Hei! Tanz mit mir!

Paul Scheerbart

Na prost!


Hei! Tanz mit mir!

Eine Schwärmerei

aus: Na prost!

Ich bin der lachende Herr der Welt!
Was willst du essen?
Was willst du trinken?
Ich kann dir Alles geben —  Alles!
Glaubst du, ich sei arm?
Dummes, kleines Kind! Siehst du da drüben überm schwarzen Meere die unzähligen Sterne funkeln?
Weißt du, wem sie gehören?
Mir gehören die Sterne —  denn ich bin so selig, daß Niemand seliger sein kann. Und wer Etwas selig anschaut —  der besitzt das, was er anschaut —  ja, der besitzt das —  Niemand kann’s ihm rauben!
Siehst du, jetzt weißt du, was Eigentum heißt!

—  —  —

Willst du nun die Königin der Welt sein neben mir auf meinem großen Throne?
Willst du?
Sei selig, und du kannst Königin sein!
Komm‘ und setz‘ dich an meine Seite!
Wir sind ein lachendes Herrscherpaar!

—  —  —

Was willst du essen?
Bah, sei selig, und du brauchst nicht mehr zu essen!
Sei selig, und du brauchst auch nicht mehr trinken!
Dein Auge sei dein Reichsapfel, dein trunken empor sich reckender Arm dein Zepter!
So —  jetzt herrschen wir über die Welt!
Komm! Wir wollen auch mal regieren!
Hei! Tanze mit mir!
Drüben durchs Gebüsch rennen unsre Diener —  die sind gehorsam —  siehst du sie?
Nein?
So schließe dein Auge, so kannst du Alles sehen, Alles haben, Alles besitzen!
Doch du lachst noch nicht so, wie’s Königinnen geziemt!
Lach so wie ich!
Sonne, Sterne! Tanzt mit mir auch!
Ho! Hei! Ha! Rase mit mir!
Nicht zu toll!
Tanz‘ nur mit mir….


 Na Prost:


«Da hört man ja», ruft lachend der alte Kusander, «das ganze Gelächter heraus, von dem damals das gute Deutschland widerhallte. Brüllmeyers Schatz gibt uns doch ein ganz ausgezeichnetes Zeitbild. Welches Aufsehen würden wir in Java auf der Hochschule mit diesem Schatze gemacht haben! Aber auch die Hochschule ist längst entzwei! Nur das helle Gelächter der alten Deutschen ging nicht entzwei —  das ist unsterblich!»

Brüllmeyer schreit jetzt aber lauter denn je:

«Halt! Hier ist noch eine Notiz! sie ist mit so kleinen Lettern gedruckt, daß ich sie nur mit dem Vergrößerungsglase lesen kann.»

Er holt das Vergrößerungsglas und liest:

«Diese lachende Schwärmerei ward in der lächerlichsten aller Zeiten geschrieben —  und die Völker des Westens nannten diese antikapitalistische Offenbarung ‹das Königslied›. Ich aber, der ich dies hohe Lied der Augenlust gedichtet habe, will nicht, daß es ‹das Königslied› genannt werde. Ich will’s nicht! Warum ich’s nicht will, sag ich nicht!! Das bleibt ewig mein lachendes Geheimnis! Ich habe wahrhaftig nicht nötig, alles Das, was ich denke, auszuplaudern. Das tat ich nie!! Brüder des Erdballs!Erratet meine Gedanken, damit ihr lachen könnt —  noch lauter als ich!!!»

Die drei Gelehrten sehen sich verblüfft an und sehen ganz verwundert aus.

*     *     *

Der Leser, der irgendwo im Raume dieses zu lesen beliebt, wird sich wundern über das Verwundertsein der drei Gelehrten.

Die Sache werde aufgeklärt:

Auf der Hochschule zu Java wurden diejenigen, die auf den Kanzeln des weißen Elefantentempels gelehrte Vorträge hielten, ‹Könige› genannt. Solche ‹Könige› waren auch die drei Gelehrten in der Achtkantigen, die sich naturgemäß durch die ‹Fußnote› zur altdeutschen Schwärmerei eklig angeulkt fühlen mußten.

Diese letzten zweiundvierzig Worte erklären gleichzeitig auch den Titel dieses ganzen Buches, das mit vollem Recht ein ‹Königsroman› genannt zu werden verdient.

*     *     *

Die gelehrten drei Könige müssen schließlich ‹schauderhaft› lachen —  der Gedanke, daß sich schon die deutschen Dichter vor zehntausend Jahren über die germanistische Gelehrsamkeit lustigmachten —  erscheint den Germanisten unbezahlbar schön.

Wieder tobt helle Seligkeit durch alle Kanten der glücklichen Flasche.

König Passko richtet die herrlichsten Schaltiere her —  Schildkröten, Austern, Schnecken, Krabben u.s.w.

König Kusander braut einen gemischten Glühpunsch mit javanischem Büchsen— Kraut.

König Brüllmeyer würzt die Zigarren mit echtem Olabêlo— Pulver.

Und dann wird ein köstliches Fest gefeiert!

Eine Laune —  eine Laune —  macht sich breit —  die Könige werden beinah in den Weltraum hinaus gedrängt —  in den gestreiften Weltraum, wo die Weltbrillanten funkeln.

*     *     *


Ein ander Mal liest Brüllmeyer:

ps_160   Der Neugierige

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