Unter wilden Tieren
Paul Scheerbart
Das Lachen ist verboten
Unter wilden Tieren
Eine Verzweiflungsgeschichte
Zwei gute Menschen kamen durch einen verwüsteten Park, in dem viele wilde Tiere hausten.
Eines Morgens griff ein Leopard den einen guten Menschen zähnefletschend an.
Doch der zweite Mensch nahm einen Stein und schlug den Leopard — tot.
Wie das der andre gute Mensch sah, entsetzte er sich und sprach voll Abscheu: „Mörder! „
Doch der „Mörder“ hielt es nicht für gut, hierauf was zu sagen.
Nicht lange danach griff nun ein Pavian den andren guten Menschen an, Und dieser andre gute Mensch nahm ohne Weiteres seinen Stock und schlug mit dem den Pavian — tot.
Der erste gute Mensch sah das, lächelte sehr fein und sprach jetzt auch das Wörtchen: „Mörder!“ recht vernehmlich aus.
Die guten Menschen standen still, sahen sich verwundert an, waren ernst, schüttelten sich aber nach einer Weile schmunzelnd die Hände.
Und der Erste meinte:
„In einem verwüsteten Park, in dem wilde Tiere hausen, kann man nicht zu allen Zeiten ein guter Mensch sein!“
„Da hast Du ganz recht“, versetzte der Zweite — und ihm tat’s leid, daß er so abscheuvoll den Ersten „Mörder“ genannt hatte.
Darauf frühstückten die Beiden in Eintracht und Gemütlichkeit.
Nach dem Frühstück zogen sie ihre Spielkarten aus der Tasche und begannen zu spielen.
Und alsbald rief der Zweite von den beiden guten Menschen ein bißchen symbolisch:
„So! — Trotzdem ist Couer Trumpf und nicht Pique!“
Und ein sanftes Säuseln ging durch den verwüsteten Park.
Die schlanken Tannen schwankten — so froh bewegt.
Die wilden Tiere horchten…
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