Das Lachen ist verboten

Paul Scheerbart
Das Lachen ist verboten


Das Lachen ist verboten

aus: das Lachen ist verboten

….. „Treten Sie leise auf“, sagte der Herr Kasánek, „hier versammeln sich die heimlichen Könige der Erde. Und —  das Lachen ist verboten.“

„Ja“, erwiderte ich ebenso leise, „ich bin ja gerne bereit, den ganzen Zauber mitzumachen, aber…“

„Mein Herr“, flüsterte nun Herr Kasknek zischend, „vergessen Sie nicht, wo Sie sich befinden: im nächsten Saale versammeln sich die heimlichen Könige der Erde. Solche Worte wie, ganzer Zauber’ sind hier verpönt. Man spricht nicht wegwerfend über ein Zeremoniell, dem ein tieferer Sinn innewohnt.“

„Na denn“, erwiderte ich immer noch leise, „führen Sie mich nur hinein in die gute Stube.“

Herrn Kasanek traten Tränen in die Augen, und er rang die Hände hoch überm Kopfe, und er sagte ganz leise, doch mit durchdringendem Akzent: „Sie dürfen unter keinen Umständen mehr ein einziges Wort sprechen. Sie sind hier nicht zu Hause, Die heimlichen Könige sollen Sie hier sehen —  aber fernab sollen Sie bleiben, auf der Galerie. Gute Stube! Nun —  Sie werden Augen machen. Wehe Ihnen, wenn Sie lachen! Wehe Ihnen, wenn Sie ein Wort sprechen! Sie sind eine Leiche!“

Ich wollte etwas sagen, doch ich verkniffst mir.

Herr Kasanek führte mich auf die Galerie und bot mir einen Stuhl an in einer Ecke.

Ich wollte noch fragen, ob das Rauchen auch verboten sei. Doch Herr Kasanek war schon fort. Und ich steckte mir umständlich eine Zigarre an. Doch da kamen gleich drei Diener zur gleichen Zeit, entrissen mir die Zigarre und verschwanden lautlos, wie sie gekommen waren.

Also: das Lachen ist verboten… und das Reden ebenfalls und das Rauchen desgleichen.

Und nun sollte ich die Gesellschaft der heimlichen Könige kennenlernen —  ein Geheimbund! Eigentlich polizeilich verboten —  aber die Arrangeure sind sehr reich, und sie haben sich um irdische Verbote nicht zu kümmern.

Daß Derartiges in dem phantastischen Berlin möglich ist!

Aber nun der Saal!

Zwölf sehr stark erhöhte Thronsessel an einer langen Tafel! Und über jedem Thron ein Baldachin. Unten in der Tiefe, vom Thron aus nicht zu erreichen, befindet sich die Tafel!

Die zwölf heimlichen Könige kommen herein. Sehr gut gekleidete Jünglinge mit stilvollen Krawatten und ganz hohen Kragen. Alles sehr feierlich, Man begrüßt sich durch ein sanftes Beugen des Hauptes.

Ich denke immer wieder an das Eine: das Lachen ist verboten…

Man nimmt Platz unterm Baldachin. Und ich bin neugierig auf das, was gesprochen werden wird. Ich vermisse Zepter und Reichsapfel, Krone und Hermelin. Die Herren sind offenbar in Zivil.

Da sagt der eine mit milder Stimme zu seinem Nachbar:

„Ich habe noch niemals Stiefel mit Schnürsenkel getragen.“

Und ganz von ferne sagt ein anderer dazu: „Wir wollen über den Ersatz der Servietten reden. Das ist das Wichtigste.“

Alles schweigt.

Und dann steigt langsam die große Tafel höher, so daß die zwölf Könige —  zulangen können.

An Stelle der Servietten liegen hellgelbe Schwämme in blauen Schalen hinter jedem Besteck.

Ich werde sehr höflich, aber sehr dringlich gebeten, jetzt die Galerie zu verlassen. Ich will was sagen, erinnere mich aber rechtzeitig an das Verbot. Besonders: das Lachen ist verboten…

 

ps_161   Die Galle (Gedicht)


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