Lompûschek

Paul Scheerbart 

Das Lachen ist verboten


Lompûschek

Eine Bummlervision

aus: das Lachen ist verboten

Lompûschek, der Gott der Gelangweilten, wandelte langsam durch die Straßen einer großen Stadt.

Und er sah die an, die zu ihm beteten, und es ergriff ihn Mitleid. „Ich möcht’ Euch erlösen“, murmelte der Gott so vor sich hin. Und bald gefiel er sich als Erlöser so gut, daß er sich sichtbar machte —  und aussah wie ein einfacher Mensch.

Er ging aber ganz ruhig als Mensch weiter.

Plötzlich riefen drei andre Menschen neben ihm: „Siehe, da bist Du ja!“

Lompûschek erschrak, merkte jedoch gleich, daß er für den alten Bummler Ewald Krämer gehalten wurde, lächelte darüber, ließ sich’s gefallen und ging mit den drei Menschen in die nächste Kneipe.

Krämer, der verkappte Gott, war heiter und brachte das Gespräch auf Lompûschek —  auf sich selbst —  den Gott der Gelangweilten. Da ward Allen gleich sehr andächtig zu Mute —  denn Lompûschek war „ihr“ Gott.

„Langweilt ihr Euch?“ fragte der nun.

Und der eine der drei Menschen erwiderte:

„Wir bekämpfen doch die Langeweile! Dazu sind wir doch in die Kneipe gegangen. Wir vertreiben die langweilige Stimmung —  wie Du ja siehst —  durch Essen, Trinken, Rauchen, Lesen, Spielen, Reden, Weiber, Witze, Prostrufen, Bezahlen, Schimpfen, Verleumden und ähnliche Scherze. Mein Gott, das weißt Du doch!“

Der Gott fühlte sich ein bißchen überflüssig.

„Ich wollt’ Euch erlösen!“ sprach er ernst.

„Aber Ewald!“ rief man im Chor.

„Ich bin Lompûschek, der Gott der Gelangweilten, Euer Gott!“

Also entgegnete der vermeintliche Ewald Krämer im tiefsten Ton und im tiefsten Ernst.

Natürlich —  dröhnendes Gelächter auf allen Seiten.

„Ewald Krämer erlöst uns!“ schrie laut der eine Mensch.

„Nein, ein Gott erlöst Euch!“ schrie der Gott.

„Wovon?“ fragte man.

„Von der langen Weile!“ donnerte der Gott.

Alle brüllten wie uralte Germanen.

Der eine Mensch rief dazwischen:

„Die Sache ist einfach! Krämer, pump’ uns tausend Taler, dann sind wir ganz bestimmt erlöst!“

Ein Andrer stotterte unter Tränen lachend: „Krämer, schmeiß’ —  ’ne —  Bowle!“

Dann aber war der Stuhl, auf dem Krämer gesessen hatte, plötzlich leer…

Und die Menschen hörten ein Sausen in ihren Ohren,

„Hat uns der Gott wirklich erlöst?“ fragten die Menschen lachend.

Sie wunderten sich über den leeren Stuhl.

Ihnen kam die Sache schon ein bißchen unheimlich vor.

Und als es plötzlich still geworden, ward eine Stimme in der Kneipe gehört —  die sprach weise —  bedächtig —  langsam:

“ Lompûschek ward selber durch Euch gelangweilt. Er muß sich erst selber von der langen Weile erlösen. Wartet nur auf die Erlösung! Wartet! Werdet genügsam und ernst! In Eurer letzten Stunde komm’ ich wieder.“

Nach diesen Geisterworten trat der wirkliche Ewald Krämer in die Kneipe —

Die Menschen faßten sich an den Kopf.

Einige glaubten, ihre letzte Stunde sei gekommen.

“ Lompûschek, wir beten Dich an!“

Also sprachen die Menschen, indem sie ihre Biergläser leerten.

Krämer machte große Augen.

Lompûschek aber war schon weit fort.


 

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