Briefe an Richard Dehmel

An Richard Dehmel
Lieber Richard! Herzlichen Dank für die liebe Einladung! Leider hat sich seit vielen Jahren im Hause Scheerbart die Sitte eingebür­gert, Sylvester still zu Hause zu bleiben. Ich kann in diesem Jahre keine Ausnahme machen – denn ich bin abergläubisch. Uebermittle Deiner Gat­tin unsre herzlichsten Glückwünsche und sei nicht böse

Deinem

guten

Paulus

28. December 1898.


An Richard Dehmel
Herrn Dr Richard Dehmel, Erster Korallenrath der submaritimen Staa­tengruppe des stillen Oceans [Erdball der 7 ten Milchstrasse] Pankow bei Berlin Parkstrasse 25.
Aussenwelt!10. März 1899 C.

(37 S.)

Mein heiligster Korallenrath!

Oceandonner zuvor! Ich gratulire Dir zunächst zu Deiner Weltwürde. So­dann bitte ich Dich, Deiner Frau Gemahlin und Deiner Frau Schwester die verbindlichsten Bärengrüße zu übermitteln und mitzutheilen, daß ich wohl in der beneidenswerthen Lage bin, gratis die verschiedensten Republiken, Idealstaaten und Kaiserreiche (sofern sie submaritimer Natur sein dürfen) in jeder beliebigen Anzahl vertheilen zu können – leider aber nicht Billets für den West-West-Club. Berichte bitte, daß ich das Letztere herzlich bedaure, gleichzeitig aber nicht umhin kann, zu behaupten, daß meine Blumen-Pantomime »Die siegreiche Kunst« nicht einmal den Werth von Napoleons Sommerüberzieher besitzt. Ich bleibe daheim. Empfiehl den Damen mei­nen Bären und meine Wenigkeit aufs Herzlichste.

Mit verbeultem Qualcylinder verbleibe ich ewig Dein Rassikollubommke I.


An Richard Dehmel
King Richard Dehmel!!! Spezgart bei Ueberlingen am Bodensee
Abs. Scheerbart alter Millionär in Nieder-Schönhausen bei Berlin

Fotopostkarte mit Aufdruck: Gruss aus Niederschönhausen. Kirche vom Walde gesehen.

2.11.1899.

Mein Cardinal! Du, der Du immer noch glaubst, daß Kometen einen soge­nannten Dassel haben, wisse, daß das pure Anthropomorphik ist. Du bist ein Mensch! Ich aber bin der Unmensch, der Dir was sagen möchte – und es doch nicht thut! Und dennoch will ich Dir antworten! Warte nur! Bälde! Lange Grüße!

Dein Paulus.


An Richard Dehmel

25. Nov. 1899.

Lieber Admiral! Obgleich ich die Geschichte vom Freitag Abend nur für einen »abgekarteten Hintertreppenwitz« halte, will ich doch nicht unterlassen, Dir mitzutheilen, daß wir selbst­verständlich zu Hause waren. Vorne war Alles offen – warum berühr­test Du nicht die Gitterthüre. Ich habe mich geärgert.

Na prost! Dein Paul Carl Wilhelm


An Richard Dehmel

Nieder-Schönhausen

in der Mark Brandenburg

Montag den 21. Mai 1900 C.

12 – 1 Uhr Mittags

[Kaiser Wilhelm Strasse vierundzwanzig]

Edler Rikkardo!

Allen wahrhaft edlen Lebewesen ist Alles unangenehm – besonders aber das Wesen mit der dem Edlen ähnlichen Struktur – daher die raffinirte Antiero-tik, die allen Aerger tötet und die Lex Heinze erzeugt. Bedenke, daß es ge­meinhin die unangenehmsten Folgen hat, wenn man einen Mitmenschen für den angenehmsten erklärt. Ich thu so was nicht – denn ich bin ja so kan­nibalisch schlau. Sei kalt wie der Nordpol. Indessen – ich schreibe Dir die­sen Brief, um Dir mitzutheilen, daß ich im November, als Du hier warst, sehr wohl zu Hause war. Wir warteten auf Dich mit Grog und Bärenku­chen. Die Gartengitterthür war auf. Wer das bestreitet, hat kein reines Ge­wissen. Ich habe Dir sofort einen empörten Brief auf rosafarbigem Papier geschrieben und in den Grunewald geschickt. Dieser rosafarbige Brief scheint nicht in Deine Hände gerathen zu sein. Ich habe mir daher seit No­vember systematisch alle Liebenswürdigkeit abgewöhnt. Nu angle nur in den Wolken! Ich wiege jetzt 280 Pfund und werde jetzt Preisboxer werden

Mit dicken Bärengrüßen

bin ich

Dein Pol Paul Carl Wilhelm

 


An Richard Dehmel
Gedruckte Briefkarte
Paul Scheerbart
Anna Scheerbart
geb. Sommer
Vermählte
Niederschönhausen den 13. September 1900
bei Berlin

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