nicht mehr.

Leonore (weißes Gesicht mit talergroßen schwarzen Schönheitspflastern und blauen Schleppkleidern): Die Fremden werden alle Tage frecher.

Julius: Was ist los, Obergemahlin?

Leonore: Geht da so’n weißer Kerl mit Schlapphut unter den Linden von Timbuktu spazieren und geht an einer Kanone vorbei – und nimmt den Schlapphut nicht ab vor der Kanone.

Petermann: Was? Hat der Kerl keine Religion im Leibe?

Julius: Er soll seinen Kopf im Leibe haben.

Leonore: Wie meinst du das, Obergemahl?

Julius: So einfach! So natürlich! Man schneidet ihm Knuf ab, schlitzt Bauch auf, steckt Kopp rein, näht Bauch zu Petermann: Und schickt Kadaver an Eltern.

Leonore: Ihr seid Kinder.

Julius: Warum?

Leonore: Ihr seid feige Kinder.

Julius: Ha! (Aufspringend, Säbel ziehend.)

Petermann: Ha! Warum?

Leonore: Ihr müßt doch den Staat des Fremden züchtigen.

Petermann: Ah! Mit Krieg überziehen – nicht wahr?

Leonore: Na, natürlich!

Julius: Petermännchen, dann kannst du zwei Milliarden quartaliter mehr ausgeben fürs Militär.

Petermann: Jawohl.

Julius: Welchen Staat wollen wir also . ….

Leonore: Deutschland.

Julius: Gut! Also über München‘ nach Btrlin.

Petermann: Und übermorgen fressen wir auf dem Kreuzberg kleine Berliner.

Leonore: Die schmecken gut.

Julius: Den Deutschen muß die Kriegsreligion beigebracht werden- mit Pulver, Dynamit und Blei.

Petermann: Unserm Kriegsgott Upp-Upp müssen die Berliner ein Denkmal setzen.

Leonore: Auf m Kreuzberg!

Vorhang.


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ZWEITER AUFZUG

 

Szene wie im ersten Aufzug – nur größere Unordnung.

Petermann (auf dem Divan zu Leonore, die steht): Allzuscharf macht schartig.

Leonore: Ich habs doch aber so gut gemeint.

Petermann: Du hast verlangt, daß die Berliner auf den Knieen unsre Kanonen und unsre Luftschiffe und unsre Säbelautomobile anbeten.

Leonore: Das hab ich verlangt. Ich werde doch für unsre Upp-Upp-Religion eintreten können.

Petermann: Es haben sich aber ein paar Schock Berliner totgelacht beim Anbeten.

Leonore: Das schadet doch nichts.

Petermann: Wir sind aber blamiert und beleidigt dadurch und können die Toten doch nicht weiter bestrafen. Wenn wir die toten Berliner auffressen, so ist das doch keine genügende Sühne für die Frechheit.

Leonore (tiefsinnig): Wir haben Afrika zum stärksten Militärstaat der Erde gemacht – nur dadurch, daß wir allein die Körper der Afrikaner ausbildeten und den Geist in die Ecke schmissen.
Petermann: Das taten wir.
Leonore: Die Folge aber davon ist?

Petermann: Nun?
Leonore: Daß wir jetzt nicht wissen, wie wir jetzt die totgelachten Berliner bestrafen sollen. Wir haben doch nicht genug Geist dazu.
Julius (mit dem Säbel in der Faust und dem Zylinder im Genick): Die Generale stehen draußen.
Petermann: Und was sagen sie zu den Totgelachten?
Julius: Die Tat muß fürchterlich gesühnet werden- das sagen sie.
Leonore: Und wodurch?
Julius (mit dem Säbel fuchtelnd): Die Person, die da den Berlinern zu viel Religionsgefühl zugemutet hat – die Person, die unserm Kriegsgott Upp-Upp zu viel berlinische Verehrung entgegenbringen wollte- die Person muß Upp-Upp zu Ehren aufgefressen werden.
Petermann: Lepnore, das bist du ja.
Leonore: Donnerwetter! Wenn das nötig ist, – dann freßt mich auf. Für Upp-Upp laß ich mein Leben mit Wonne.
Julius: Sag lieber: mit Austernsauce.
Leonore: Schön! Aber ich bitte dich, Obergemahl, befiehl, daß nur die tapfersten Afrikaner meine Leibstücke zum Munde führen.
Julius: Das soll geschehen. Meine Generale und Soldaten warten schon.
Petermann: Komm, Leonore, rein in die Zerhackungsmaschine.
Leonore: Hoch lebe Upp-Upp! Ich lasse mich mit Wonne für ihn zerhacken.
Julius: Märtyrerin! Du wirst mit Austernsauce gegessen werden.

Petermann: Aber nur von denen, die den roten Löwenorden der Sahara besitzen.

Julius: Den hab ich ja neulich verloren.

Leonore: Dann kriegst du nichts von mir ab.

Julius: Schadet nichts! Wenn nur Upp-Upp wieder versöhnt ist! Lebe wohl, Leonore! (Er küßt sie auf die Stirne, Leonore geht danach mit Petermann hinaus. Man hört darauf ein knakkendes und knirschendes Geräusch, und dann kommt gleich Petermann, mit einem Fleischstück in der Hand, zurück.)

Petermann: Dies ist em Stück von deiner Leonore. Die schwarzen Generale kauen schon.

Julius (tiefsinnig): Allzuviel ist ungesund.

Petermann: Hut ab! (Julius reißt erschrocken seinen Zylinder ab und steht stramm.)

Julius: Friß!

Petermann: Ich fresse schon! (Steckt das Fleischstück ins Maul.)

 

Vorhang.


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