Die Weltkutsche

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Die Weltkutsche

Eine Weltreise mit dreizehn großen Abenteuern und vielen merkwürdigenZeichnungen

Das Vorspiel

Die großen Drachen auf dem bunten Lampenschirm sperrten die Mäuler auf und schnitten grimmige Gesichter.
Und der kleine Hans sah die Drachen immerzu an und hörte dabei zu, wie der alte Onkel Fritz von seinen Reisen erzählte.
Die Mutter nähte, der Vater rauchte, die Schwester Hanne schnitt Puppenbilder aus, und der Onkel Fritz erzählte immerzu – von China und Kalifornien – von den Südseeinsulanern und von den Eskimos – von Bärenjagden und großen Seestürmen – von schwarzen Menschenfressern und betrunkenen Indianern – von Urwäldern und Klapperschlangen – Känguruhs und Giraffen.
Aber all die bunten Geschichten des alten Onkels erschienen dem kleinen Hans – viel zu einfach.
»Ich möchte auch mal eine Weltreise unternehmen!« sagte der Hans leise, als der Onkel ein Weilchen schwieg.
»Ich möchte aber«, fuhr der Kleine fort, »noch mehr sehen als der Onkel Fritz viel viel mehr.«
Da wurde der Onkel ärgerlich und sprach:
»Du Knirps, Du willst noch mehr sehen? Na – was denn?«
»Viel größere Tiere – ganz große Drachen – und ganz große Urwälder!« versetzte der kleine Hans.
Der Onkel aber sagte:
»Es ist wohl Zeit, daß die Kinder schlafen gehen.«
Und die Mutter brachte Hans und Hanne zu Bett.
Wie nun der Hans die Augen zumachen sollte, fragte er traurig die Mutter:
»Ist der Onkel böse?«
»Er ist nicht böse; schlafe nur!« antwortete die Mutter.
»Ich möchte aber doch so gerne eine sehr sehr große Weltreise mitmachen!« flüsterte der Kleine.
Da sprach die Mutter eifrig:
»Mache nur die Augen zu und schlafe dann wird ein großer Engel, der einen Pelz an hat, zu Dir kommen und Dich mitnehmen und Dich weit weit fortführen – zu großen Drachen und zu großen Urwäldern – zu großen Sonnen und Sternen – und zu ganz großen Riesen und zu ganz kleinen Zwergen!«
ps_293»Weißt Du das ganz genau?« fragte der Hans.

Die Mutter sagte: »Ja, ja!« Und Hans sagte wieder: »Kommt auch die Hanne mit?«

Die Mutter sagte wieder: »Ja, ja!« Da machte der Hans die Augen zu und schlief lächelnd ein.

Die Abfahrt

Das Fenster des Schlafzimmers, in dem Hans und Hanne schliefen, wurde leise geöffnet, und ein alter Herr in weißem Pelz erschien im Fensterrahmen.
Der Vollmond leuchtete ganz hell, und der kleine Hans erwachte und sah, wie der alte Herr vorsichtig herunterkletterte und langsam näher kam.
Der alte Herr hatte einen dicken weißen Vollbart und eine hohe weiße Pelzmütze auf dem Kopfe; die Augen des alten Herrn funkelten hinter zwei dicken Brillengläsern.
»Wolltest Du nicht, lieber Hans,« begann der Alte, »eine große Weltreise unternehmen?«
Der Kleine zitterte und sagte leise:
»Ja! Ja! Die Mama hat also Wort gehalten?«
»Das hat sie!« entgegnete der Alte.
Da stiegen durch das Fenster zwei stark gebaute Diener in goldstrotzenden Uniformen.
Die Diener hatten dicke Kleider und Pelzsachen im Arme, und der Hans stand auf und ließ sich von den Dienern anziehen; dabei sagte er aber ganz leise:
»Die Hanne kommt doch mit, nicht wahr?«
Der Vollmond leuchtete ganz hell, unten und auf den Dächern glitzerte der Schnee, und der alte Herr sprach würdevoll:
»Die Hanne kommt ebenfalls mit.«
Nach diesen Worten weckte er die Hanne – und bald waren die beiden Kinder angezogen – ganz so wie der alte Herr.
Die Kinder hatten nun ebenfalls weiße Pelzsachen an und hohe dicke Pelzstiefel, daß ihnen ganz warm wurde.
Die stark gebauten Diener hoben die Kinder auf den Fensterkopf hinauf – und da sahen sie – die Weltkutsche.
Die Weltkutsche kam langsam aus den Wolken herunter und war von allen Seiten von kugelrunden roten und grünen Lampions umgeben. Wie ein langer Kahn sah die Weltkutsche aus. Aber der Kahn war ganz aus Glas.
Und ein langes Brett wurde von dem Glaskahn zum Fensterkopfe hinübergeschoben – und über das Brett ging langsam der alte Herr – und die beiden Diener nahmen die beiden Kinder auf den Arm und folgten dem alten Herrn.
Hans rief laut:
»Ach, lieber Onkel, wie sollen wir Ihnen danken?«
Doch der Onkel lächelte nur und setzte sich auf einen blauen Sammetsessel, während sich die Kinder, nachdem sie von den Dienern wieder heruntergelassen waren, in großer Ergriffenheit an die Hände faßten.
Die roten und grünen Lampions schaukelten und wackelten ringsum auf allen Seiten, das Brett wurde zurückgezogen, und leise surrend schwebte die Weltkutsche über die Schneedächer der Stadt dahin und dann, Hans und Hanne sanft hin und her wiegend, zu den Sternen empor.
Der Vollmond machte ein erstauntes Gesicht.

Das erste Abenteuer

Als Hans und Hanne in der Weltkutsche auf einem weichen Polstersofa saßen, schliefen sie wieder ein.
Und die Kutsche fuhr währenddessen rasch an allen Sternen vorbei – immer weiter – immer weiter.
Und als der Hans erwachte, sah er durch die Glasscheiben in eine seltsame Gegend, in der große gelbe Käfer ein gelbes Licht ausstrahlten – und zwischen den Käfern schwebten große Geister, deren riesige violette Leiber Rübenform hatten.
In der Kajüte war nur noch die Hanne, die noch schlief.
Ihr Bruder weckte sie und ging mit ihr hinaus nach vorn.
Die Kutsche war wie ein kleines Dampfboot gebaut, und von den roten und grünen Lampions war nichts mehr zu bemerken.
Der Hans rieb sich schlaftrunken die Augen, um besser sehen zu können. Und er sah vorn weit vor der Spitze des Bootes eine große Maschine mit großen flatternden Flügeln, die an langen Seilen das Luftboot dahinzog.
Da gab’s einen Ruck; die Kinder drehten sich um und sahen, daß hinten auf dem Schiff eine andere ähnliche Maschine in die Luft hinausgestoßen wurde und nun das Schiff nach der entgegengesetzten Seite zog, so daß es allmählich still stehen mußte.
Da kamen ein paar Rübengeister und blickten mit ihren Riesenköpfen, die violett leuchteten, über Bord und riefen die Kinder an: »He, wollt Ihr lange Nasen haben?«
Hans besann sich ein wenig und überlegte, ob er sich fürchten sollte. Da er aber der Schwester gern zeigen mochte, wie mutig er sein könnte, so rief er laut:
»In, lieber Onkel, eine große Nase möchte ich wohl haben. Ich fürchte mich nicht.«
Da kamen aus dem Rübenleibe des einen Geistes ganz lange dünne Spinnenfinger heraus, ergriffen Hansens Nase und zogen daran, daß sie immer länger wurde und sehr bald über Bord ging und weit ins Weltenall hineinreichte. Der Hanne geschah desgleichen. Die Kinder sahen sich erschrocken an. Aber der Onkel im weißen Pelz erschien darauf und sagte lachend: »Wenn Ihr Euch so lange Nasen machen laßt, so habt Ihr in meiner Weltkutsche keinen Platz mehr.«
Und er nahm den Hans und warf ihn über Bord und die Hanne hinterdrein.
Die Kinder wollten schreien, konnten aber nicht – sie sanken langsam in die Tiefe.
Die Weltkutsche fuhr weiter.
Die Rübengeister lachten im Chore, daß es dem Hans und der Hanne in den Ohren dröhnte.

Das zweite Abenteuer

Da sauste ein großer Vogel vorbei, und durch den kühlen Flügelwind kam den Kindern die Sprache wieder, und die ersten Worte, die der Hanne über die Lippen kamen, waren:
»Hans, was für eine lange Nase hast Du! Die ist ja hundert Mal länger als Du selber bist!«
Und der Hans rief lachend:
»Hanne, sei still! Das war doch das erste Abenteuer – paß man auf: jetzt kommt gleich das zweite!«
Und es geschah, wie der Hans gesagt hatte. Die Kinder sahen plötzlich ein großes Wasser unter sich, und der Hans rief heftig:
»Hanne, mach den Mund zu!«
Danach fühlten sie, daß ihre Nasenspitzen naß wurden, und gleich darauf waren sie ganz und gar im Wasser. Aber das Wasser war hell und nicht kalt. Millionen Meerungeheuer schössen wie die Pfeile nach oben und nach unten, und die Wasser wirbelten durcheinander, daß alles schaukelte – riesige Seesterne und Seepferdchen schwammen um die langen Nasen der Kinder herum. Und es ging immer tiefer hinunter – zwischen Felsen und Meergewächsen – hinab.
Die Nasen der Kinder bogen sich und drehten sich wie lange Landstreifen. Und dann ging’s schraubenförmig hinunter in einen großen, allmächtigen Wasserstrudel. Und in den drehten sich die Nasen noch viel mehr, so daß Stücke abrissen. Und die Nasen wurden immer kürzer, denn die Wasserstrudel wurden immer stärker. Und bald waren die großen langen Nasen ganz und gar abgedreht.
Der Hans dachte lachend:
»Das also war das zweite Abenteuer!«
Und danach kamen sie in ein ruhiges Wasser, in dem es immer heller und heller wurde. Und so viele Glanzstreifen tauchten auf, daß den Kindern bald die Augen schmerzten. Und sie schlössen die Augen. Und sie hörten ein großes Rauschen.

ps_235Das dritte Abenteuer

Und die Kinder fühlten dann nicht mehr das große Wasser, seine Hände streichelten die Augen der Kinder. Und als sie die Augen wieder auftaten, blickten sie in ein buntglänzendes funkelndes Brillantenreich. Da waren kantenreiche Säulen mit kantigen Ästen. »Glasbäume!« rief die Hanne. Und auf dem Boden, auf dem die Kinder standen, war auch alles aus Glas Beete aus durchscheinendem Glas – und seltsam regelmäßige Rristallblumen.
Und in dem großen Glasgarten, der auf allen Seiten weit sich ausdehnte – mit großen Glaswänden und vielen Treppen und Galerien – da gingen merkwürdige Männer mit ganz dünnen Glasbeinen herum.
Hans faßte sich an seine Nase und fühlte, daß sie ganz so war wie früher.
»Das ist nur gut,« sagte er zu seiner Schwester, »daß wir wieder unsre alten Nasen haben, mit den langen Nasen stieß man doch überall an.«
»Kinder,« sprach da ein alter Glasmann, der lauter buntkantige Glaskleider an hatte, die sich nicht bewegten wie Baumwolle und Leinewand, »wollt Ihr jetzt lange Glasbeine haben?«
»Ach nein,« sagte da eifrig die Hanne, »wir danken schön; die langen Nasen waren auch so unbequem.«
»Aber Hanne,« flüsterte ihr der Hans eifrig zu, »sei doch bloß nicht so ängstlich. Wir werden doch nicht vor einem neuen Abenteuer Angst haben. Wenn Du Angst hast, dann hättest Du auch zu Hause bleiben können; wir sind doch auf einer Weltreise. Auf Weltreisen gibt’s doch immer Abenteuer.«
Hanne freute sich über ihren mutigen Bruder und war bald mit Allem einverstanden. Und so wurden denn den Kindern die Beine langgezogen – aber furchtbar lang. Und Glaskleider bekamen die Kinder auch; die Pelze wurden ihnen ausgezogen. Und da gingen nun Hans und Hanne mit ihren langen, langen, kantigen, glitzernden Glasbeinen durch die Glasgärten, in denen alle Bäume bunte funkelnde Brillantenblüten trugen. Da gab’s sehr viel zu sehen. Und sie gingen wie auf Stelzen und schnell dahin, als hätten sie Siebenmeilenstiefel an.

Das vierte Abenteuer

Der Spaziergang durch die Glasgärten gefiel den Kindern. Aber den größten Spaß machte ihnen dabei, daß sie so schnell weiterkamen; sie sahen immer wieder hinunter, um ihre langen Beine zu bewundern. Und so war es natürlich, daß sie von den Köstlichkeiten der Brillantenwelt nicht allzuviel bemerkten; wer zu schnell vorwärts kommt, hat eben nicht viel davon.
Plötzlich riefen von oben viele Stimmen laut und heftig:
»Habt ihr denn gar keine Zeit? Habt ihr denn gar keine Zeit?«
Da blickten die Kinder nach oben und sahen da eine große schimmernde Perlendecke, die aus unzähligen Perlen bestand; die Perlen aber hatten menschliche Kopfformen.
Da lösten sich die buntesten der Perlenköpfe von der Decke los und schwebten frei in der Luft herum und riefen laut:
»Wollt ihr mit uns um die Wette laufen?«
Da antworteten die beiden Kinder: »Ja! Ja!« und liefen, was sie laufen konnten.
Doch die Perlenköpfe waren geschwinder und flogen schnell dahin wie Kanonenkugeln.
Und bei diesem Wettlauf kamen die Beiden mit ihren langen Glasbeinen in große weite Felder hinein, und die Perlendecke verschwand über ihnen, und die bunten Perlenköpfe flogen in den Himmel hinauf, der voller Wolken war.
Da teilte sich eine Wolke, und die Kinder sahen plötzlich ihre Weltkutsche wieder.
»Da müssen wir hineinsteigen!« rief der Hans.
Er packte Hannens Arm und hob das rechte Bein hoch auf und setzte es auf die Weltkutsche, die Hanne tat dasselbe und dann gaben sie sich einen guten Schwung – und es gelang – sie standen gleich danach mit beiden Füßen auf der Weltkutsche; mit den Köpfen fuhren sie durch die Wolken durch, so daß sie unter sich ihre langen Beine gar nicht bewundern konnten. Hans stand vor der Hanne und sagte: »Hanne, halte mich mal fest; ich will mal mein linkes Bein seitwärts heben, damit ichs sehen kann.«
Und die Hanne hielt den Hans fest, und der Hans hob das linke Bein seitwärts und sah, wie es durch die Wolken durchglitzerte.

Das fünfte Abenteuer.

Das Stehen mit so langen Beinen ermüdet natürlich sehr, und daher kam der Hans auf den Einfall, sich hinzusetzen. Das erfüllte nun die Hanne mit großer Angst, und sie rief erschrocken:
»Aber Hans, wie sollen wir uns mit so langen Beinen hinsetzen? Wo sollen wir denn die langen Beine hinstecken?«
»Die lassen wir«, sagte der Hans ganz ruhig, »einfach runterbaumeln.«
Und sie setzten sich langsam und vorsichtig hin – mitten auf die Weltkutsche.
Als sie saßen und die Beine über Bord in die Luft hinaus wackelten, da sagte die Hanne:
»Ich hätte doch nie gedacht, daß es so schwer sein könnte, sich hinzusetzen.«
Es war auch sehr schwer gewesen; die Kinder mußten dabei auf einem Beine balanzieren.
»Mich wundert nur,« meinte der Hans, »daß wir dabei nicht rausgefallen sind.«
»Wenn wir nur wüßten,« flüsterte da die Hanne, »wohin wir jetzt fahren, auf unserem Dampfschiff ist doch niemand zu sehen.«
»Ach was,« rief da der Hans heftig, »unsere Weltkutsche ist zunächst kein Dampfschiff; dagegen ist es jedenfalls viel klüger als wir, es wird schon wissen, wohin wir fahren. Wissen denn die älteren Menschen im gewöhnlichen Erdenleben jemals, wohin sie fahren? Da siehst du es; das will uns die Weltkutsche ganz besonders klar machen, daß eigentlich keiner weiß, wohin wir mal kommen werden.«
Nach dieser Rede sahen die Kinder große Eisblumenwälder unter sich – und dazwischen kleine, haarfeine Männer mit seltsamen, ganz dünnen Gliedmaßen; die Männer tanzten lustig, während sich rechts und links die Eisblumen als riesenhafte Bäume nach allen Seiten hin aufreckten.
Während die Kinder hinuntersahen, kamen ihre Beine den Spitzen der Eisblumenwälder zu nahe, so daß die Beine plötzlich abbrachen, wobei auch die paar Eisblumen krachend entzweibrachen.
Aber – das tat nicht weh.
Und die Hanne rief lachend:
»Hans! Hans! Jetzt haben wir wieder unsre kleinen Beine; die großen waren auch zu beschwerlich.«

Das sechste Abenteuer.

Da die Kinder nun fühlten, daß sie wieder ganz gewöhnliche Beine hatten wie früher, standen sie auf und liefen auf dem Verdeck der Weltkutsche herum und wollten auch in die Kajüte hinunter aber da waren alle Türen fest zugeschlossen. Und kein Mensch ließ sich sehen; zu hören war auch keiner.
Jetzt behauptete die Hanne, daß sie bereits vier Abenteuer erlebt hätten.
Der Hans jedoch sagte:
»Ach Hanne! Du bist im Rechnen schwach. Glaubst du, lange Beine kriegen – und Abbrechen der langen Beine das wäre nur ein Abenteuer. Ach, Hanne!
Das sind zwei Abenteuer. Jetzt kommt das sechste.«
Da sahen sie eine kolossale große Wolke näher kommen, und die Hanne rief:
»Hans, das ist ein alter großer Strumpf!«
Die Wolke sah auch so aus, doch der Hans schüttelte bedenklich den Kopf und rief dann erschrocken:
»Siehst du denn nicht, daß aus dem Strumpf ein riesiger Löffel herauskommt?«
Die Hanne sagte:
»Das ist das sechste Abenteuer!«
»Das ist noch keins,« versetzte der Hans, »ein Abenteuer entsteht erst dann, wenn uns was dabei passiert. Vorläufig passiert uns aber noch nichts.«
Da kam der riesige Löffel immer näher und näher und schob sich plötzlich unter die Weltkutsche.
Und da lag denn die Weltkutsche im Löffel.
Die Wolke hatte jetzt nicht mehr Strumpfform, sie wurde ganz schwarz und Blitze zuckten in der Wolke, und es donnerte dazu.
Die Hanne umfaßte zitternd ihren Bruder und sagte leise:
»Jetzt ist uns was passiert, nicht wahr, Hans? Das ist also das sechste Abenteuer; wir sind im Löffel.«
Der Hans zitterte auch und versetzte leise:
»Jetzt wird mir auch ein bißchen unheimlich. Das ist aber das Schönste bei allen Abenteuern, daß man nicht weiß, wie’s weiter gehen wird. Warten wir’s ruhig ab. Wir wollen nicht verzagen. Wir haben ja schon so sehr viel durchgemacht.«
»Glaubst du,« fragte da die Hanne, »daß unsre Rutsche weiß, wie’s weiter geht?«
Aber der Hanns rief mürrisch:
»Frage nicht so viel! Wart’s ab!«
Da blitzte es wieder in der Wolke – und dann gab es einen furchtbaren Donnerschlag, daß die Kinder umfielen.

Das siebente Abenteuer.

Raum waren die Kinder wieder aufgestanden, da teilte sich die Wolke, und ein ungeheuerlich großes, allmächtig großes Riesenantlitz wurde sichtbar.
Das Gesicht hatte ein Maul – so maßlos breit, daß die Kinder abermals umfielen.
Sie sahen, daß sich das Maul öffnete und Zähne zeigte – Zähne – so groß wie mächtige Felsen.
»Hans,« schrie die Hanne, »auf den Zähnen klettern Gemsen herum – sieh bloß – da rechts!«
Der Hans schrie jetzt auch, als er die Gemsen sah.
Dann aber sprach er ganz ruhig:
»Sei stille, liebe Hanne! Jetzt werden wir aufgefressen. Das ist gräßlich. Wären wir nur erst wieder zu Hause.«
Der Riese lachte. Das klang wie ein hohles, furchtbares Donnerwetter. Und dabei steckte er sich den Löffel mit der Weltkutsche in den Mund.
Und da sahen die Kinder, wie die Gemsen auf den Zähnen des Riesen ganz gemütlich herumkrabbelten. Im Maule des Riesen aber ward es ganz hell; wundervolle Lampions kamen aus den inneren Zähnen des Riesen heraus – riesige Lampions – ganz seltsame, die wie große, durchsichtige Perlen und wie Brillanten aussahen.
Der Hans rief ganz entzückt:
»Hanne, sieh dir nur die köstlichen Lampions an – die sind auch so groß wie Berge!«
Und die Kinder sahen auf einigen Lampions kleine Zwerge, die lustig lachten, als die Weltkutsche langsam auf der Riesenzunge weiterrutschte.
Langsam fuhr die Weltkutsche in den Schlund des Riesen, allwo es ganz dunkel wurde.
Da hielten sich die Kinder an der Kajütentür ganz fest und wimmerten.
Und die Hanne rief leise:
»Wären wir nur erst wieder zu Hause!«
Es ging aber immer tiefer hinab – in den Magen des Riesen.

ps_242Das achte Abenteuer.

Im Wagen ward es nun wieder heller doch das Licht, das den Wagen heller machte, wirkte nicht sehr beruhigend auf das Gemüt der beiden Kinder.
Riesige Augen von riesigen Ungeheuern leuchteten in dem Riesenmagen; die Augen der Ungeheuer glühten in allen möglichen Farben und machten den Magen immer heller.
Der Hans aber sagte traurig:
»Hanne, sei nur still! Nun dachte ich, wir wären schon aufgefressen – und jetzt kann es uns passieren, daß wir nochmals aufgefressen werden. Die Ungeheuer, die wir ringsum sehen, sind sehr schöne, große Tiere. Sieh Dir diese Bestien nur genau an. So was sieht man nicht alle Tage.«
Die Weltkutsche schwebte nun langsam im Riesenmagen herum, so daß sich die Kinder die Ungeheuer ganz gemütlich ansehen konnten.
Große Drachen kamen aus den Magenwänden heraus; die Tiere schienen sämtlich in den Magenwänden zu leben.
Pfoten hatten die Drachen – so lange, daß die Weltkutsche sehr leicht von ihnen zerrieben werden konnte. Und die bunten Augen der Ungeheuer und Drachen glotzten die Kinder an, daß denen angst und bange ward.
Die Hanne fragte leise ihren Bruder:
»Du, werden sie uns zerkauen?«
»Das«, erwiderte der Hans, »könnte uns sehr weh tun; ich möchte nicht zerkaut werden.«
Da gab’s einen furchtbaren Knall, und die eine Seite des Magens wurde aufgerissen, daß die Fetzen herumflogen, und eine sonnengroße Kugel sauste durch den Magen durch, durchschlug auch die gegenüberliegende Seitenwand und flog hinaus.
Und die Weltkutsche wurde von dem Zuge mitgerissen und flog der Weltkugel nach – in einen dunkelblauen Sternenhimmel hinein.
Als die Kinder wieder den Sternenhimmel über sich sahen, atmeten sie auf und hoben die Arme empor und lachten und weinten.
Und die Sterne glitzerten. Und der Hans schrie laut: »Da oben sind andere Augen!«

Das neunte Abenteuer.

Nach diesen großen Aufregungen schliefen die Kinder plötzlich ein.
Und als sie aufwachten, standen viele kleine Zwerge mit langen weißen Barten neben den Kindern und lächelten.
Die Zwerge reichten den Kindern freundlich die Hand und sagten: »Guten Abend«, führten sie aus der Weltkutsche hinaus und in ein kleines Haus hinein, das ganz aus Holz gebaut war.
»Wo sind wir hier?« fragte leise die Hanne.
»Entschuldigen sie nur,« rief da der Hans dazwischen, »daß meine Schwester immer so neugierig ist; ich bin gar nicht so neugierig und schon daran gewöhnt, daß wir immer neue Wunderwelten kennen lernen und immer neue Abenteuer erleben müssen. Das ist nun mal so in unserm Leben. Und ich bin ganz zufrieden damit und gar nicht neugierig.«
Da lächelten die Zwerge wieder und gaben den Kindern eine Tasse Schokola
de und feines Gebäck dazu, das besonders der Hanne sehr gut schmeckte.
Der Hans sah sich das kleine Zimmer an und freute sich über all die vielen kleinen Figuren, die überall herumstanden besonders über eine große Rastenuhr, an der viele aus Holz geschnitzte Fische angebracht waren.
Da holten die Zwerge zwei seltsame große Hornbrillen mit ganz runden, dunkelgrünen Gläsern hervor – und die Brillen setzten sie den Kindern auf die Nase.
Wie die Kinder nun durch die grünen Brillengläser sahen, kam ihnen plötzlich alles ganz anders vor – die Zwerge wurden mit einem Male zu Riesen und die kleine Stube ungeheuerlich groß.
Danach öffneten die Zwerge an jeder Seite der Rastenuhr eine kleine Tür und ließen die Kinder von beiden Seiten in die Uhr hineingucken.
»Sind das«, rief gleich der Hans, »nicht große Sterne und Ungeheuer?«
»Jawohl,« sagten die Zwerge.
Und die Kinder sahen in der Uhr Millionen von seltsam geformten Sternen, die langsam dahinschwebten und sich drehten, aber nicht alle rund waren; manche hatten eine längliche Form, andere Hörner und seltsame Strahlenkronen.
Und all die Sterne bewegten sich immerzu und stießen nicht gegen einander an. Und die Kinder wunderten sich, daß den Sternen nichts passierte.
»Die erleben keine Abenteuer!« sagte leise der Hans. »Das ist aber«, bemerkte die Hanne, »für uns das neunte Abenteuer«

Das zehnte Abenteuer.

Die Kinder blieben mehrere Tage bei den Zwergen. Und es ging da sehr lustig zu; jeden Tag gab’s wundervoll geformte Torten und ganz hohe Baumkuchen mit Drachenköpfen.
Die Stadt der Zwerge lag wie eine Insel hoch über den Wolken – doch ringsum war überall nur Luft und kein Wasser; viele sehr merkwürdige Luftschiffe kamen zur Insel – einzelne dieser Luftschiffe wurden von Luftballons getragen, doch die meisten hatten nur Flugmaschinen; die größten flogen mit ganz langen, durchsichtigen Flügeln durch den Weltenraum.
Der Hanne gefiel das Leben in der Stadt der Zwerge sehr, doch der Hans wollte wieder ein Abenteuer erleben.
»Wir haben,« sagte er traurig zu seiner Schwester, »erst neun Abenteuer erlebt.
Ich bin auf das zehnte sehr neugierig. Wir müssen auch etwas dazu tun, wir müssen mutiger werden.«
»Ist,« fragte die Hanne, »Kuchenessen nicht auch ein Abenteuer?«
Da lachte der Hans und rief lachend:
»Laß Dich nicht auslachen.«
Nun gab es bei den Zwergen viele sehr große Vögel, die ungefähr dreißigmal so groß als die irdischen Schwäne waren.
Die Zwerge hatten den Kindern verboten, sich auf den Rücken dieser großen Schwäne zu setzen.
Aber der Hans lächelte über dieses Verbot und versuchte, seine Schwester zu überreden, doch mal auf solchen Schwan raufzuklettern.
Die Hanne wollte erst nichts davon wissen, aber der Hans bat so viel und schmeichelte so, daß sie sich doch eines Abends, als es Niemand bemerkte, verführen ließ, auf solchen Schwan raufzuklettern.
Raum saßen sie oben in den weichen Federn – so breitete der Schwan seine riesigen Flügel aus und flog mit den Kindern davon zu den Sternen empor.
Die Hanne schrie:
»Hilfe! Hilfe!«
Aber der Hans lachte und rief:
»Das ist das zehnte Abenteuer! Nun wollen wir sehen, was uns jetzt passieren wird. Mutig muß man sein, sonst erlebt man nichts.«
Und sie schwebten auf dem Schwan durch die Nachtluft dahin, und die Sterne glitzerten, und die Stadt der Zwerge verschwand im Hintergrunde.

 

Das elfte Abenteuer.

Und große Kometen schössen neben den Kindern zischend und knatternd vorbei und leuchteten dabei so grell, daß der Hans sich die Brille aufsetzte, die er von den Zwergen bekommen hatte.
Kaum hatte er die Brille aufgesetzt, so sah er plötzlich überall im Weltraum große, mächtige Flammen herumschlagen rote, blaue und grüne Flammen – und auch ganz bunte.
»Hanne, setz‘ Deine Brille auf!« rief er heftig.
Die Hanne tat’s und sah nun auch, was der Hans sah.
»Werden wir,« sagte sie leise, »jetzt verbrennen?«
»Das wollen wir mal,« erwiderte der kluge Hans, »ganz ruhig abwarten. Wer so viel erlebt hat wie wir, der kann ganz ruhig in die Zukunft blicken.«
Während er das sagte, sah er plötzlich feurige Schlangen mit abenteuerlichen Köpfen durch die Flammen schießen, und die Hanne sah auch die Schlangen und bekam eine furchtbare Angst.
Die Schlangen kamen immer näher und ringelten sich um den Hals des Riesenschwanes und glotzten die Kinder mit ihren weißen Augen furchtbar an.
Dem Hans wurde jetzt gleichfalls unheimlich zu Mute, doch er nahm sich zusammen und,rief laut:
»Kann mir denn Niemand sagen, wie es kommt, daß diese Flammen uns und unserm Schwan nichts schaden?«
Nachdem er diese Worte in die feurigen Lüfte hineingerufen hatte, erschien
ein großer Mondkopf hinter dem rechten Flügel des Schwans, und der sagte sehr ernst und eifrig:
»Ihr seid doch sehr ungezogene Kinder! Haben Euch die Zwerge nicht verboten, auf den Schwan zu klettern? Und Ihr habt es doch getan. Das muß tüchtig bestraft werden.«
Die Hanne schrie, der Hans duckte sich und zog den Kopf zwischen die Schultern, doch dabei bemerkte er, daß das Mondgesicht an Stelle der Ohren zwei lange Fäden hatte, an denen große Schwämme baumelten.
Und diese Schwämme fuhren plötzlich den Kindern ins Gesicht. Und sie fühlten eine eiskalte Flüssigkeit, die die Haut aufriß, daß es schrecklich weh tat.
»Ich will Euch waschen!« hörten sie noch das Mondgesicht sagen.
Dann aber verging ihnen Hören und Sehen, und sie sanken wie tot in die Federn zurück.
Der Schwan aber flog langsam aus den bunten Flammen raus in eine sehr stille Weltecke hinein.

Das zwölfte Abenteuer.

Als die Kinder erwachten und sich gegenseitig ansahen, schrieen sie laut auf vor Entsetzen; ihre Gesichter waren ganz zerkratzt und blutig und die Brillen verbogen und zerbrochen. Und die Haut schnlerzte furchtbar.
»Du Hanne,« sprach der Hans weinerlich, »solche Abenteuer machen keinen Spaß.«
»Ach, wären wir nur,« rief die Hanne, »erst wieder zu Haus. Wenn Du wieder auf einen großen Vogel raufklettern willst, dann klettre nur allein.«
Danach sahen Sie aber hinter einer weißen Wolke ihre Weltkutsche hervorkommen, und auf der Weltkutsche waren viele, viele Zwerge – die winkten mit bunten Taschentüchern.
Und dann brachte der Riesenschwan die Kinder wieder zur Weltkutsche, und die Zwerge halfen den Kindern absteigen.
»Wie seht Ihr aus?« riefen alle zusammen.
Da erzählten die Kinder vom Mondgesicht und von den eiskalten Schwämmen.
»Da gibt es,« sagte ein alter Oberzwerg, »nur ein Mittel. Wir müssen zum großen Eismeer fahren und die Kinder dort mit Eismeerwasser waschen. Dann werden die Gesichter wieder glatt. Die Brillen sind leider nicht mehr zu retten.«
Hierauf fuhren sie ins große Eismeer, wo viele Eisvögel herumflogen und weiße Eisberge herumschwammen. Dort wurden die Kinder mit Eismeerwasser gewaschen – das war entsetzlich kalt. Aber es half; die Gesichtswunden heilten.
Hans fragte darauf die Hanne:
»Sollen wir nun dieses Gesichtswaschen auch für ein Abenteuer halten?«
»Nein,« rief die Hanne, »wie kannst Du nur so was Alltägliches für ein Abenteuer halten! Laß Dich doch nicht auslachen.«
Da lächelte der Hans und meinte:
»Alltägliches soll das sein?«
Daraufriefen die Zwerge:
»Kinder, kommt schnell runter in die Kajüte, sonst erfriert Ihr. Wir frieren ein! Wir frieren fest.«
Da gab’s einen Knacks, und die Weltkutsche saß im Eise fest; die Zwerge und Kinder liefen hinunter in die Kajüte, wo der gute Onkel war, der die Kinder zu Hause aus den Betten geholt hatte.
In der Kajüte war’s aber warm.
Da rieben sich die Zwerge und die Kinder die Hände und freuten sich sehr.

Das dreizehnte Abenteuer.

Während es nun in der Kajüte immer gemütlicher wurde, da die starken Diener in den goldenen Uniformen warmen Punsch herbeibrachten, ward es draußen auf dem Eismeer immer kälter, und dazu fiel der Schnee in kopfgroßen Flocken, sodaß die Weltkutsche bald ganz und gar eingeschneit war; durch die Fenster der Kajüte konnte man nicht durchsehen, und oben konnte man die Türe, die zum Verdeck hinausführte, nicht öffnen – so viel dicker Schnee lag überall.
Doch da bewegte sich die Weltkutsche mit einem Male und wackelte hin und her, und die Fenster der Kajüte wurden hell; der Schnee fiel fort.
»Wie kommt denn das?« fragte der Hans.
Da sagte ein Oberzwerg:
»Kuck doch nur hinaus!«
Und als sie alle hinaussahen, entdeckten sie in der Luft große, feurige Sonnen – die flogen furchtbar rasch durch den Weltenraum – und eine Sonne kam der Weltkutsche so nahe, daß das ganze Eismeer in ein paar Sekunden verdampft war.
Und danach schwebte die Weltkutsche wieder in der freien Luft, und alle gingen nach oben aufs Verdeck und sahen, wie
unzählige Sonnen von rechts nach links und von links nach rechts flogen.
Der Hans machte große Augen.
Und die Zwerge erzählten ihm, wie das zuging:
»Hier spielen,« sagten sie, »die großen Weltriesen Ball mit großen Sonnen. Die Sonnen aber sind Riesenköpfe, die sich das Spiel gerne gefallen lassen.«
»Haben denn die Köpfe,« fragte die Hanne, »keine Leiber?«
»Nein,« versetzten die Zwerge, »es ist doch nicht nötig, daß die Köpfe immer Leiber haben müssen – das ist wohl so bei den Menschen auf der Erde der Fall doch in der weiter abgelegenen Welt, in der wir uns hier befinden, braucht der Kopf nicht immer einen Leib; das Mondgesicht, daß Euch mit feinen Schwammohren die Gesichter wusch, hatte doch auch keinen Leib.«
»Eine tolle Welt!« rief der kleine Hans.
Und er sah, wie die Sonnenköpfe durchs Weltall flogen.

Die Heimfahrt.

»Das war,« sagte die Hanne, »das größte Abenteuer.«
»Das dreizehnte!« bemerkte der Hans.
Der alte Onkel aber sagte, daß sie jetzt nach Hause fahren müßten; die Maschinen der Weltkutsche müßten ausgebessert werden.
«Oh, wie freue ich mich!« rief die Hanne.
Aber der Hans sagte traurig:
»Ich wäre gerne noch weiter gefahren; ich kann garnicht genug Abenteuer erleben.«
Da sagte der alte Onkel, der die Kinder aus ihren Betten herausgeholt hatte, sehr ernst:
»Mein lieber Hans! Es kommt nicht darauf an, daß wir immerzu neue Abenteuer erleben; wir können in allem, was uns begegnet, ein großes Erlebnis erblicken; Kuchenessen kann auch ein Abenteuer für uns werden, und wenn wir Sonnen, Monde und andere Sterne ansehen so kann uns auch dieses Ansehen ebenfalls zum Abenteuer werden. Du hättest deshalb viel mehr als dreizehn Abenteuer zählen können.«
Der Hans merkte sich jedes Wort und nickte dazu, und dann verabschiedeten sich die kleinen Zwerge von den Kindern und kletterten auf einen großen Weltenbaum, dessen Blüten leuchteten wie elektrische Lichter.
Danach fuhr die Weltkutsche durch eine lange Wolkenallee, in der rechts und links die Wolken so dastanden wie die Bäume in einer Allee – und zwischen den Wolken schwebten große Luftballons, in deren Gondeln Schlangenmenschen saßen, die immerzu mit ihren langen spitzen Fingern den Kindern winkten.
Da ging im Hintergrunde eine große rote Sonne auf und machte alle Wolken und alle Gondeln und alle Ballons ganz bunt – so bunt wie Millionen Schmetterlingsflügel.
Und dann landete die Weltkutsche wieder in der Stadt, in der die Kinder wohnten.
Und die beiden starken Diener brachten die Kinder wieder in ihr Schlafzimmer, zogen ihnen die Pelzsachen aus und legten die Kinder ins Bett.
Hans und Hanne schliefen gleich fest ein.
Und die Weltkutsche fuhr wieder davon.

Das Nachspiel.

Als am nächsten Abend der Hans seine Reiseerlebnisse erzählt hatte, schlug der Onkel aus Amerika mit der Faust auf den Tisch und sagte feierlich:
»Mein lieber Hans! Dich mach ich zu meinem Universalerben!«
Da traten den Eltern Tränen in die Augen, der Hans aber sagte ganz leise:
»Lieber Onkel, gieb lieber der Hanne das viele Geld, die kann es besser gebrauchen, denn sie hat ein so schwaches Gedächtnis und kann sich an unsere Reise garnicht ordentlich erinnern. Wenn sie immer alles so schnell vergißt, so muß man schon für sie sorgen.«
Der Onkel aus Amerika kratzte sich seinen Bart und sagte:
»Meinetwegen! Willst Du denn wenigstens eine Düte mit Marzipan haben?«
Da sagte der Hans:
»Ja! Das möchte ich wohl!«
Da bekam er die Düte und gab seiner Schwester die Hälfte ab, und beide aßen das Marzipan mit großem Wohlbehagen, dachten aber dabei ohn‘ Unterlaß an die Weltkutsche.

 


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