Briefe an Richard Dehmel

An Richard Dehmel
Herrn Dichter Richard Dehmel Blankenese b. Hamburg Parkstrasse 40.
Abs. Maler P.C. Wilhelm z.Z. Minden in Westf. Stiftsstrasse 44c.
Große kolorierte Federzeichnung
Dicker Lyriker! Das Schreiben überlasse ich meinem Bären – ich male nur noch. Na prost! Aegyptische Bärengrüsse.

Altid

din

11.8.02P.C.W


An Richard Dehmel
(An) den großen Ohrenschmaus, den Erd-Herrn und -Meister Lord Richard Dehmel Blankenese bei Hamburg Parkstrasse 40.
Abs. Scheerbart-Heering-Eggers-Steinhard z.Z. Minden in Westfalen Stiftsstr 44 c
Kolorierte Federzeichnung in der linken oberen Kartenecke

Minden in Westfalen 18.8.1902

Sir! Mondohr? cf. Mondroman pag. 188 lin 4-12!! Der Mond ist kein Lärm­stern und hat daher auch keine Ohren. Die Mehrzahl der astralen Lebewe­sen verständigt sich unter einander ohne Ohren!! Du aber bist ein Lärm­mann, der gehört werden will. Oh! Oh! Und du denkst, die Mondleute seien genügsam, da sie Dich nicht mit Ohren hören möchten! Mußt Du stolz sein – auf den Lärm, den Du machen willst! Und Du hofftest, der Mond würde sich bald umdrehen, damit die Mondleute Dir mit dem gro­ßen Rohr in die Karten kucken könnten? Warum? Weil Du die Wünsche der Weltgeister zu kennen glaubtest? Welch ein komischer Stern ist doch die Erde, auf dem Lebewesen herumkrabbeln, die sich einbilden, dem Welt­geiste näher zu kommen! Auf dem Monde passirt so was nicht! Na – »Im­mer muthig!« Das brüllt sinnigst der

RC.W.J.J.P.D.


An Richard Dehmel

Charlottenburg 10.10.02

Lieber Richard! Gestatte, daß ich Dir meine neue Adresse mittheile: ich wohne anitzo: Charlottenburg bei Berlin Kaiser Friedrich Strasse 43. Gartenhaus II Treppen rechts. Die Aussicht ist hier entzückend. Wann kommst Du nach Charlottenburg?

100000 Bärengrüße von Palais zu Palais – for ever

Din P.C.W.

Randbeschriftung:
Deine Karte war einfach – be-rau-schend!

An Richard Dehmel
Bleistiftzeichnung, einen Kranz aus 7 Köpfen darstellend, innen beschriftet: Wir gratulirenü A.C.L. u P.C.W.
Lieber Richard! Entschuldige die Kürze – u. daß der »Potentatenkranz« nicht ausgeführt ist – aber ich habe Eile!
Randbeschriftung:
Demnächst auf dem Süllberg das Weitere u wahrhaft Bedeutende
Hurrah!
Hoho! Aussicht hier gut!
Empfiehl uns Deiner Frau Gemahlin
17. Nov 1902

An Richard Dehmel

9. Januar 1903

Lieber lieber Richard!
Oh – Deine Ungeheuer!
Den Grimm, den ich hatte [selbstverständlich nicht auf Dich, wie mein Bär
so richtig bemerkte] – kannst Du nicht ermessen.
Und die Freude, die Du mir gemacht hast – auch nicht.
Selbstverständlich bekommst Du Auswahl – jeden Tag.
Sei froh, daß Du nicht in Berlin bist. – Es ist hier beinah noch schlimmer
als in Westfalen.
Oh!
Oh!
Jawohl!

Ich bin der Deine

ganz und gar

Dein

Paul

Paulaccio

Paulissimo.

Hacke uns in Gedanken kurz u. klein und lege uns so dort hin, wo Du’s für
richtig halten thust.
Verzeih mir die Strandhandschrift.
Kleine Federzeichnung am unteren Kartenrand

An Richard Dehmel

Charlottenburg 17. Januar 1903

Lieber Richard! Zunächst meinen allerschönsten Dank für Deinen lieben Brief. Ich bin mit Allem einverstanden und habe dem entsprechend umgear­beitet. Bios das Eine ging nicht: Krabsikrobsi konnte sich über die Explo­sion nicht freuen – »er hatte ja keine Stiefel an«.

Dein »fürstliches« Honorar hat mein Herz mit großer Wonne erfüllt – ich würde Dir sehr dankbar sein, wenn Du’s mir senden könntest so bald – wie Du kannst.

Ich verpflichte mich gern, bis zum 1. October 1905 die beiden Sachen nir­gendwo anders zu veröffentlichen. Alle Deine Bemerkungen haben mir große Freude bereitet – ich verstehe nur nicht, warum auf S. 7 »war’s« – so – mit einem Apostroph geschrieben werden soll. Für die Explosionsidee sage ich Dir noch meinen ganz besonderen Dank. Hoffentlich gefällt Dir so die ganze Geschichte – sonst bin ich gern bereit, nochmals zu verändern. Jetzt werde ich auch ganz bestimmt nicht mehr traurig sein. Wenn aber die­
ser Zickel im November 6 Theaterstücke von meinen 21 Theaterstücken
zur Aufführung annimmt – und nachher erklärt, daß er noch nicht peku­
niär sanirt ist, so soll mal na, Schall u. Rauch*) werden jetzt wohl »kor­
rekter« sein. Ueberhaupt: die Traurigkeit ist sehr überflüssig – besonders,
wenn man, wie ich, ein Lustspiel »Rübezahl« schreibt – das ganz im alten
Theaterstiebel dahinwandelt!
Oh ja! Es lebe der alte Gummischuh!**)

Es ist so erquickend, wenn alle Leute so anspruchslos sind – wie diese Thea­terleute; sie behaupten, daß meine Stücke das Publikum nervös machen

könnten na, und so will ich sanftere Saiten aufziehen.

Du hast Recht: wir dürfen uns nicht mehr einsam fühlen. Aber wenn man son Pechvogel ist – wie ich – dann auch nich? Na – gut! Es sei wie Du sagst! Aber über die verschiedenen Arten des Sicheinsamfühlens könnte man Bände schreiben. Götterglanz über ganz Blankenese!

Dein alter Paulus

*) mit denen ich vor Kurzem angebunden habe.
**) Wir leben offenbar nach jeder Hinsicht in einer herrlichen Reactionszeit
Randbeschriftung:
Entschuldige bitte das komische Briefpapier mit dem Wasserzeichen
Und entschuldige auch die vielen Gedankenstriche und -Schnörkel.

An Richard Dehmel

Poststempel: 30.1.03

L. R! »Ih was!« ist doch kein Widerspruch – sondern so viel wie »ganz egal«.
Allerdings setzt es einen Widerspruch voraus – der sollte aber auch vor­
ausgesetzt sein – sonst hätte »doch hineinspringen…« keinen Sinn. Hexen
sind nicht so ohne Weiteres mit einem Gummischuh zufrieden – andrer­
seits scheint es mir aber auch nicht nöthig jedem Gedankensprunge einen
Ausdruck zu geben – damit immer noch Dinge zwischen den Sätzen blei­
ben – was doch allein die wahre Fülle vorzaubern thut. 2 a. lin. 1 »Allen« u.
»Weiteres« sind nach meinem Gefühl schwere Substantiva u. folglich
»groß« zu schreiben; ich gebe der preußischen O. nicht »überall« nach – sie
ist ein Attentat auf die »freien« Autoren – und müßte von diesen eigentlich
öfters gerempelt werden. Aber man hat ja »Gottseidank« mehr zu thun. Ich
bin deshalb auch zuweilen »sehr« kapriciös (cf. der kleinste der Zwerge) –
damit man blos nicht glaubt, ich hätte die O. »wirklich« mal ernst genom­
men. »Du« in der Anrede klein zu schreiben – das ist allerdings ein Vorbote
der demokratisirenden Geheimrathsrevolution. So viel Spaß mir auch diese
selbst von potentatlicher Seite geförderte R. machen wird – die gesellschaft­
liche Form ist mir doch zu heilig

Altid Din P.C.W, im Ernste.


 

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